Der Bischof

Geklaute Kaugummis & Kunststoffdaumen

Das Absurde ist Beni Bischofs (*1976) kreatives Prinzip. Der Schweizer Künstler kreiert mit seinen Arbeiten einen skurrilen Kosmos aus popkulturellen Versatzstücken. Als Inspiration dient ihm dabei die Banalität und das Drama des Alltags, das vermeintlich Große wird klein und das Kleine ganz groß. Er hat keine Lust auf ein Interview, also schreiben wir uns. Eine E-Mail-Korrespondenz zwischen Österreich und der Schweiz.

Text: Lara Ritter

„Und die Mami kreischt.“

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Wednesday, Oktober 11, 2023, 3:21 PM
Subject: About your work & life

Lieber Beni, 
wie wär's mit einer Frage via E-Mail, also einer Art E-Mail-Dialog? 

Liebe Grüße
Lara
 

________________________

 

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Wednesday, Oktober 11, 2023, 4:26 PM
Subject: AW: About your work & life

Klar. 

Beni

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Thursday, October 12, 2023, 4:35 PM

Da viele Deiner Zeichnungen zitierbare Sätze beinhalten, starten wir mit ein paar Fragen, die darauf aufbauen: „Mami, ich bin jetzt Künstler!“ – Startete so Deine Künstlerkarriere?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Friday, October 13, 2023, 10:22 AM

Liebe Lara!

Nein. So hat meine Künstlerkarriere nicht begonnen. Das wuchs alles natürlich vor sich hin, zuerst lange daheim bei meiner Mutter in der Garage, wie ein Moos oder Pilz im Wald. Ursprünglich via Skateboarding und Grafik. Mein erstes Gemälde machte ich auf die Rückseite meines Skateboards und dachte: „Kunst“. „Mami, ich bin jetzt …“ ist eher ein Klischee. Via Kunst aus der Norm ausbrechen. Und die Mami kreischt. :) Aber heute ist Ausbrechen in der Kunst ja fast schon normal …

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Friday, October 13, 2023, 11:09 AM

… noch was bezüglich der Garage: Meine Mutter hatte nichts dagegen, dass ich in der Garage arbeitete. Das Problem war nur, wenn sie ihr Auto einparken wollte …

Beni

„Im Idealfall von Shit days zu Good days.“

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof

Sent: Sunday, October 15, 2023, 10:41 AM

„The Way it Should Be“ – ist welcher?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Sunday, October 15, 2023, 1:03 PM

… the way it should be ist für mich möglichst unabhängiges Arbeiten, bei dem ich meine Ideen verfolgen kann. Ein Vermeiden aller möglichen Zwänge, eines Chefs, geografischer und zeitlicher Gebundenheit ... darum bin ich ursprünglich Künstler geworden. 

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Sunday, October 15, 2023, 1:39 PM

„Just another shit day in suck city.“ – So schlimm?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Sunday, January 16, 2022, 2:14 PM

… manchmal schon. Falls mal der Tag doof ist, hau ich mit dem Zug aus der Stadt ab. Ebenfalls umgekehrt, das heisst: Ich pendle. Balance. Im Idealfall von Shit days zu Good days. Aber ganz so schlimm ist es nicht. „Just another shit day …“ lasse ich nur die Figuren in meiner Malerei sagen, die sind sowieso immer so gehässig und komisch drauf.

„Spaghetti-essend vor dem Fernseher sitzen.“

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Sunday, October 15, 2023, 2:24 PM

„Painting seems like some kind of peculiar miracle that I need to have again and again.“ Ist Kunst ein Wunder?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Sunday, October 15, 2023, 2:37 PM

Ja, oft ein Wunder im Sinne von „Überraschung“.  Manchmal eher wie Alchemie. Im besten Fall ist eine Arbeit mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Ist jedoch je nach Medium unterschiedlich. Generell wundere ich mich, wenn überhaupt was klappt …

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Monday, October 16, 2023, 2022, 12:34 PM

Ein Zitat über Dich: „Die Banalität unseres Alltags und das Absurde des menschlichen Daseins dienen ihm dabei als Inspirationsquelle.“ Was ist das Absurde am menschlichen Dasein? 

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Monday, January 17, 2022, 3:16 PM

… zum Beispiel, wenn ich Spaghetti-essend auf dem Sofa vor dem Fernseher sitze und dabei News über Flüchtlinge oder eingeschlagene Bomben anschaue.

