Der Kontaktmann

Blind dates mit Wienerinnen

Die Vienna Coffeehouse Conversations sind so etwas ähnliches wie Blind Dates, bei denen man mit unbekannten Menschen, Touristen oder Einheimischen ins Gespräch kommt und unglaublich spannende Dinge erfährt – über das Leben der Anderen, über Wien und manchmal sogar über sich selbst. Erfunden hat dieses Format der gebürtige Londoner Eugene Quinn, Mitbegründer der Wiener Dialogplattform space and place, nicht. Aber er hat es nach Wien importiert. Mit großem Erfolg. C/O Vienna machte den Test mit Eugene im altehrwürdigen Café Ministerium.

Text: Antje Mayer-Salvi

„Ich wollte so eine Art Imagekampagne für Wien starten."

Antje Mayer-Salvi: Kommt man in Wien als Ausländer schwer mit Einheimischen ins Gespräch?

Eugene Quinn: Keine Chance. Der Tourist wird in Wien potentiell als lächerlich angesehen. Es erweckt den Eindruck, man freue sich grundsätzlich nicht über Besucher. Die Ortsansässigen schrecken förmlich zusammen, wenn ein Fremder sie anspricht, obwohl er vielleicht nur nach dem Weg fragen will. Ein spontaner Smalltalk mit einem Unbekannten? Lebensgefährliches Unterfangen, wie es scheint (lacht).

Die Alteingesessenen in meinem Mietshaus sind mir gegenüber verständlicherweise auch skeptisch, ich wohne allerdings auch erst seit zehn Jahren dort. Und ich nahm immer an, die Österreicher sind die perfekten Smalltalker!

Die Österreicher sind eher Meister des „Big Talks“ (lacht). Ein bisschen mehr Smalltalk-Kultur im britischen Sinne würden den Österreicherinnen und Österreichern wirklich gut tun. Die Wiener Omis können das noch am ehesten. Von Facebook bis Handy; die Nachrichten müssen heute „sharp and short“ sein. Meine Mutter ignoriert das allerdings nach wie vor, sie hinterlässt halbstündige Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter.

Apropos: Was sagt Ihre Mutter dazu, dass sie in Wien leben? Wie ist der Ruf der Wiener im Ausland?

Wenn man in englischsprachigen Medien überhaupt etwas über Österreich liest, dann immer nur, wenn die FPÖ wieder etwas Schlimmes über AusländerInnen vom Stapel lässt oder irgendwer in einem Keller absurd schreckliche Dinge tut. Ich wollte mit den Vienna Coffeehouse Conversations so eine Art Imagekampagne für Wien und seine Bewohner starten. Hat gut geklappt: Medien wie der Guardian, die New York Times, BBC, der Condé Nast Traveller und die Neue Zürcher Zeitung, um nur ein paar zu nennen, haben über unser Projekt berichtet.

Das ist aber beschämend, dass ein gebürtiger Brite für Wien PR machen muss!

Aber gerne doch, ich lebe ja hier und ich bin Wiener. Wir fünf GründerInnen von space and place haben gesagt: Lasst uns etwas riskieren! Lasst uns Diversität fördern, Dialog. „Be a rebellious optimist“ und „Joy versus angst“ haben wir als Parolen ausgegeben.

Wie läuft denn so eine Vienna Coffeehouse Conversation ab?

Ganz einfach: Interessierte, so wie Sie, TouristInnen, KonferenzteilnehmerInnen, DiplomatInnen , UNO-MitarbeiterInnen, und WienerInnen melden sich über unsere Website space und place an oder kommen spontan vorbei – in Summe können das bis zu 50 Leute sein. Treffpunkt ist monatlich ein Wiener Kaffeehaus. Ich teile vor Ort zwei Menschen für einen Tisch ein, die sich anhand eines „conversation menue“ miteinander auf Englisch unterhalten. Am Ende setzen wir uns noch alle gemeinsam auf einen Plausch zusammen.

Was ist denn ein „conversation menue“, braucht es so etwas überhaupt?

