Der New Yorker Fotograf

What the hell is gonna happen in the future?

Wir erreichen den österreichischen Fotografen Bela Borsodi via Skype in seinem Apartment in Manhattan. Dort harrt er seit Wochen allein in der Quarantäne aus. Während unseres Gespräches hören wir immer wieder die Sirenen der Polizei. Wir baten ihn, eine Fotoserie zu einem selbst gewählten Thema für uns zu gestalten. Er entschied sich für das Element Wasser, Symbol des Lebens, dessen schönste Seiten wir in Zeiten wie diesen so sehr vermissen. 

Text: Antje Mayer-Salvi

Bela Borsodi in seinem New Yorker Atelier

„Das ist ein ziemlicher Wake-up-Call.“

Antje Mayer-Salvi: Back to Life! Schön, Dich zu sehen, wenn auch nur digital. In Deiner Heimat Österreich wurden die Beschränkungen am 1. Mai gelockert. Wie geht es Dir in Deiner Quarantäne in Manhattan?

Bela Borsodi: Davon sind wir in den USA weit entfernt. Es wird hier noch eine große Krise auf uns zukommen. Sie gehen am Ende von 250.000 Toten und Millionen Arbeitslosen aus. Ihre Idee vom schönen Kapitalismus und das unsoziale Gesundheitssystem fallen ihnen nun auf den Kopf. Das ist ein ziemlicher Wake-up-Call, eigentlich einer für die ganze Welt. Wir sitzen alle gemeinsam auf diesem Erdball. Wenn der depperte Trump sagt, es sei ein China-Virus, ist das so lächerlich – es ist ein Welt-Virus.

Auch wenn die Ansteckungszahlen bei uns derzeit niedrig sind, wenn sie es woanders nicht sind, wird es in einer globalen Gesellschaft alle betreffen. Was fällt Dir gerade besonders schwer?

Morgens aufzustehen, ich denke mir oft: „Oh Gott, oh Gott, oh Gott, in was für einer Welt leben wir da gerade?“, und dann mit der Zeit, wenn der Tag beginnt, verlässt mich diese Morgendepression, man macht halt sein Ding. Ist ja auch angenehm, dass der tägliche Stress mal wegfällt. Ich bin allein in meiner Wohnung. Stell Dir vor: Ich sehe seit Wochen niemanden, da muss man schon öfter einen Reality-Check mit sich selbst machen, um nicht komplett verrückt zu werden. 

„Wo sollen denn diese Leute hingehen?“

Gut, dass wir beide zumindest über Skype miteinander reden und uns sehen können! Wie geht es Deinen Freundinnen in New York gerade? Es sterben unglaublich viele Menschen um Dich herum, man kommt mit den Beerdigungen kaum nach, bekommst Du das mit?

New York ist so groß, da bekommt man nichts unmittelbar mit. Ich sitze in meinem Apartment und sehe wie Du die News im TV. Meine Freundinnen und ich sind total privilegiert, sitzen alle in unseren Luxusbuden und können uns finanziell wahrscheinlich noch ein paar Monate über Wasser halten, bevor die existenzielle Katastrophe eben auch für uns eintritt. Ich kann sogar noch kleine Aufträge für Magazine machen, die sich vereinzelt bei mir melden. Ein großes Shooting für Adidas jedoch – wie soll das in nächster Zeit realistisch sein? 

Vergleiche das doch mal mit jemandem, der in einem indischen Slum haust. Was ist, wenn sich in den Flüchtlingslagern in Griechenland noch mehr Leute mit dem Corona-Virus anstecken? Wo sollen denn diese Leute hingehen?

Darfst Du in New York vor die Tür, oder ist das komplett verboten?

Man darf raus, sollte aber einen Sicherheitsabstand einhalten und sich vermummen – obwohl das immer noch nicht Pflicht ist! Ich bin so vermummt wie möglich und gehe allen aus dem Weg, sogar beim Joggen trage ich eine Maske. Wenn ich dann wieder in die Wohnung komme, wird alles desinfiziert, vom Schlüssel bis zu den Schuhen. Ich denke mir: „Who the fuck gives a Shit?“, und bin da aus Prinzip konsequent. 

„Ich habe mir immer wieder überlegt, ob ich nachhause reisen soll.“

Was wäre, wenn Du derzeit aus einem anderen Grund in ein Krankenhaus eingeliefert werden müsstest?

