Der Gypsy-Gitarrist

Über Nacht zum Star

Diknu Schneeberger ist ein Ausnahmetalent. Mit 14 Jahren nahm er das erste Mal eine Gitarre in die Hand, ein halbes Jahr später stand er mit ihr bereits auf den großen internationalen Bühnen. Seine virtuose Spielweise und die Leidenschaft für den Gypsy-Jazz haben ihm seine Ahnen, die Sintis vererbt, sagt er. Heute ist Diknu 27 Jahre alt, erzählt, wie er den anfänglichen Karriereschock besiegt hat, warum er mit Django Reinhardt verglichen wird, und warum er sich lieber selbst ein Vorbild ist.

Text: Lisa Peres

„Da sitzt auf einmal ein junger Bursche, von dem noch keiner gehört hat, und der spielt wie ein Weltmeister!"

Wie hat es mit Deiner fulminanten Karriere begonnen?

Mein Vater (der bekannte Jazz-Bassist Joschi Schneeberger, Anm. der Red.) machte einen Deal mit mir: "Diknu, wenn Du anfängst, Gitarre zu lernen, und es gut machst, darfst Du in meiner Band Joschi Schneeberger Quintett spielen, eine zweite Rhythmusgitarre braucht es bei uns." Ich willigte ein, und er schenkte mir zu meinem 14. Geburtstag eine Gitarre. Sein Gitarrist Striglo Stöger gab mir Unterricht. Ab da ging dann alles sehr schnell ...

Nach einem halben Jahr Unterricht warst Du schon der jüngste Superstar auf der Bühne ...

Es gab da mehrere Erfolgsaspekte. Das Familienpaket, Vater am Bass und der junge Bub vom Joschi an der Gitarre, das war gut, aber nicht das ausschlaggebende Ding. Beeindruckend war für alle eher, dass ich so extrem jung war und in kürzester Zeit so gut gespielt habe: Da sitzt auf einmal ein Bursche auf der Bühne, von dem noch keiner gehört hat, und der spielt wie ein Weltmeister.

„Ich habe nicht in die Zukunft gedacht, aber ich habe einfach jeden Tag mit Leidenschaft geübt und gemacht!"

Deine Karriere ging dann steil bergauf. Mit 16 Jahren hast Du den begehrten Hans Koller Preis als "Talent des Jahres" erhalten. Gab es für Dich ein Schlüsselerlebnis, wo für Dich klar war, das Musizieren will ich zu meinem Beruf machen?

Musikalisch war mein prägendstes Erlebnis 2007 bei den Leverkusener Jazztagen in Deutschland. Auf diesem riesigen Festival auf der Bühne zu sitzen, als 17-jähriger Bub vor so vielen Leuten! Und vor mir tritt der berühmte Bassist Markus Miller auf. Es gab danach natürlich immer wieder solche Erlebnisse und große Konzerte, aber das war mein erstes! Das war mein Durchbruch auf den großen Bühnen. Ab da absolvierten wir Auftritte rund um den Globus.

Steigt einem dieser Ruhm nicht zu Kopf, wenn man noch so jung ist?

Mittlerweile nicht mehr, aber am Anfang war da natürlich schon ein bisschen die Verwirrung. Ein richtiger Schock. Da war vor allem die Angst, den hohen Erwartungen der Leute nicht zu entsprechen ...

Was hast du dagegen getan? Viel geübt?

Ich habe noch nie gezählt, wieviele Stunden ich übe. Ich habe einfach die Gitarre in die Hand genommen, weil sie extrem magnetisch für mich war. Ich musste sie einfach in der Hand halten und einfach besser werden und habe gespielt, gespielt und gespielt. Und wenn ich mal nicht gespielt habe, dann habe ich in meinem Kopf weitergeübt. Ich habe nicht in die Zukunft gedacht, ich habe einfach jeden Tag mit Leidenschaft geübt und gemacht!

Was macht Dich speziell? Warum kommst Du so gut auf der Bühne an?

Es beginnt damit, dass meine Musikalität eine Gabe ist, die mir meine Ahnen weitergegeben haben ...

