Die Comedians

Monthy Python ist (nicht) lustiger

PCCC* {pis:sy:sis:sy} ist Wiens erster Queer Comedy Club, den die beiden Wahl-Wienerinnen Denice Bourbon und Josef Jöchl 2016 gegründet haben. Mittlerweile spielen sie vor ausverkauften Häusern. Josef Jöchl wird Ende März im Wiener Kabarett Niedermair sogar sein erstes Solo präsentieren. Auch wir finden ihre Acts sehr lustig. Wir haben mit den beiden über Denices „Legends Of Entertainment“-Tour mit Stefanie Sargnagel und Christiane Rösinger gesprochen und diskutiert, ob die Punchline im Kabarett immer unter der Gürtellinie liegen muss. 

Josef Jöchl und Denice Bourbon

„Die queere (Kunst-)Szene lacht zu wenig.“

Eva Holzinger: Was ist nicht lustig an Euch?

Josef Jöchl: Ich bin manchmal sehr sensibel und habe Probleme, mit Kritik umzugehen. Es wurde neulich ein Artikel im „Standard“ über uns veröffentlicht. Da wurden wir in den Onlinekommentaren heftig kritisiert: Ich sei zu schwul, Denice sei zu fett, wir seien beide zu dumm und untalentiert. Ich lese mir dann alle Kommentare durch und mache mir Gedanken, während Denice keinen einzigen liest. Es gab aber auch Posts, die mich zum Lachen gebracht haben: „Das ist nicht gut. Monthy Python ist besser“ oder „Ihr seid die wahren Faschisten“. 

Denice Bourbon: Ich kann solche Kommentare schon alleine aufgrund meines Blutdrucks nicht lesen. Ich kann sehr aufbrausend sein! Mein Temperament verträgt sich mit meiner Bühnenangst gar nicht gut – ich werde zur Diva, die „Ich kann so nicht arbeiten!“ durch die Gegend schreit. Auf unserer Deutschland-Tour vergangenes Jahr mit Stefanie Sargnagel und Christiane Rösinger hatten wir in einem Hotel vergessen, das Frühstück zu buchen. Das gab ein ziemliches Drama! Ich habe eine Szene gemacht und das Hotel verlassen. 

Was wolltet Ihr immer schon gefragt werden?

D.B.: Es wäre schön, einmal persönlichere Fragen gestellt zu bekommen.

J.J.: Normalerweise wollen die Menschen, die uns interviewen, immer nur über das Konzept von PCCC* reden. Sie wollen alles in Frage stellen: Kann man überhaupt lustig und gleichzeitig politisch korrekt sein? Ist das nicht ein Widerspruch? 

D.B.: Genau, wir sind zwei sehr lustige Menschen, aber in Interviews über politische Korrektheit muss man immer ernst sein. Wir müssen unser Konzept ständig verteidigen und argumentieren, warum wir in einer diskriminierenden Alltagskultur leben. Wir lieben Fragen, bei denen man lustige Antworten geben kann!

Ok! Was sind die Lieblingswitze aus Eurer Kindheit?

J.J.: Jemand geht zum Bäcker und möchte gern 99 Semmeln. Der Bäcker fragt: „Warum nimmst du nicht gleich 100?“ Antwort: „Wer soll denn die alle essen?“

D.B.: „Hast Du eine Karotte im Ohr?“ – „Was?“ – „Hast Du eine Karotte im Ohr?“ – „Was?“ – „Hast Du eine Karotte im Ohr?“ – „Was?“ – „Hast du eine Karotte im Ohr?“ – „Was? Ich hör dich nicht, ich hab eine Karotte im Ohr!“

„Für queere Personen ist Humor eine Art Überlebensstrategie.“

Ok, die Witze sind ziemlich alt, aber lustig – besonders, wenn Ihr beide sie erzählt. Wusstet Ihr als Kinder schon, dass Ihr lustig seid?

D.B.: Ich liebte Stand-up-Comedy schon als Kind. Ich bin in Schweden aufgewachsen, da ist diese Szene groß und sehr beliebt. Ich wollte immer schon auf einer Bühne stehen und lustig sein. In der Schule war ich die Entertainerin und das Alphatierchen. Bei sämtlichen Theaterstücken habe ich die Hauptrolle gespielt und jede Gelegenheit genutzt, um sie zu einer One-Woman-Show zu machen.

J.J.: Ich war auch der Klassenclown. In bin in der Nähe von Kitzbühel aufgewachsen, dort haben wir Schulkinder eine Jugendsendung im Kabelfernsehen gemacht. Wir haben dafür sogar eine Dating-Rubrik erfunden, in der wir jeweils zwei Fremde gefragt haben, ob sie miteinander essen gehen wollen. Das finde ich heute noch super.

2016 habt Ihr beide Wiens ersten Queer Comedy Club, genauer den Politically Correct Comedy Club, abgekürzt PCCC*, gegründet. Wie geht politisch korrekte Comedy?