Das ist meine größte Sorge. Was ist, wenn ich jetzt einen Schlaganfall habe oder ausrutsche und mir den Kopf anhaue? Mit viel Kohle geht hier alles, aber selbst die Privatkliniken gerade am Rande ihrer Kapazitäten. Ich habe mir in den vergangenen Wochen immer wieder überlegt, ob ich doch nachhause reisen soll. Es geht prinzipiell. Österreichische Freunde sind vor zwei Wochen geflogen. Sie nahmen einen Flieger nach Zürich, dort wurden sie mit dem Bus abgeholt und zur Vorarlberger Grenze gebracht, weiter mit dem Zug und zuhause mussten sie für zwei Wochen in Quarantäne. 

Wir haben Dich gebeten, in Deiner Quarantäne für unser Magazin zu fotografieren. Erzähl uns davon!

Ich habe mit dem gearbeitet, was hier im Atelier vorhanden war – mit Wasser. Ich habe für das Projekt nichts kaufen oder besorgen müssen, ging ja auch gar nicht. Ich fand es spannend, Wasser zu untersuchen, nicht als Wissenschaftler, sondern als Fotograf. Wasser kann perlen, spritzen, tropfen, rinnen, ich wollte das festhalten. Wasser auf einem Objekt wie einer Vase oder einem Stein zu fotografieren, das ist einfach und hat man schon tausendfach gesehen, aber Wasser an sich abzubilden, als pures Element, ist, ehrlich gesagt, eine ziemliche Herausforderung. Dem galt mein Ehrgeiz! 

„Ich fand es spannend, Wasser zu untersuchen, nicht als Wissenschaftler, sondern als Fotograf.“

Still-Lifes sind Deine Spezialität, Du magst solche Tüfteleien, stimmt’s?

Es war sehr gut, mich mit dem Element schon fast therapeutisch zu beschäftigen. Ich habe am Anfang ein bisschen rumgeblödelt und eine totale Sauerei hier in meinem Home-Studio veranstaltet. Der Boden ist dadurch leider auch ein bisschen aufgeweicht. Für ein Foto habe ich ein Mini-Studio in meinem Abwaschbecken eingebaut. Da ist alles auf den letzten Millimeter ausgerechnet, weil das Wasser ja fließen musste, um damit eine Art Wasserskulptur zu konstruieren. Sonst will ich dazu gar nicht zu viel verraten, die Fotos sprechen für sich. 

„Wird das Leben in Zukunft so sein, wie wir es vor zwei Monaten gekannt haben?“

Eine letzte Frage noch: Was willst Du nach der Corona-Krise in Deinem Leben verändern?

Ja, what the Hell is gonna happen in the Future? Wird das Leben in Zukunft so sein, wie wir es vor zwei Monaten gekannt haben? Nein, es werden Menschen ihre Jobs, ihre Wohnorte und ihre Beziehungen wechseln. Hoffentlich lernen die Amerikanerinnen aus dieser Krise. Ich freue mich darauf, wieder meine Freundinnen zu treffen, wieder gut bezahlte Jobs zu bekommen und mich wieder zu verlieben.

Das wird bald wieder möglich sein, sicher. Danke Dir für das Gespräch!

Bela Borsodi ist gebürtiger Wiener und lebt nun seit bald 30 Jahren in New York. Dort arbeitet er als freischaffender Künstler und Fotograf für Labels wie Frédéric Malle, Bulgari, H&M und Magazine wie „Numéro Homme“, „GQ“ und „SZ-Magazin“. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine fotografischen Stillleben. Sie sind provokant, hintergründig, humorvoll und mit viel handwerklicher Liebe zum Detail produziert.

www.belaborsodi.com

Dieses Interview entstand in Kooperation mit Das Vöslauer #jungbleiben Magazin.

Die OFF-Fotografen

Text: Stefanie Schermann; Fotos: Anja Kundrat

Die österreichischen Fotografen Paul Pibernig und Sebastian Gansrigler finden sich gegenseitig schon länger gut. Gemeinsam veranstalten sie das Fotografie-Festival OFF GRID, das von 8. bis 12. September an ausgewählten Ausstellungsorten in ganz Wien stattfindet und die Arbeiten 18 junger Fotokünstlerinnen zeigt. Wir haben mit den Kuratoren über das Revival der Dunkelkammer, den Schrecken schlechter Selfies und die ewige Frage nach dem einen guten Foto gesprochen.