Du meinst Deine Sinti-Wurzeln ...

Ja, auf jeden Fall. Ich habe schon oft gehört, nur wahre Sinti beherrschen den Gypsy-Jazz wirklich. Die, die diese Musik im Blut haben! Ich kann das ein bisschen bestätigen! Meine Vorfahren hatten eine eigene Lebensart. Die Sinti reisten mit dem Wohnwagen durch die Gegend, frei im Kopf, hausten im Wald, musizierten gemeinsam. Dieses Feeling, dieses "Machen-wir-einfach-Musik-weil-es-Spaß-macht“, "Sitzen-wir-zusammen", "Wir-sind-eine-Gruppe", ein Rudel, "Wir-machen-schöne-Musik-zusammen", "Wir- feiern-dabei". Das macht es aus!

„Musik ist wie ein Zauber, magisch!"

Dieses Feeling hast Du vererbt bekommen?

Ja, absolut. Mein Urgroßvater war ein begnadeter Cellist, angeblich war es extrem schön, ihm zuzuhören. Leider gibt es keine Aufnahmen davon. Mein Großvater war ein Geiger. Er hat oft zur Hausmusik eingeladen. Und viel gefeiert (lacht). Diese Tradition hat mein Vater fortgeführt. In meiner Kindheit und Jugend gab es daheim viele Hausmusikfeiern! Ich selbst bin übrigens nur zu einem kleinen Teil Sinti. Meine Familie mütterlichseits bestand zwar auch aus "Reisenden", sie waren sogenannte Jenische, aber waren keine Sinti. Auch mein Vater ist schon ein "Mischling".

Was weißt Du sonst noch von Deinen Ahnen?

Eine genaue Ahnenforschung hat leider niemand in unserer Familie betrieben.Viele Informationen sind durch den Krieg verloren gegangen. Damals mussten ja alle andere Namen annehmen und sich hinter ihren neuen Identität verstecken. Mein Vater hat mir erzählt, dass seine Großeltern, sein Vater und sein Onkel ihm am Abend oft Geschichten aus dem KZ erzählten. Für ihn waren das die reinsten Horrorgeschichten. Er konnte oft nicht einschlafen.

Und heute?

Leider ist vieles nicht mehr so wie früher aus den Erzählungen. Die Sintis waren eine große Community, eine Sinti-Clique mit einem Rechtssprecher und allem Drum und Dran. Sie waren früher viel mehr als heute miteinander verbunden. Jeder hat jetzt ein Smartphone, jeder ist nur noch mit sich selbst beschäftigt. Ich weiß, dass der letzte Rechtssprecher auch ein "Schneeberger," war. Wenn Mann und Frau heiraten wollten, mussten sie zu ihm gehen, um seine Erlaubnis zu erhalten. Er ist mittlerweile aber verstorben und mit ihm die Tradition des Rechtssprechers.

Deine Eltern gaben Dir den Namen „Adolf", weil das Familientradition war? Bei mir weckt das andere Assoziationen!

Ja, eine langjährige Tradition, die bei uns von Vater zu Sohn weitergegeben wurde. Auch an mich. Das war zufällig der Name "Adolf", das ist ja bekanntlich kein Sinti-Name (lacht). Mein Urgroßvater hieß schon so, da hat Hitler noch nicht seine Säuberungsaktionen durchgeführt. Bei meinem Großvater war der Name noch kein Problem. Mein Vater erwähnt immer, dass sein Name Tradition hat und trägt den Namen seines Vaters mit Stolz. Mir persönlich war das immer sehr unangenehm.

Ich kann mir das gut vorstellen ...

Dass ich Zigeuner bin, das fanden alle immer voll interessant, ich wurde deswegen niemals diskriminiert, ganz im Gegenteil, ich war voll integriert. Ich schaue ja auch nicht aus wie ein Sinti, ich bin ein hellhäutiger Typ. Aber der Name "Adolf" machte mir schon zu schaffen. Wenn ich zum Beispiel irgendwo neu war und mein Name "Adolf Schneeberger" aufgerufen wurde, da habe ich oft gezittert vor Peinlichkeit.