J.J.: Das ist Comedy für Leute, die keine gängige Comedy mögen. Bei uns darf Humor nicht alles: Wir verzichten auf Rassismus, Homophobie und verbale Gewalt. Wenn getreten wird, dann nicht nach unten, sondern bestenfalls nach oben. Auch in der Form experimentieren wir: Stand-up trifft hier auf Musik und Performance. 

„Wir geben uns Mühe, aber auch wir machen unabsichtlich beleidigende Scherze.“

Habt Ihr beide Euch auf der Bühne kennengelernt?

J.J.: Nein, auf einer Online-Plattform namens FM Queer. Das war noch vor Facebook-Zeiten. Fast die gesamte queere Szene war dort angemeldet, es wurde viel über Kulturevents, Film und Musik diskutiert.

D.B.: Ich fand Josef auf dieser Plattform extrem lustig, also haben wir angefangen, miteinander zu schreiben. Eine Freundin hat mir außerdem ein Video von einem Tagebuch-Slam geschickt, in dem Josef seine Einträge vorträgt. Ich fand das so unglaublich witzig, dass ich es auswendig gelernt habe. Das Video war Pflicht bei jedem Vortrinken!

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, einen politisch korrekten Comedy Club zu gründen?

D.B.: Bei einem Festival haben wir uns persönlich kennengelernt und sind betrunken auf einer pferdelosen Kutsche gesessen – dort ist uns die Idee gekommen. Wir wollten, dass die queere (Kunst-)Szene in Wien auch einen Ort zum Lachen hat, die lacht nämlich generell zu wenig. Fanden wir zumindest. Wir wollten laut sein, Platz einnehmen. Das war 2016. Ein Jahr später fand dann der erste PCCC* im Ateliertheater im 7. Bezirk statt.

Wie bereitet Ihr Euch auf eine PCCC*-Performance vor? Es wirkt immer sehr spontan.

D.B.: Wir müssen sieben Acts für einen Abend finden, das absolute Minimum sind fünf. Dabei achten wir auf Diversität: Mindestens die Hälfte sollten Frauen sein, außerdem nicht nur weiße Personen. Wir haben mittlerweile viele Stammgäste auf der Bühne. Josef und ich sind immer dabei. Wir versuchen, jedesmal ein bis zwei neue Entertainerinnen auftreten zu lassen, Bühnenerfahrung ist dabei kein Muss. Wir dachten erst, dass das eine große Herausforderung wird, aber es gibt so viele tolle queere Personen in Wien.

„Die Absurdität politischer Strukturen und Hierarchien ist einfach mein Lieblingsthema.“

Legt Ihr auch ein Überthema für den Abend fest?

J.J.: Das entscheide meistens ich, in etwa neun von zehn Fällen.

D.B.: Josef hat einfach die besseren Ideen – abgesehen von seiner Vorliebe für Träume und Astrologie, das finde ich langweilig.

J.J.: Bis eine Woche vor dem Auftritt sollten alle ihre Texte vorbereiten haben. Damit die auch sicher politisch korrekt sind, arbeiten wir mit einer Sensitivity Readerin, das ist in unserem Fall die Künstlerin Hyo Lee. Sie soll sicherstellen, dass sich durch die Witze niemand verletzt fühlt. Guter Humor muss nicht automatisch jemand anderen beleidigen. Sie hinterfragt jeden Text, streicht gegebenenfalls Passagen. Dann wird einmal geprobt und wir sind startklar.

Verletzt man mit Witzen nicht per se immer irgendjemanden?

D.B.: Nein, genau das versuchen wir eben zu beweisen. Aber klar, es passiert. Ich war einmal „Ageist“, das bedeutet, sich über das Alter(n) lustig zu machen. Weil ich selbst mit meinem Alter – ich bin Mitte Vierzig – kein Problem habe, dachte ich, es sei auch für andere keines. Das war für eine Ex-Affäre und Freundin aber nicht so, sie hat sich als „alt“ beschrieben und verletzt gefühlt. 

J.J.: Mir ist etwas Ähnliches passiert. Ich habe eine Geschichte über einen Typen, den ich mal gedatet habe, erzählt. Ich habe ihn zu jenem PCCC* eingeladen, ihm aber nichts davon verraten. Wir reden seitdem nicht mehr miteinander. Wir geben uns Mühe, aber auch wir machen manchmal unabsichtlich beleidigende Scherze.

D.B.: Darum ist ein regelmäßiger Perspektivenwechsel so wichtig.

Hella von Sinnen, Hape Kerkeling, Ellen DeGeneres – Humor gehört seit jeher fest zur queeren Kultur. Haben queere Personen mehr Humor als andere?

D.B.: Ja, weil es für uns eine Art Überlebensstrategie ist. Als queere Person muss man lernen, über sich selbst zu lachen, um mit dem Druck und den Urteilen der meist sehr heteronormativen Umgebung zurechtzukommen. Selbstironie oder die Herabwertung der eigenen Person kann aber nicht die Lösung für alles sein. 

„Manchmal muss ich mich sogar wegen des Lampenfiebers übergeben.“

Wie würdet Ihr Euer Publikum beschreiben?

J.J.: Bunt, aber natürlich handelt es sich um Szenepublikum, eine Bubble, die dem „klassischen“ heteronormativem Publikum entgegensteht. Wobei sich auch immer wieder Heteros zu uns verirren!

