Der Grafikdesigner

Ein Email aus New York

Über den Österreicher Stefan Sagmeister steht unglaublich viel in den Medien. Das kann man googlen. Das macht sogar ziemlich glücklich. Er ist nämlich nicht nur ein fantastischer Grafikdesigner, sondern ein ziemlich unterhaltsamer Mensch. Wir dachten uns, wir fragen ihn mal etwas zu Wien und veröffentlichen einfach unsere Emailkorrespondenz. Ungekürzt und unzensuriert.

Text: Antje Mayer-Salvi

On Oct 21, 2015, at 9:52 AM, <Antje Mayer> wrote:Lieber Stefan Sagmeister, ich hatte im Frühling schon einmal wegen eines Interviews in New York vor Ort angefragt, aber für Dich war meine Anfrage zu kurzfristig. Vielleicht klappt ja ein kurzes Emailinterview für unser C/O Vienna Magazine, anlässlich Deiner „Happy Show" im MAK (bis 28.03.16). Ich hatte ja die New York-Ausgabe im Jüdischen Museum damals gesehen und Dein Buch „The Happy Film" immer vor mir am Schreibtisch liegen. Ich hoffe, ich falle nicht mit der Tür ins Haus, wenn ich gleich die Fragen mitschicke. Ich würde mich sehr freuen, wenn es diesmal klappt. Ganz herzlichen Dank im voraus für Deine Mühe. Herzliche Grüsse Antje

On Oct 21, 2015, at 22:50 AM, <Stefan Sagmeister> wrote

Hello Antje,

Kein Problem. Hier sind ein paar Antworten zu Deinen Fragen:

Antje M.-S.: Du hast eine Liste von Dingen gemacht, die Dich im Leben wirklich glücklich gemacht haben, in Wien waren das: 1984 Idea for Ronacher in Tivoligasse1985 Excess with Lisli in Vienna1985 With Andrea in Tivoligasse, orgasm.„Excess" und „orgasm" verstehen wir vollumfänglich. Wie passt die "Idea for Ronacher in Tivoligasse“ dazu? Das hat was mit Design zu tun!

Stefan S.: Hans Gratzer, der damalige Direktor des Schauspielhauses, für das wir als Studenten die Plakate gestalteten, hatte mich beauftragt, eine Kampagne zur Rettung des Ronachers - das abgerissen werden sollte - zu gestalten. Nach langem Grübeln und Hin und Her hatte ich in meiner Studentenwohnung in der Tivoligasse die Idee für diese Poster. Ich habe dann wochenlang daran gearbeitet und war so überzeugt von dieser Idee, dass dieses Arbeiten mich mit wirklicher, tiefer Freude erfüllte. Das Ronacher steht noch.

Wien ist - im Gegensatz zu New York - eine Stadt, in der es salonfähig ist, unglücklich zu sein. Kennst Du das bei Dir?

Sicherlich ein Grund, wieso ich mich in New York so wohl fühle, ist, dass ich diesen Stolz auf das Unglück unter den meisten New Yorkern nicht kenne. Meine Schwester hatte mir Thomas Bernhards Prosatext "Meine Preise" geschickt, obwohl ich als 17-Jähriger ein grosser Bernhardfreund war, kann ich diese Freude an der Misere heute nicht mehr lesen.

Was macht Dich in Wien (Österreich) glücklich, privat und beruflich?

Da gibt es einiges: Das sonntägliches Telefongespräch mit meiner Schwester, die ausgezeichnete „Drawing Now" Ausstellung in der Albertina, das „Smell Memory Kit" entwickelt von Sissel Tolaas für das feine Geschäft Supersense in der Praterstrasse, das Wandern auf der Kandisfluh im Bregenzer Wald, die Führungen meines Cousins Rudolf Sagmeister durch das Kunsthaus Bregenz, das Zusammensitzen mit meinen 11 Nichten und Neffen, ein Leberkässemmel mit Gurke von der Metzgerei Rimmele.

Du machst alle sieben Jahren ein Sabbatical. Nächstes Jahr ist es wieder soweit, wenn ich richtig gerechnet habe. Schon Pläne? Ich stelle es mir sehr schwer vor, ein Sabbatical zu machen. Das ist eine grosse Kunst! Oder nicht?

