Drei Galerien aus Deutschland werden sesshaft in Wien
Ist jetzt Wien der Hot Spot für Galerien? Mit Beck-Eggeling, CRONE und Croy-Nielsen sind gleich drei renommierte – und doch recht unterschiedliche – Galerien aus Deutschland nach Wien gekommen, um zu bleiben. Während der Auftritt auf der Vienna Contemporary für Beck-Eggeling und Croy-Nielsen eine Premiere war, hat CRONE bereits seit vergangenen September seine Pforten in Wien geöffnet. Wir haben mit den drei Galerien über ihre Beweggründe, Erwartungen und bisherigen Erfahrungen gesprochen.
"Wir finden die Kultur-Institutionen leisten in Wien gute Arbeit, und die Galerienlandschaft finden wir attraktiv."
Croy-Nielsen
Die Galerie von Henrikke Nielsen und Oliver Croy
übersiedelt, nach acht Jahren in Berlin, komplett nach Wien. Heimisch
geworden ist man in einer Altbauwohnung am Parkring 4, 1. Bezirk. Die
Eröffnung erfolgt im Oktober.
Bild links: Croy-Nielsen mit Andy Boot, South Beach (Kemosabie) 1, 2014, rechts: Detail der Galerie. Mehr wird bis zur Eröffnung noch nicht verraten!
Werner Sturmberger: Hängt Ihr Umzug mit den geänderten Rahmenbedingungen in Deutschland zusammen?
Henrikke Nielsen: Dass wir nach Wien gehen, hat weniger mit den
Bedingungen in Berlin zu tun, als vielmehr mit den Potential die wir in
Wien gesehen haben.
Was hat den Ausschlag für Wien gegeben?
Meinem Mann, Oliver Croy, ist Österreicher, von daher lag es nicht so
fern. Wir finden die Kultur-Institutionen leisten hier gute Arbeit, und
die bestehende Galerienlandschaft finden wir auch attraktiv. Auch rund
um die Kunsthochschulen gibt es einen spannenden Diskurs. Wir freuen uns, unser Programm in einem neuen Kontext weiterzuführen, und vor allem zu
sehen, wie es sich von hier aus entwickeln wird.
Viele Galerien forcieren ja ihren Online-Auftritt. Ist der Standort da überhaupt noch so wichtig?
Die Ausstellungen in der Galerie bleiben am wichtigsten. Das ist der
Kern unserer Arbeit und die ist natürlich von lokalen Kontexten
geprägt.
Galerie Croy-Nielsen mit Olga Balema, Analysis penetrates the surface, 2015
Hatten Sie schon vorher einen Bezug zu Wien?
Mein Mann hat hier studiert. Wien ist aber trotzdem ziemlich Neuland für
uns, und wir freuen uns hier anzufangen. Nächste Woche sind wir zum
ersten Mal auf der Vienna Contemporary wo wir einen Stand mit Emanuel
Layr teilen werden, und Arbeiten von Olga Balema, Andy Boot, Benoît Maire, und Albert Mertz zeigen werden. Im Oktober eröffnen wir dann
unsere Galerie am Parkring 4.
Welche Erwartungen haben Sie an das Wiener Publikum?
Ich kann dazu noch nicht viel sagen, außer, dass ich schon sehr gespannt bin.
Die Düsseldorfer Galerie ist spezialisiert auf den Deutschen Expressionismus und die Deutsche Kunst nach 1945, hier insbesondere auf die Künstlergruppe ZERO mit Schwerpunkt auf das Werk von Heinz Mack. Ihm wird auch die Eröffnungsausstellung, die ab 18. September in der Dependance in der Margaretenstraße 5 zu sehen ist, gewidmet sein. Außerdem vertritt Beck & Eggeling viele renommierte zeitgenössische Künstler. Geleitet wird die Galerie von der Wienerin Katharina Husslein.
"Viele Galerien haben bereits Dependancen in London oder in der Schweiz ... es war ein logischer Schritt, nach Wien zu gehen."
Bild links: Beck & Eggeling - Geschäftsführer Dr. Ute Eggeling und Michael Beck, rechtes Bild: Galerie in der Margartenstrasse in Wien
Werner Sturmberger: Was hat den Ausschlag für die Eröffnung einer Dependance gegeben?
Katharina Husslein: Durch das Kulturschutzgesetz und die Anhebung der Mehrwertsteuer ist es schwieriger geworden, unsere Sammler zu bedienen. Viele Galerien haben bereits Dependancen in London oder in der Schweiz eröffnet. Um konkurrenzfähig zu bleiben, war es ein logischer Schritt, nach Wien zu gehen.
Was zeichnet Wien gegenüber den anderen Destinationen aus?
