Die Fashion-Expertinnen Ulrike Tschabitzer-Handler und Andreas Bergbaur kuratierten gemeinsam die aktuelle MAK-Ausstellung SHOW OFF. Austrian Fashion Design (wieder ab 1. Juni bis 30. August). Sie war einen Monat lang geöffnet, dann war Schluss. Die Pause nutzen die beiden kreativ: Auf show-off.net gibt esheimische Mode, chice Masken und Fashion-Fotografie digital zu sehen und sogar zu kaufen. Ein Fashion-Live-TV-Format geht am 28. Mai online – „improvisiert, aber unterhaltsam“, wie man uns gut gelaunt versichert.
Links: Maximilian Rittler, Rock Me Amadeus, Master-Kollektion 2019; Foto von Laura Knipsael. Rechts: Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood, Advertising Campaign, FW 17/18; geknipst von Starfotograf Juergen Teller.
Antje Mayer-Salvi: Noch ist Eure Ausstellung „SHOW OFF. Austrian Fashion Design“ geschlossen. Sie war gerade einmal vier Wochen geöffnet, die Besucherinnenzahlen waren sehr gut, dann kam das Corona-Virus. Wie ging’s Euch damit?
Ulrike Tschabitzer-Handler & Andreas Bergbaur: Das war schon irgendwie ein Schock, nachdem man so lange an einem Projekt gearbeitet hat. Jetzt ist es wenigstens fix, das MAK eröffnet am 1. Juni, die Ausstellung wird bis Ende August verlängert.
Wie kann man sich das vorstellen: Bleibt eine Ausstellung bei einem Shutdown einfach unberührt stehen, muss was abgebaut, der Zustand der Stücke regelmäßig überprüft oder dauernd bewacht werden?
Fast alle MAK-Mitarbeiterinnen wurden, wie wir ja wissen, in die Kurzarbeit geschickt, und die Hallen blieben geschlossen. Wir durften auch in der Zwischenzeit nicht rein, um zum Beispiel Filmaufnahmen oder digitale Führungen zu machen, dafür hätte man wegen der nötigen Sicherheitsvorkehrungen die ganze Technik hochfahren und Personal vor Ort haben müssen.
Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood, Advertising Campaign, FW 18/19; Foto von Juergen Teller
Eine „Show für die Ratten der Stadt“ sozusagen!
Ein schönes Bild! Wir sind schon gespannt, was passiert, wenn wir die Türen nach langer Zeit wieder öffnen, ob dann die Stücke mottenzerfressen von den Bügeln gefallen sind (lachen). Nur die Klamotten von Helmut Lang werden sicher noch hängen, die sind eingeschweißt und überhaupt unzerstörbar.
Sind wir mal gespannt, wie viel die Nager von der Ausstellung noch übrig gelassen haben. Die geplanten Führungen und das Zusatzprogramm werden nachgeholt?
Das Nebenprogramm ist leider – in Absprache mit der MAK-Direktion und der Financière, der Wirtschaftsagentur Wien – vollständig abgesagt, da aufgrund der Abstandsregelung ja bis auf Weiteres keine größeren Zusammenkünfte möglich sind.
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In Eurer Ausstellung sind ohnehin viele Inhalte digital umgesetzt ...
... es war relativ naheliegend, die Show international für ein größeres Publikum im Internet zu öffnen und sogar weiterzudenken. Wichtig war uns, die wir ja beide berufsbedingt sehr unternehmerisch denken, dem Ganzen auch einen wirtschaftlichen Aspekt zu geben. Die Designerinnen müssen am Ende des Tages verkaufen, um zu überleben. Es gibt beispielsweise eine Sektion „Piece of the Day“, die ein aktuelles Kollektionsstück einer österreichischen Modemacherin aus der Ausstellung vorstellt und mit deren Online-Shop oder österreichischen Geschäften wie Park und Samstag-Shop verlinkt ist. Man kann auf dieser Plattform auch Prints der Fotoarbeiten, die man im MAK sieht, direkt bei den Fotografinnen bestellen. Bitte zugreifen! Und als Goodie gibt es eine Art Live-Fashion-TV-Format „SHOW OFF Stories“. Das wird lustig!
Sieht man in Euren Live-Fashion-TV-Catwalks Archivmaterial, oder ist das eher so eine Talk-Runde?
Teils, teils. Jeden Donnerstag, ab 28. Mai um 18:30 Uhr, senden wir auf Facebook über Zoom eine Live-Sendung in der Länge von zwanzig bis dreißig Minuten. Ein Host lädt einen Gast ein und die beiden plaudern über Mode, aber auch über Design und Kunst, warum nicht auch über Klatsch und Tratsch; darüber legen wir passende Musik, Modevideos und Fotos, alles das, was wir im Vorfeld kuratiert haben. Es ist wirklich live, nichts geschönt, es wird nichts geschnitten! Das wird zumindest am Anfang sehr improvisiert, zuweilen auch sicher chaotisch sein, aber wir wollen es einfach mal ausprobieren. Ohne Corona hätten wir das in dieser Form nie im Leben gewagt.
„Vielleicht muss man eine Not haben, um erfinderisch zu werden.“
Könnt Ihr uns schon verraten, wer dabei sein wird?