D.B.: Und es ist tatsächlich so, dass bei jedem PCCC* ein Drittel der Menschen zum ersten Mal da ist. Wir gewinnen immer noch Leute dazu, und das freut uns sehr. Man fragt sich aber schon auch, wo das „alte“ Drittel hin ist und warum wir das verscheucht haben (lacht).

Habt Ihr noch Lampenfieber, wenn Ihr auf der Bühne steht?

J.J.: Ja, aber es wird besser. Mein erster PCCC* war auch meine erste Bühnenerfahrung. Ich war sehr nervös und hatte entschieden, ein Glas Wein zu trinken, um die Zunge zu lockern. Daraus wurde dann eine ganze Flasche, vier Bier und ein ordentlicher Rausch. Ich habe bei meinem Auftritt von der Bühne gegrölt. Es war furchtbar peinlich, ich habe mich danach krankgemeldet und eine Woche lang in meiner Wohnung versteckt.

D.B.: Ich kämpfe auch immer noch mit Lampenfieber, manchmal muss ich mich sogar übergeben.

„Mein Humor-Idol ist jeder 21-Jährige, der ein gutes Meme ins Internet stellt.“

Wie unterscheidet sich Euer Humor?

J.J.: Ich bin sehr ironisch und sage oft etwas, was ich nicht zu 100 Prozent so meine.

D.B.: Ich will natürlich nicht die Lesbe sein, die keine Ironie versteht, bin aber weniger ironisch als Josef. Unser beider Humor ist sehr beobachtend, bezieht sich meist auf unseren Alltag. Ich bin vielleicht etwas spontaner, direkter. Die Politik ist in meinem Humor auch viel klarer, bei Josef ist sie subtiler. Die Absurdität politischer Strukturen und Hierarchien ist einfach mein Lieblingsthema.

Wer ist Euer Humor-Idol?

D.B.: Es gibt eine Stand-up-Show von Eddie Izzard, britischer Schauspieler und Komiker. Sie heißt „Dress to Kill“ und ist aus dem Jahr 1999. Sie ist perfekt: beobachtend, lehrreich, auch surrealistisch. Ich finde es besonders wichtig, dass man bei Stand-up immer etwas dazulernt.

J.J.: Meine Antwort ist kürzer: Mein Idol ist jeder 21-Jährige, der ein gutes Meme ins Internet stellt.

„Zwei Dinge machen mich glücklich: der Exzess und das Wandern.“

Ihr veranstaltet auch Workshops. Kann man echt lernen, witzig zu sein?

D.B.: Wir haben nur einmal einen Workshop geleitet, und das hat nicht funktioniert. Wir haben vier Stunden lang nur gestritten!

J.J.: Mein Motto ist immer: lustig ist, was du selbst lustig findest. Es gibt keine Regeln! Das sieht Denice anders.

D.B.: Natürlich gibt es Regeln! Ich glaube trotzdem, dass man nicht lernen kann, witzig zu sein. Es gibt Tipps und Tricks, wie du eine Geschichte gut erzählst. Am Ende des Tages muss es nicht nur lustig, sondern authentisch sein – und das kann eben nicht jede.

J.J.: Workshops geben wir jedenfalls keine mehr. Aber es gibt die Open-Mic-Abende im Celeste-Keller, die wir regelmäßig veranstalten, also eine offene Bühne, bei der sich jede als Stand-up-Comedian ausprobieren kann. Wir versuchen damit eine Umgebung zu schaffen, in der die Hemmschwelle niedrig und Platz für konstruktives Feedback in einem vertrauten Umfeld ist.

Welche anderen Herzensprojekte verfolgt Ihr gerade?

D.B.: Ich habe einen Podcast: „Now, Back to Me“. Es ist ein queerer, feministischer Podcast, in dem Leute, die im öffentlichen Leben stehen, von ihren Unsicherheiten erzählen.

J.J.: Ich schreibe gerade an meinem ersten Solo, das ich ab Ende März im Kabarett Niedermair zeigen darf. Dazu möchte ich aber noch nicht viel verraten!

Was macht Euch glücklich?

J.J.: Ich gehe schon gerne an meine Grenzen, teste aus, suche Kicks für mein Glück. Ich mache gern das Unerwartete. Einmal habe ich einen Typen, den ich mochte, mit einem großen Blumenstrauß in der Arbeit überrascht. Es war natürlich megapeinlich, aber ich war wirklich glücklich in dem Moment, weil ich mich überwinden musste. Selbst seine Kolleginnen waren ganz aus dem Häuschen.

D.B.: Ich bin ein Mensch mit wenigen Hobbies. Zwei Dinge machen mich glücklich: Der Exzess und das Wandern. Ich gehe wirklich gerne feiern und als gesunden Ausgleich arbeite ich daran, die Wandernadel der Stadt Wien zu ergattern! Für Wanderungen auf den Wiener Stadtwanderwegen gibt es eigene Wanderpässe, die man sich an Stempelstellen bestätigen lassen kann – hat man alle, bekommt man die Wandernadel.

Ich danke für das Gespräch!