Das ist ein Fragenkatalog nach einer Idee des britischen Historikers Theodore Zeldin, der Geschichten evozieren soll. Das Modell wurde zum Beispiel schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos und auf Straßenfestivals von London bis Singapur erfolgreich angewandt. Da stehen oft ziemlich private Fragen drauf: „Wovor ekeln Sie sich?“,„Wie wichtig ist Geld für Sie?“ oder „Was sind die Grenzen des Mitgefühls?“. Manche benötigen für die Beantwortung einer Frage eine ganze Stunde.

Ich habe das vorhin mit einem unbekannten Gesprächspartner probiert. Huch, das ging aber ziemlich unter die Haut. Ich habe Dinge preisgegeben, die erzähle ich nicht mal meinem Psychoanalytiker ...

Super, dann hat das also geklappt. Das passt doch zum Kaffeehaus – ein melancholischer Ort, ein bisschen düster („gloomy“), aber gleichzeitig chic und von filmischer Qualität. Die perfekte Bühne für große Geschichten.

Ein bisschen Smalltalk hätte mir auch gereicht.

Wie sagte doch einer unserer Gäste: „In just two hours, I made a friend who was closer than many I had known much longer.“

Geben Sie doch mal etwas preis: Was hassen Sie eigentlich an Wien?

Gerne. Ich hasse die Wochenenden in dieser Stadt. Die WienerInnen müssen offensichtlich eine mir gänzlich unverständliche Sehnsucht nach Gemüse, frischer Luft und Spaziergängen haben. Dann ist Wien „waste land“, wenn die Stadtbewohnerinnen wie die Irren aufs Land flüchten. Ich frage mich: Identifizieren die sich überhaupt mit ihrer Stadt? Die Londoner bevölkern an den Wochenenden den Stadtraum und feiern ab. In Wien wird offensichtlich nur gearbeitet, am Land verbringt man die freie Zeit.

„Das Wiener Kaffeehaus: Die perfekte Bühne für große Geschichten."

Ein großer Teil der WienerInnen, so auch meine Wenigkeit, ist am Land aufgewachsen ...

Die ländliche Gesinnung vieler EinwohnerInnen kann man nicht verhehlen (lacht). Deswegen sind vielleicht auch alle so leise in Wien. Wenn man mal lauter spricht oder fröhlich vor sich her pfeift, schauen einen alle misstrauisch an. Mit meinem kleinen Sohn kann ich mir immerhin eine gewisse akustische Expressivität erlauben. Übrigens: Es wird auch wenig in Wien getanzt.

Man kann auch im Kopf tanzen. Was vermissen Sie als Brite am meisten in Wien?

Ich vermisse den typisch britischen Humor, den leider nur wenige verstehen. Meine Witze kommen mir in Wien wie Zeitbomben vor, die erst später explodieren.

Aber die Österreicher sind doch so stolz auf ihren Schmäh!

Bei allem Respekt, der ist aber nicht so lustig (lacht).

In diesem Sinne ende ich mit einem Zitat des Bräutigamvaters aus „Monty Python and the Holy Grail“ nach dem Hochzeitsmassaker: „Please, this is supposed to be a happy occasion. Let’s not bicker and argue over who killed who.“

„Ich vermisse den typisch britischen Humor."

Der Brillante

Text: Lisa Peres

Das Hotel Brillantengrund im 7. Bezirk ist mehr als nur ein Hotel. Quereinsteiger und Gastgeber Marvin Mangalino ist Kunstliebhaber, fährt leidenschaftlich gerne Fahrrad, mag alte Möbel und führt das Haus mit größter Leidenschaft. In der Küche zaubert seine Mama höchstpersönlich philippinische Leckereien. Das Magazin Geo Saison zählt das Haus zu einem der 100 besten Hotels in Europa in der „Unter 100 Euro“-Kategorie. Prominente Gäste wie Bob Marleys Sohn Julian Marley gehen hier aus und ein – die Zimmer sind stets ausgebucht.