Neben den steuerlichen Vorteilen ist Wien einfach ein interessanter und lebendiger Ort, an dem man sich gern zeigen möchte. Wien bietet mittlerweile Sammlern aus der ganzen Welt ein interessantes Umfeld. Wir hoffen natürlich auch darauf, dass sich hier auch Synergien mit anderen Galeristen ergeben. Wien ist eine internationale Großstadt, selbst, wenn das oft nicht gesehen wird. Es gibt ein großartiges und vielfältiges kulturelles Leben mit einem unglaublichen Angebot an Museen und Galerien, es ist die Welthauptstadt der Musik. Für Beck & Eggeling ist Wien daher auch ein hervorragender Standort, um von hier aus verstärkt Kunsthandel zu betreiben und unseren Kundenstamm auch mit Hinblick auf Osteuropa auszuweiten. Es gab zwar auch Überlegungen eine Niederlassung in London oder Zürich zu etablieren, aber Wien hat den Vorzug erhalten.
Die Arbeit der Galerie war bisher vor allem den deutschen Expressionisten gewidmet. Gibt es auch einen spezifischen Wien Bezug?
Bisher noch nicht. Diesen herzustellen, mitaufzubauen und die Galerie hier zu positionieren, ist meine Aufgabe. Wir betreiben kein Gassenlokal, sondern sind in einem Altbau im ersten Stock untergebracht. Dieser wird als Kunstsalon dienen, in dem auch Vorträge stattfinden werden. Thematischer Schwerpunkt ist natürlich der Deutsche Expressionismus, der bislang so gut wie nicht präsent war. Damit schließen wir eine thematische Lücke in der Stadt. Wir wollen versuchen, über unseren Schwerpunkt Verbindungen zu Wien und zur österreichischen Kunstgeschichte herzustellen. Ich kann mir auch gut vorstellen, im Rahmen einer Ausstellung deutsche und österreichische Expressionisten gegenüberzustellen und mit zeitgenössischen Positionen zu vergleichen. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
Galerie Croy-Nielsen mit links: Benoît Maire, Le Nez (The Nose), 2010; rechts: Albert Mertz, Untitled, 1980ies)
Welches Publikum will man hier in Wien gezielt ansprechen?
Etablierte Kunst spricht natürlich auch ein etwas älteres Publikum an. Unser Publikum ist stark durchmischt. Es wird aber schon etwas anders sein als beim Galerienrundgang in der Schleifmühlgasse, nicht zuletzt auch aufgrund der räumlichen Beschaffenheit der Galerie.
Österreich hat seit ein paar Monaten einen neuen Kulturminister. Ein positives Zeichen für Österreich als Kunst- und Kulturstandort?
Kulturminister Drozda hat angekündigt, sich vor allem zeitgenössischer Kunst widmen zu wollen. Das halte ich für einen guten Ansatz. Ich hoffe natürlich, dass er sich der Galerien- und Kunstszene verstärkt annimmt. Da gibt es immer Bedarf und Verbesserungsmöglichkeiten.
Die Galerie ist seit September letzten Jahres in Wien geöffnet. Der Schwerpunkt der Galerie liegt im Bereich junger, zeitgenössischer Malerei. Aktuell gastiert die Ausstellung: Jugendzimmer curated by Dirk Schönberger im Rahmen des Festivals curated by vienna in der Galerie am Getreidemarkt 14, Eingang Eschenbachgasse.
"Wir glauben, dass die Stadt Wien über eine hohe Kunst- und Kulturaffinität verfügt."
Bild links: Geschäftsführer Markus Peichl, rechtes Bild: Ausstellungsansicht „Jugendzimmer“, kuratiert von Dirk Schönberger, Galerie Crone Wien
Werner Sturmberger: Was hat Sie nach Wien geführt?
Markus Peichl: Es ist ganz einfach. Es gibt im Moment ein paar Entwicklungen, die den Kunststandort Deutschland in Mitleidenschaft gezogen haben – etwa das Kulturgutschutzgesetz oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Galerien in Berlin sperren mittlerweile auch wieder zu oder werden zusammengelegt. Die, die über eine gewisse Größe verfügen, versuchen mit Niederlassungen im Ausland ein zweites Standbein zu etablieren. Wir haben uns aber dagegen entschieden – wie viele andere Galerien – die Schweiz, England oder andere offensichtliche Standorte zu wählen.
Warum haben Sie sich gegen die Schweiz und London entschieden?
Wir hatten das Gefühl, dass eine Stadt wie Wien groß genug ist, ohne gleichzeitig so überlaufen zu sein wie New York, London oder eben die Schweiz. Zum anderen glauben wir, dass die Stadt über eine hohe Kunst- und Kulturaffinität verfügt. So ein großes und lebendiges Interesse hilft natürlich. Daher sind wir seit September letzten Jahres hier und fühlen uns auch sehr gut aufgehoben. Es gibt viele junge Künstler, die wir – genau wie die Sammlerschaft – an die Galerie binden wollen. Ich habe zwar, auch privat, meine Wurzeln in Wien, das war aber nicht der ausschlaggebende Grund. Es hilft aber natürlich.
