Gletscher und perchten made in Austria
Inwiefern beeinflussen Gefühlslagen das Design? Einen Blick auf die Emotionen, die uns als Gesellschaft aktuell bewegen und zukünftig leiten, wirft die zweite Ausgabe der London Design Biennale, die vom 4. bis 23. September im prunkvollen Somerset House stattfindet. Mit der Gestaltgebung nach dem Überfluss beschäftigt sich der österreichische Beitrag, der von Designerin Anab Jain geleitet den Nachwuchs zu Wort kommen lässt.
Extreme Klima- und Wetterverhältnissen, der Umbau der Natur und immer knapper werdende Rohstoffe – auf diesen Entwicklungen basiert die österreichische Arbeit zur Design Biennale in London. „After Abundance“, so der Titel, untersucht, was nach der Zeit nach dem Überfluss geschieht. Ein Gedankenexperiment geleitet von der Futuristin, Entwicklern und Lehrenden Anab Jain erkundet, was passiert, wenn die vorhandene Infrastruktur zusammen bricht. Woher kommt Energie und wie kann Design eine tragende Rolle einnehmen?
Besucherinnen des österreichischen Raum durchgehen verschiedene Stationen, die sich mit dem Danach des Überflusses beschäftigen. Dabei wirft beispielsweise ein Gletscher, der den Status einer legalen Person erhält, und mit Drohnen überwacht wird, Fragen zur Illegalität und Legalität auf. Auf einer Art Dorfplatz besinnt man sich auf Rituale und Brauchtümer zurück. In Performances von Perchten-artigen Wesen deren Kostüme die Folgen des Klimawandels, wie Dürre und Waldrutsch, repräsentieren, vollbringen sie bestimmte Services und erhalten dafür Almosen. In diesem Teil wird das Heische, das Betteln als mögliches Mittel zur Umverteilung in der Zeit nach dem Überfluss hochstilisiert.
Unkonventionell ist vor allem die Wahl der Ausstellenden: die in London lebende Designerin und Initiatorin des Superflux Studio Anab Jain, die gleichzeitig auch Leiterin des Studiengangs Design Investigations an der Angewandten Universität Wien ist, wird nicht alleine ausstellen, sondern erarbeitet das Konzept für den Pavillon mit ihrer Studienkasse. Entgegen dem Trend namhaften Designer zu engagieren, entschied sich Kurator, Autor und Direktor des Werkraum Bregenzerwald Thomas Geisler dem Nachwuchs das Zepter in die Hand zu geben. In den nicht gerade unumstrittenen Länderpräsentationen erhofft man sich mit diesem leichten Bruch zu den anderen Pavillons hervorzustechen und vielleicht so im Gedächtnis des Designmessen-Publikums zu bleiben.
„So spekulativ es im Einzelnen wirken mag: Dass es zu großen Veränderungen kommen wird, ist sicher.“ -Anab Jain
Der Studiengang Design Investigations an der Angewandten Universität Wien setzt sich mit technologischem und ökologischem Wandel und politischer Unsicherheit auseinander und erarbeitet dafür Strategien und Werkzeuge. Dieser Ansatz schlägt sich auch in der Schau nieder, sodass es sich buchstäblich um Untersuchungen handelt und nicht um fertige Designobjekte, die als Lösung angepriesen werden. Wenngleich der österreichische Beitrag inhaltlich noch etwas überladen wirkt, lotet der frische Zugang die Grenzen des Möglichen innerhalb einer Design Biennale aus.