„Scheissstimmung.“

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Tuesday, October 17, 2023, 10:22 AM

Apropos Essen: Schulkinder schrieben Dir Entschuldigungsbriefe, nachdem sie bei einem Ausstellungsbesuch die Kaugummis aufgegessen hatten, die Teil Deiner Installation waren. Welche Sorte war es?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: uesday, October 17, 2023, 10:39 AM

Da stand ein Kübel voll verschiedenfarbiger runder Kaugummis. 15 mm Durchmesser. Alle ziemlich süß, gleicher „Geschmack“. Solche, wie es sie früher in den Automaten gab. 

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: uesday, October 17, 2023, 10:55 AM

alle Himbeere oder so ...

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Tuesday, October 17, 2023, 11:06 AM

Klingt ja nach einer großen Versuchung ... wie schnell hast Du ihnen verziehen? 

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Tuesday, January 18, 2022, 11:09 AM

War ihnen natürlich gar nie böse oder so. War mir einfach egal. Der Lehrer und das Ganze tat mir einfach irgendwie leid. Scheissstimmung, Entschuldigung, Briefe, ts ts ts ... die armen Schüler. Haben jetzt ein Kunst-Trauma. :) Habe die Briefe noch. Will irgendwann ein Heft damit machen.

„Having a messy studio can help you as an artist.“

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Tuesday, October 17, 2023, 11:31 AM

Ganz schön chaotisch! Welche Kraft liegt im Chaos?

________________________

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Tuesday, October 17, 2023, 11:36 AM

… die Kraft von Zufällen, Werken und Ideen, die man nie geplant haben könnte. Sie im Chaos zu erkennen, ist manchmal eventuell schwierig. 

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Wednesday, October 18, 2023, 1:08 PM
 

Welches Werk ist zuletzt durch Zufall zustande gekommen? 
 

________________________
 

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Wednesday, October 18, 2023, 2:22 PM

… ein künstlicher Daumen aus Kunststoff lag auf dem Tisch halb unter dem Teller eingeklemmt. Daraus entstand dann ein Foto.

Es müssen halt schon auch interessante Gegenstände herumliegen, damit sich gute Zufälle ereignen können. :)

________________________

 

From: Beni Bischof
To: Lara Ritter
Sent: Friday, January 21, 2022, 4:15 PM
 

… bezüglich Chaos habe ich gerade einen Satz aus meinem Textbuch gefunden:

„Having a messy studio can help you as an artist.“

LG Beni

________________________

 

From: Lara Ritter
To: Beni Bischof
Sent: Wednesday, October 18, 2023, 4:35 PM
 

Yesss. In diesem Sinne! Vielen Dank für die nette E-Mail-Korrespondenz! Schöne Grüße in die Schweiz. Lara
 

Der Multimedia-Künstler Beni Bischof (*1976) lebt und arbeitet in St. Gallen und seinem Geburtsort Widnau (CH). Beni Bischof hat sich mit seinen humorvollen und absurden Arbeiten einen internationalen Namen gemacht. Er mixed alle Medien: Digitales, Alltagsgegenstände, Zeichnungen, Gemälde oder Fotografien. Zahlreiche Preise und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.
 

Bücher von Beni Bischof (Auswahl):

Rambo
Cillit Bang, Dash, Omo and Friends
No More Pie in the Sky
Shelters & Flowers 

Die Schönheit des Bösen

Text: Lisa Peres, Antje Salvi Fotos: Heide-Marie Mayer, Lisa Peres, Sammlung: Wolfgang Mayer

Fliegerdruckanzug

Kriege sind hässlich. Solange es sie gibt, werden Menschen töten, sterben, flüchten, hungern und leiden. Lebensräume, Kulturen, Flora und Fauna werden zerstört. Gesellschaften über Generationen hinweg traumatisiert. Die Rüstungsindustrie entwickelt die ausgeklügeltsten Techniken, um zu vernichten, und die kreativsten, um zu überleben. Das Design des Krieges ist verführerisch schön und verströmt gleichzeitig seinen ganzen Schrecken.

Die MAK-Direktorin

Text: Antje Mayer-Salvi, Porträts: Christian Anwander für C/O Vienna

Seit gut über einen Jahr leitet Lilli Hollein nun das MAK­. Eine Art Bootcamp für Museumsdirektorinnen seien die vergangenen Monate mit Lockdown, Ukraine-Krieg und Energiekrise gewesen. Anlässlich der großen Ausstellung The Fest. Zwischen Repräsentation und Aufruhr (noch bis 7. Mai 2023) sprechen wir mit ihr über durchgemachte Nächte, die Wedding-Planner des Barocks, und warum Spitzen- und Klöppelarbeiten die Hermès-Taschen ihrer Zeit waren.

Lilli Hollein Porträt Nahaufnahme bunt