Der Schusterjunge

feinste drucksorten

Jo Wrodnig hat das gute alte Handwerk des Buchdruckers noch von der Pike auf gelernt, klassisch im Familienbetrieb und später mit seiner Ausbildung auf der Graphischen in Wien. Spezialisiert auf Letterpress, arbeitet er noch mit originalen Heidelberger Tiegeldruckpressen. Die mit dem ganz eigenen Beat. Wir trafen den sympathischen Druckmeister in seiner Werkstatt in der Schraubenfabrik im 2. Bezirk.

Text: Lisa Peres

„Anfang der Neunziger kam Apple auf. Das Gestalten wurde total easy."

Lisa Peres: Du nennst Dich „Schusterjunge“? Ich dachte am Anfang, Du reparierst Schuhe (lacht) ...

Jo Wrodnig: Der Name funktioniert trotzdem ganz gut. Ich melde mich auch so am Telefon, das war am Anfang für mich sehr ungewohnt. Mittlerweile geht das wie von selbst.

Der Begriff kommt aus der Druckerei?

Das ist im Bleisatz die Bezeichnung für einen Satzfehler. Da steht die Zeile – die eigentlich an den Anfang der Seite gehört – am Ende des vorgehenden Absatzes. Die Korrektur des Fehlers ist am Computer heute kein großes Thema mehr.

Wann hat Deine Druckerkarriere begonnen?

Meine Mutter meinte, du lernst was Gescheites. Mein Vater war Buchdrucker. Er wollte, dass ich Offsetdruck erlerne, nur wollte ich meine Hände damals nicht schmutzig machen (lacht).

Und dann hast Du „was Sauberes" gemacht?

Dann habe ich in der Druckerei, wo mein Vater gearbeitet hat, die Schriftsatzlehre absolviert. Ich hatte das Glück, noch die alten Techniken wie Satzsysteme, Licht- und Fotosatz zu lernen. Das Gestalten mit Text, das hat schon was! Dann Anfang der Neunziger kam Apple auf. Das Gestalten wurde total easy, im Vergleich zu vorher.

„Bücher zu produzieren, das macht einfach Spaß!"

Was für Tiegeldruck-Pressen besitzt Du?

Ich habe zwei aus den Jahren 1960 und 1965, wovon ich eine zum Heissfolien-Prägen umbauen habe lassen. Die andere verwende ich zum Drucken und Stanzen. Dann habe ich noch eine Papierschneidemaschine, die ist Baujahr 1977, übrigens das Modell auf der mein Vater noch zuletzt geschnitten hat, mit Periskop-Anzeige ohne Elektronik. Und dann besitze ich noch zwei – sehr, sehr schöne  – Kniehebelpressen, die eine im Jahr 1848 und die zweite 1876 gebaut, beide in Wien.

Woher kommt Deine Liebe zum Buchdruck?

Seit ich laufen kann, kann ich mich an die Druckerei und die Maschinen erinnern. Ich bin damit aufgewachsen, mein Vater hat mich immer mitgenommen in die Werkstatt.

„Das Papier darf nur sanft geküsst werden!"

Du bist auf „Letterpress" spezialisiert. Was für eine Technik steckt dahinter?

Eine blöde Übersetzung! Letterpress bedeutet, dass in den Bedruckstoff geprägt wird. Die Technik dahinter ist ein Hochdruckverfahren. Für Letterpress eignen sich Papiersorten mit hohen Grammaturen besonders gut. 600 Gramm pro Quadratmeter und darüber, laut Definition Pappe. Na ja, Papier aus Baumwolle mit 700 Gramm würde ich auch nicht als Pappe bezeichnen.

Und Buchdruck?

Im Buchdruck war das eher verpönt. Das Papier sollte nur sanft geküsst werden...

Wie ist der technische Druckablauf mit der Tiegeldruckmaschine?

Es gibt Saugluft, einen Greifer und einen Drucktiegel, der sich vor- und zurückbewegt. Vor dem Tiegel bewegt sich der Greifer mit dem Papier rein, der Tiegel schließt, auf der Form ist schon die Farbe und durch das Schliessen presst der Arm, also der Tiegel, das Papier an die Form. Dann erfolgt der Druck: Der Greifer steht dann in Warteposition daneben, zieht das Papier wieder raus und der zweite Greifer nimmt sich schon das nächste Papier.

„Die Maschine hat einen ganz eigenen Beat!"

Je dünner das Papier...

... desto schwieriger ist es, das Papier zu bedrucken. Die Farbsteuerung ist das Problem. Dass das Papier nicht an der Form kleben bleibt. Je dünner das Papier und die Schrift, desto größer ist die Herausforderung. Das ist diese magische Grenze! Mein Ziel ist es, irgendwann professionell Seidenpapier zu bedrucken. Ich arbeite daran!

Was gibt Dir den Kick bei Deiner Arbeit?

Die Maschine hat einen ganz eigenen Beat. Und es macht einfach unglaublich viel Spaß, Papier zu bedrucken.

Wenn Du im Lotto gewinnen würdest ...

 ... dann würde ich mir irgendwo außerhalb von Wien für meine Maschinen eine Halle kaufen und mir mehrere Zylinderdruckpressen zulegen, die auch größere Formate als A3 pressen können: Viertelbogen, Halbbogen und Ganzbogenformate. Da gibt es echt coole Andruckpressen! Die größeren Maschinen sind ja dann Kettenbetrieben, also sehr laut, das müsste eben dann eine riesige Halle irgendwo am Stadtrand ohne Nachbarn sein.