Du hast Deinen Vornamen mit 18 Jahren abgelegt, oder?

Auf einer Tour nach Japan fragte mich ein Musikerkollege, warum ich eigentlich meinen Namen nicht ändern lasse. Das hat in mir was ausgelöst. Ich dachte ja immer, das ist in Stein gemeißelt und unveränderbar. Ich habe meinen Namen daraufhin umschreiben lassen. Hat nur 50 Euro gekostet. Seitdem heiße ich ganz offiziell "Diknu Schneeberger".

„Diknu" ist jetzt aber auch kein gerade gängiger Vorname?

Ja, das stimmt. Das heißt auf Sinti "der Kleine!" So haben mich immer alle in meiner Familie genannt. Ist irgendwie durchgegangen beim Amt (lacht).

„Musik auf der Bühne hat überhaupt nichts mit Ehrgeiz oder Konkurrenz zu tun!"

Du wirst oft mit Django Reinhardt verglichen, Eure Parallelen sind wirklich eklatant. Auch er ist Sinti, hat mit zwölf Jahren angefangen, Gitarre zu spielen ...

Ja, ich bin sozusagen in die Fußstapfen von Django Reinhardt getreten. Er hat einfach diesen Stil geprägt, und war der erste, der auf diese besondere Art und Weise gespielt hat. Ich beherrsche die von ihm geprägte "Rechte-Hand-Technik", die können nicht viele. Andererseits weiß ich auch, dass ich der Diknu Schneeberger bin und nicht er und anders spiele.

Wie geht diese "Rechte-Hand-Technik"?

Bei jedem Saitenwechsel gibt es einen Abschlag, weil das Plektrum nach unten fällt und jeder Gitarrist lernt das zu spielen, runter, rauf, runter, rauf und das durchgehend. Bei der Django-Reinhardt-Technik wird sehr oft doppelt runter gespielt, oder manchmal sogar drei- oder viermal und das in einem irrsinnig schnellem Tempo. Diese Technik habe ich verinnerlicht.

Was wird man später mal bei Wikipedia über Dich lesen? Der Diknu war berühmt, weil ...

... er versucht hat, "sich selbst auszudrücken". Die höchste Stufe in der Musik erreicht man, wenn man die Technik nicht mehr beachten muss, wenn man sie sozusagen in sich aufgesaugt hat, wenn die Musik nicht mehr im Kopf, sondern schon im Körper ist, dann wird das zum "Ausdruck von einem selbst".

Spielst Du anders, wenn Du schlecht drauf bist?

Ja, eine Laune kann dann und wann schon durchkommen bei mir. Die Musik ist wie ein Zauber, ich finde, Musik ist magisch! Wenn es einem schlecht geht und man spielt Musik, dann kann das was Positives bewirken. Traurigkeit ist ja an sich nichts Gutes, aber wenn man Musik macht und es traurig rüberkommt, dann wird es wieder gut.

Nimmst Du Deine Gitarre in die Hand, wenn Du traurig bist?

Nein, ich habe da jetzt ein neues Instrument gefunden und das ist ein anderes „In-mich-reingehen“, die Meditation, dafür brauche ich kein Instrument mehr.

Du interessierst Dich für den Buddhismus?

Ich mache einfach Meditation. Das ist nicht buddhistisch, nicht christlich, einfach menschlich. Man kann sich durch Meditation weiterentwickeln, und das ist mir wichtiger, als irgendeine Glaubenstheorie. Das ist wie an der Gitarre. Ich habe ihre Techniken verinnerlicht, die mich nicht mehr beschäftigen. Wenn ich eine schlechte Emotion habe, dann gehe ich in mich und verwandle sie.

Und wie wirkt sich Deine Meditation auf die Musik aus?

Die Musik wird dadurch viel feiner, liebevoller und einfühlsamer. Sie wirkt nicht mehr so nervös. Im Gypsy Jazz passiert es oft, dass die Musiker sehr nervös spielen. Sie wollen oft ihre technische Fähigkeiten präsentieren. Ehrgeiz ist aber schädlich für die Musik! Der verschwindet durch Meditation. Man wird frei!