Nein, das ist relativ einfach, es braucht nur einen Plan. Im Prinzip sind das Experimentierjahre, in denen ich all das ausprobiere, für das in den normalen Arbeitsjahren keine Zeit zu bleiben scheint. Bisher war jedes Jahr verschieden: Das erste Jahr war ich alleine in New York City, verbrachte viel Zeit mit Nachdenken und mit wenigen ausgeführten Arbeiten als Resultat. Das zweite Jahr in Indonesien, zu fünft in einer Handwerkskultur, ergab einige fertiggestellte Projekte, darunter auch Möbel und der Beginn des Happy Films. Eines der Hauptresultate der Auszeitjahre ist die Tatsche, dass ich nach fast 30 Jahren meinen Beruf immer noch sehr vergnüglich empfinde. Das nächste Sabbatical wird sicher wieder anders werden: Es beginnt im Herbst nächsten Jahres, und ich werde es an drei verschiedenen Orten verbringen: Tokio, Mexiko City und im Bregenzer Wald, wahrscheinlich Schwarzenberg.

Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, nicht mehr das beruflich zu machen, was Du jetzt tust?

Wir arbeiten im Studio an traditionellen Grafikdesignprojekten für Kunden (Branding, Webseiten, etc) und arbeiten an von uns selbst initiierten Projekten (Dokumentarfilm, Ausstellungen, Möbel). Es gab Zeiten, in denen ich darüber nachgedacht habe, nur noch die persönlichen Projekte zu gestalten. Aber bisher haben die kommerziellen Projekte immer die persönlichen positiv beeinflusst, und die persönlichen die kommerziellen. Darum werde ich wohl noch eine Weile bei beiden bleiben.

Wie glücklich bist Du gerade auf einer Skala von 1 (gar nicht) - 10 (sehr)?

7.5. Es geht mir gut.

1000 greetings,

Stefan

NEW address:
Sagmeister & Walsh
900 Broadway, 2nd Floor
New York, NY 10003

Stefan Sagmeister ist ein österreichischer Grafikdesigner, bekannt für seine unkonventionellen und provokativen Arbeiten im Bereich des Grafikdesigns. Er gründete das New Yorker Designstudio „Sagmeister Inc." und arbeitete mit berühmten Künstlern wie den Rolling Stones und Lou Reed zusammen. Zusammen mit Jessica Walsh hat er das Kunstprojekt „Sagmeister & Walsh" ins Leben gerufen.

Der Drucker

Text: Antje Mayer-Salvi

Robert Plaschko in der Druckerei

Die Österreichischen Lotterien, politische Parteien, kleine kreative Agenturen und große Wiener Kunstinstitutionen – sie alle vertrauen ihr, wenn es ums Drucken geht. Robert Plaschko leitet eine der größten Druckereien des Landes, die Print Alliance, die in drei Schichten ihre Maschinen praktisch permanent am Laufen hält. Wir besuchten das Werk in Bad Vöslau bei Wien. Ein Gespräch über veganes Papier, den Super-GAU und die Frage, warum Druckerinnen eine gute Nase brauchen.

Die CIN CINs

Text: Antje Mayer-Salvi, Fotos: David Meran

Jasmin Roth und Stephan Göschl sind Gestalterinnen mit Haut und Haaren. 2015 gründeten sie CIN CIN, ein multidisziplinäres Designbüro in Wien, das sich auf Motion-, Print- und Webdesign spezialisiert hat. Wir diskutierten mit ihnen darüber, ob man Österreich die Sahelzone des guten Geschmacks nennen darf und was Torten-Toppings mit Typo zu tun haben.

Jasmin Roth und Stephan Göschl

Die Libelle

Text: Maria Schoiswohl

Zuerst war die Malerei. Dann der Film. Die Performance. Das Theater. Dazwischen die Mathematik. Die Ethnologie. Mara Mattuschka ist ein sprudelnder Kunstquell. Mit unverwechselbarer Handschrift. Die gebürtige Bulgarin kommt als Teenagerin nach Österreich. Sie lernt bei Maria Lassnig in Wien und lehrt Freie Kunst in Braunschweig. 2019 wurde Mara Mattuschka 60 Jahre alt, der Schaffensdrang ist ungebrochen. Sie malt täglich in ihrem Atelier in Hernals, brachte 2018 ihren neuesten Film Phaidros in die Kinos und schreibt an ihrem nächsten Theaterstück. Bei ihrer Arbeit begleitet sie eine Libelle. Beim Interview mit dem C/O Vienna Magazine sitzt sie im Café Prückel bei einer Melange.