Wer sind Deine Kunden, und warum kommen Sie speziell zu Dir?

Das sind Architektinnen, Leute aus der Finanzwirtschaft, Journalistinnen, Hochzeitspaare mit spezielleren Wünschen, die auffallen möchten mit ihren Drucksorten, die kein 0815-Produkt haben wollen. Oft liegt in der Einfachheit das Geheimnis: Einfach nettes Design auf einem coolen Papier.

Wie läuft das dann ab? Der Kunde gibt Dir den Entwurf als pdf ...

Ja. Ich überprüfe dann den Entwurf noch gegebenenfalls und schicke ihn als pdf an eine Repro-Anstalt, die daraus dann die Druckplatte macht. Die können sich dann die Kunden am Ende gerne mitnehmen. Die sieht man ja relativ selten.

„Charismatische Gesichtszüge finde ich interessant."

Was ist für Dich Ästhetik? Was erfreut Dein Auge?

Charismatische Gesichtszüge finde ich interessant. Wenn das Gesicht markant ist. Ich stehe nicht so auf Mainstream.

Interessieren Dich Drucke aller Art, gehst Du in Antiquitätengeschäfte?

Wenn Bücher speziell bedruckt sind oder speziell gebunden, dann kaufe ich sie. Ich schneide sie gerne auf und bedrucke die Seiten dann nochmal, dadurch entstehen coole Einzelstücke.

Gibt es noch ein Handwerk, das Du gerne beherrschen würdest?

Ich würde gerne Autos reparieren können. Ich habe selbst einen alten Mercedes Benz 123-er ...

Du wärst gerne KFZ-Mechaniker?

Wenn ich viel Platz hätte, hätte ich nebenbei noch gerne eine Hebebühne.

Fühlst Du Dich wohl in Wien?

Ja sehr. Wien ist eine echt coole Stadt. Sie ist relativ langsam, das macht sie für mich total symphatisch und sie bietet viel; Donaukanal, die Insel. Mit dem Fahrrad ist man schnell im Grünen.

Wo kann man Dich treffen?

Ich gehe gerne ins Le Troquet im 7ten und seit 20 Jahren schon ins "Kleines Café" am Franziskanerplatz im ersten Bezirk. Das ist sehr charmant in die Jahre gekommen und nicht weit von meiner Werkstatt. 

Vielen Dank für das nette Gespräch!

Der Drucker

Text: Antje Mayer-Salvi

Robert Plaschko in der Druckerei

Die Österreichischen Lotterien, politische Parteien, kleine kreative Agenturen und große Wiener Kunstinstitutionen – sie alle vertrauen ihr, wenn es ums Drucken geht. Robert Plaschko leitet eine der größten Druckereien des Landes, die Print Alliance, die in drei Schichten ihre Maschinen praktisch permanent am Laufen hält. Wir besuchten das Werk in Bad Vöslau bei Wien. Ein Gespräch über veganes Papier, den Super-GAU und die Frage, warum Druckerinnen eine gute Nase brauchen.

Der Schönschreiber

Text: Lara Ritter

Für die meisten Menschen endete der Schreibunterricht mit dem Abschluss der Volksschule, nicht aber für Giovanni de Faccio. Er beschäftigt sich seit über dreißig Jahren mit der Kunst des Schönschreibens, der Kalligrafie, die im Islam als Königin der Künste gilt. Als Dozent an der New Design University in St. Pölten lehrt de Faccio diese Kunst. Wie verändert Schrift den Inhalt eines Wortes und letztendlich uns? Ein Gespräch über die Golden Fifties, geschmacklose Milchverpackungen und Unterschriftenfälschung

Die CIN CINs

Text: Antje Mayer-Salvi, Fotos: David Meran

Jasmin Roth und Stephan Göschl

Jasmin Roth und Stephan Göschl sind Gestalterinnen mit Haut und Haaren. 2015 gründeten sie CIN CIN, ein multidisziplinäres Designbüro in Wien, das sich auf Motion-, Print- und Webdesign spezialisiert hat. Wir diskutierten mit ihnen darüber, ob man Österreich die Sahelzone des guten Geschmacks nennen darf und was Torten-Toppings mit Typo zu tun haben.

Der Fußleser

Text: Magdalena Willert

„Zeig mir Deine Füße und ich sage Dir, wer Du bist." Der Wiener Andreas Leimer ist Hypnotiseur, Masseur und Fußanalyst. Was er aufgrund seiner Erblindung nicht sehen kann, fühlt er umso intensiver, etwa eine Lungenerkrankung am Fußballen. Dass die Beziehung zu den Eltern nicht in Balance ist, zeichnet sich angeblich durch eine Anomalie an der Innenseite der Fersen ab. Während des Interviews darf unsere Autorin sich selbst aus ihren Füßen vorlesen lassen.

Fußanalytiker Andreas Leimer

Die Rauchfangkehrerin

Text: Julia Bauereiß, Fotos: Karl Schulze

Sonja Högler im Dachboden

Sonja Högler ist Rauchfangkehrerin. Sie kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen. Wir haben sie bei ihrer Arbeit über den Dächern Wiens begleitet und geprüft, ob sie wirklich Glück bringt.