Apropos frei. Du warst auch mal kurz auf dem Musikkonservatorium?

Das absolute Gegenteil von frei. Da ist alles streng, ernst und theoretisch. Das brauche ich überhaupt nicht. Für mich muss Musik raussreißen aus dem „Wir-sind-alle-so-unglücklich-Leben". Für mich hat Musik auf der Bühne überhaupt nichts mit Konkurrenz zu tun. Musik sollte eine Freude sein. Die lehrt das Konservatorium einem definitiv nicht.

Wie hast Du eigentlich Deine perfekte Gitarre gefunden?

Meine allererste Gypsy-Gitarre war gar nicht so gut, aber ich habe alles aus ihr rausgeholt. Wenn andere darauf gespielt haben, hat es beschissen geklungen, selbst, wenn es gute Gitarristen waren, das war ganz komisch (lacht). Wenn ich ein Instrument besitze, lasse ich mich komplett darauf ein. Es ist dann für mich wie ein Lebewesen. Heute besitze ich eine sehr gute Gypsy-Gitarre von Jürgen Volkert, ein Gitarrenbauer aus Deutschland. Die behandle ich wie einen Freund, es soll ihm nichts passieren.

Was machst Du in Deiner Freizeit, wenn Du nicht meditierst?

Ich habe einen Hund, ich kümmere mich um den Haushalt, und ich schaue, dass ich meine Freundin glücklich mache. Und da ist eh schon viel Zeit vergangen (lacht). Außerdem habe ich gerade begonnen, Geige zu spielen ...

Ich kann mir vorstellen, da könnten jetzt einige Geiger etwas nervös werden ...

Noch spiele ich zu meinem eigenen Wohlbefinden Geige, mal schauen, ob ich das in Zukunft "geschäftlich" einsetze (lacht) ...

Kann man in Wien von Musik leben?

Von Auftritten allein könnte ich in Wien nicht überleben. Das Angebot guter Musiker ist hier enorm groß. Selbst wenn du einmal im Konzerthaus gespielt hast, nehmen die dich ja nicht im nächsten Monat wieder. Dasselbe gilt fürs Porgy! Im Jazzland kann man schon regelmäßiger aufspielen, aber reich wird man nicht davon. Gefragt sind wir vor allem in Deutschland, vom bayrischen Raum bis hoch in den Norden. Dort haben wir auch unsere Karriere aufgebaut. Für Jam-Sessions empfehle ich in Wien das zwe! Es gibt leider in Wien so gut wie keine regelmässigen Gypsy Jam-Sessions, und wenn, dann nur mit Amateurmusikerinnen. Das ist ein bisschen fad.

Hast Du ein musikalisches Vorbild?

Meine größte Inspiration –mit Abstand– ist der Gitarrist Stochelo Rosenberg. Er war ein wichtiger Gitarrenlehrer für mich, via Videos und via "Runterhören". Jetzt bin ich mir selbst ein Vorbild (lacht). Ich halte mich mittlerweile an niemanden mehr fest! Ich versuche zu fliegen, ganz allein!

Lieben Dank für das Gespräch!

Bisher veröffentlichte CD`s – Diknu Schneeberger Trio:

Bisher veröffentlichte CD`s – Joschi Schneeberger Quintett mit Diknu Schneeberger an der Gitarre:

featuring Diknu Schneeberger (Auftritt ab Minute 1:50)
www.diknuschneeberger.com

Die Rapperin

Text: Lena Stefflitsch

Ebow is back, Bitch. Wie wahr, die Musikerin Ebru Düzgün aka Ebow erobert gerade mit ihrem Album Komplexität die Herzen des Wiener Publikums und die FM4 Charts. Die junge kurdisch-deutsche Künstlerin bricht gerne mit den medialen Bildern der unterdrückten muslimischen Frau und verrät uns im Interview, wie Rap und Political Correctness zueinander stehen.