Galerie Crone mit Kai Althoff, Reincarnation, 1990
Glauben Sie, dass noch viele Ihrem Beispiel folgen werden?
Wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht. Die Unterstützung, die man hier als Galerie und Kulturbetrieb bekommt, wünschen wir uns auch in Deutschland. Die Ankaufspolitik ist besser, als sie oft dargestellt wird. Auch Formate wie „curated by_vienna“ sind einzigartig. Die Idee dahinter ist spannend, passt zur Größe Wiens und ist zugeschnitten auf die lokalen Rahmenbedingungen. Und es hat definitiv Strahlkraft. Ein solches Format mit staatlicher Unterstützung haben wir in Deutschland nicht. Möglicherweise würde ich die Situation aber auch anders wahrnehmen, wenn wir nur in Wien vertreten wären. Wir sind nach wie vor eine Berliner Galerie und haben dort unseren Schwerpunkt. Damit verfügen wir über ein Fundament, das den Start an einem neuen Standort natürlich erleichtert. Junge Galerien, die in Wien von Null weg anfangen, haben es viel schwerer. Für die ist es hier sicher nicht so einfach. Da gibt es noch Luft nach oben. Es bräuchte strukturelle Veränderungen, die es erlauben, dass auch junge und neue Galerien aus der Stadt selbst herauswachsen können.
Thomas Drozda, der neue Kulturminister, hat ja angekündigt in der österreichischen Kulturlandschaft einiges umgestalten zu wollen. Bemerken Sie davon schon etwas?
In Wien gibt es seit jeher eine Tendenz zur Cliquenbildung. Da ist es immer wieder mal gut, wenn ein bisschen frischer Wind durch die verkrusteten und eingefahrenen Strukturen geblasen wird. Einfach mal machen lassen und schauen, was daraus wird. Im Prinzip kann ein bisschen Bewegung nur guttun.
Galerie Crone Wien mit Rosemarie Trockel „Ohne Titel“, 2016 und Gregor Hildebrandt „Fundstück für Dan Graham“, 2009
Wie unterscheidet sich das Wien, das Sie 1985 verlassen haben von dem, in das sie letztes Jahr zurückgekehrt sind?
In den 1980ern bin ich aus einer sehr grauen, missgelaunten und nicht gerade besonders reichen Stadt in ein prosperierendes, unglaublich wohlhabendes Hamburg gegangen. 2002 bin ich dann nach Berlin gezogen, wo diese „Arm-aber sexy“-Stimmung herrschte. Wenn ich dann in den Nuller-Jahren von Berlin nach Wien gefahren bin, hatte ich oft das Gefühl, es ist wie in den 1980er Jahren, nur genau umgekehrt: Da kam ich dann aus einer sehr grauen, mürrischen, armen, nicht funktionierenden deutschen Stadt in ein strahlendes, aufstrebendes, immer reicheres Wien. Mittlerweile gleicht sich das wieder an, weil Berlin ökonomisch aufholt. Aber das ändert nichts daran: Das Wien, in das ich jetzt komme, ist ein völlig anderes, als das Wien, das ich 1985 verlassen habe. Die Wiener sollten nicht immer so unzufrieden sein.
Nachdem Sie schon ein Jahr hier sind: Wie unterscheidet sich das Wiener vom Berliner Vernissagen-Publikum?
In Berlin wird mehr nach dem Wein gefragt, in Wien auch nach der Kunst. Das Vernissagen-Publikum gehört einfach zum Kunstbetrieb. Es hält die Szene vital. Wir wollen schließlich, dass unsere Künstler und ihre Kunstwerke erlebt werden, Wein hin oder her. Der Anteil dieses Publikums ist sicher in keiner Stadt größer als in Berlin. Das macht sie auch so kunstaffin und lebendig. Auch wenn diese Leute natürlich nicht alle kaufen, ist es ganz wichtig, dass es sie gibt und sich für Kunst interessieren. Durch die sozialen Medien sind die Vernissagen bei uns in Berlin aber manchmal auch komplett überfüllt und überlaufen. In Wien ist das manchmal gemütlicher. Da kann man mit den Leuten auch mal längere Gespräche über Kunst führen. Trotzdem: Auch in Wien kommen genügend Leute. Ich hatte nicht mit einem so großen Interesse gerechnet und war dann positiv überrascht.
Crone Wien Getreidemarkt 14, Eingang Eschenbachgasse 1010 Wien