Die Einladungsliste ist ganz bunt gemischt. Wir wollen nicht allzu viel verraten, aber Alexandra Bondi de Antoni, Executive-Editor bei der deutschen „Vogue“ und Alexander Geringer, Eigentümer der Ahead Media werden dabei sein. Autor Adriano Sack lädt Stefano Pilati ein, der war Head-Designer bei Yves Saint Laurent und Zegna. Die beiden sprechen über den österreichischen Modedesigner Rudi Gernreich.
Wir haben alle möglichen Leute aus unserem globalen Netzwerk kontaktiert, Künstlerinnen, Modemacherinnen, Redakteurinnen internationaler Magazine wie „INDIE“ oder „ACHTUNG“ aus Berlin, aber auch Brigitte Winkler vom „Kurier“ und natürlich „C/O Vienna Magazine“. Dadurch bekommen die Kreativen und unsere Plattform mehr Öffentlichkeit. Wir können uns auch gleich internationaler positionieren, das hilft der österreichischen Fashion-Szene am meisten.
Wenn man ganz kritisch ist, könnte man auch sagen, dass so eine Ausstellung ohnehin oldschool ist. Man hätte auch gleich ein digitales Format produzieren können.
Manchmal denkt man sich tatsächlich, ob das heutzutage in manchen Fällen nicht gleich klüger wäre – das Analoge ist aber natürlich auch super spannend. Wir wundern uns schon, warum bisher noch niemand so ein TV-Format angedacht hat. Danach werden wir es wissen (lachen). Vielleicht muss man eine Not haben, um erfinderisch zu werden. Wir sehen uns mal an, wie es klappt, neun Sendungen stehen bis jetzt auf dem Programm.
„Die kleinen Labels reagieren hochsensibel auf die Situation.“
Die Wiener Hutmanufaktur Mühlbauer produziert nun auch edle Masken. Ein „futuristischer Spaziergang“ gelingt Carolin Holzhuber mit ihrer Kollektion „SYNCHRONICITY“.
Bunte Masken wie diese gibt es im Wiener Samstag-Shop, online und analog. Gut eingepackt zeigen sich Wendy&Jim im Bett, oder ist das ihr Home-Office? Luise Hardegg Brammertz hat sie fotografiert.
Wie geht es den Modedesignerinnen derzeit? Überleben alle den Shutdown?
Es ist schon schwierig für viele. Besonders die kleinen Labels reagieren hochsensibel auf die Situation. Wenn zwei bis drei Monate kein Geld reinkommt, wird es eng, da meist keine großen Rücklagen vorhanden sind. Ich habe gehört, dass bei manchen die Ware schon zum Ausschicken bereitlag, aber die geschlossenen Geschäfte sie nicht annehmen wollten. Die Designerinnen blieben damit auf ihren Stücken sitzen – bei vollem Kostenaufwand für die bereits getätigte Produktion. Ein anderes Problem ist auch, dass die Stoffe, vor allem aus Italien, einfach nicht geliefert werden.
Kaufen die Kundinnen wenigstens online?
Online-Shops wären auch für die österreichischen Modedesignerinnen wirklich eine Alternative, aber diese Möglichkeit wird von den Labels hierzulande immer noch sehr wenig genutzt. Selbst für große Labels war es zu Beginn der globalen Ausgangsbeschränkungen wirklich schwer, wie uns eine Kollegin, die mit jenen zusammenarbeitet, erzählt hat. Die Kundinnen waren nicht in Kauflaune und wohl eher damit beschäftigt, ihr Leben neu zu organisieren, anstatt zu shoppen. Die Woche nach Ostern war, wie wir gehört haben, wieder sehr gut, langsam kommen die Menschen aus ihrem Schockzustand in die Normalität zurück.
Habt Ihr Euch selbst schon was Schönes gegönnt?
Andreas: Ja, tatsächlich. Heute habe ich online zugeschlagen. Ich habe in T-Shirts für den Sommer investiert.
Ulli: Ok, ich gebe es zu, ich habe mir Schuhe bestellt. Das tat einfach gut.
Ulrike Tschabitzer-Handler ist Kuratorin der Ausstellung SHOW OFF. Austria Fashion Design und Partnerin des Wiener Büros brand unit. Sie war Kuratorin der legendären Ausstellung „fast forward. Mode in den Medien der 90er Jahre“ im Jahr 1999 im Künstlerhaus Wien und im CCAC San Francisco. Sie ist Gründerin des Unit F büro für mode in Wien und war langjährige künstlerische Leiterin des „festival for fashion & photography“. Sie ist Mitherausgeberin von „Austrian Fashion Design“ (2014) und „Modebuch – Zeitgenössische Mode aus Österreich“ (2006).
Andreas Bergbaur ist Co-Kurator der Ausstellung SHOW OFF. Austria Fashion Design. Er war Assistent an der Angewandten in der Modeklasse von Raf Simons und Mitbegründer von Unit F büro für mode in Wien im Jahr 1999. Er war Director of Communication & Marketing bei Jil Sander (2005–2011), Director for E-Commerce & Digitale Strategy bei Versace (2011–2013), Global Communication Director bei Zegna (2015–2017) und Chief Marketing & Digital Officer bei Roberto Cavalli (2017–2019) und ist seit Anfang des Jahres selbstständiger Modeexperte und -berater.