Kurz, aber großes Kino!
360 Filme aus 70 Ländern – nach zwei größtenteils digitalen Jahren kehren die Vienna Shorts mit einem fulminanten Kurzfilm-Programm zurück in den Kinosaal. Der Schwerpunkt liegt bei der 19. Ausgabe des Filmfestivals auf filmhistorischen Arbeiten und analogem Kino – keiner der Beiträge ist länger als 30 Minuten. Wir haben uns vorab schon für Sie die Filme des Österreich-Wettbewerbs angesehen und geben drei Filmempfehlungen exklusiv für unsere Leserinnen ab.
„Mit einem breiten Grinsen aus dem Kinosaal“
Hollywood (2022)
Eine Straße, mitten in der oberösterreichischen Provinz. In der Stille explodiert geradezu ein lautes Schreien, die Kamera hält auf eine junge Frau, die von Feuerwehrmännern aus einem Autowrack gezogen wird. Ein Shot wie aus einem Actiondrama, der sich als Trainingsimulation für Notdienste entpuppt. Unfallopfer ist die talentierte, aber vom Pech verfolgte und ziemlich erfolglose, Schauspielerin Anna – dargestellt von einer unglaublich humorvollen Marlene Hauser. Ihr Vater sieht das offensichtlich ähnlich und hängt ihr eines Tages demonstrativ ein Business-Outfit ins Kinderzimmer – sie möge doch zu einem Vorstellungsgespräch bei der lokalen Raiffeisen-Filiale gehen. Die österreichischen Regisseure Leni Gruber und Alex Reinberg schaffen mit Hollywood eine liebevolle bis tragisch-komische Auseinandersetzung mit dem Thema des Scheiterns. Zum umwerfenden Finale des Films sei an dieser Stelle nichts verraten, außer, dass es das Publikum sehr wahrscheinlich mit einem breiten Grinsen aus dem Kinosaal entlassen wird.
„Rauschiges Schwarz-Weiß“
Sekundenarbeiten (2021)
Christiana Perschon widmet in ihrer Dokumentation Sekundenarbeiten der 94-jährigen Wiener Künstlerin Lieselott Beschorner ein filmisches Denkmal. Beschorner begann ihre sieben Jahrzehnte umfassende künstlerische Karriere in den Nachkriegsjahren ab 1945 und wurde 1951 eines der ersten weiblichen Mitglieder der Secession. Aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes konzentriert sich Beschorners aktuelles Schaffen auf Impulszeichnungen (die titelgebenden Sekundenarbeiten), die vor laufender Kamera entstehen und auf 16-mm-Film festgehalten werden. Schönes, rauschiges Schwarz-Weiß (auch im Titelbild dieses Beitrags zu sehen) kontrastiert mit Schwarzbildern, in denen die Protagonistin über ihr Werk erzählt, in einem Dialekt, dessen Vokabular fast ausgestorben ist. Reduktion, Stille und Schwarzbilder sind keine einfach einsetzbaren Mittel im Film, was es umso schöner macht, wenn ihr Einsatz so gut gelingt wie hier.
„Magisch“
Upwards Tide (2021)
In farbenfrohe, experimentelle Gefilde verschlägt uns Daniela Zahlners elegische Collage Upwards Tide. Der Film entstand über vier Jahre hinweg in den schottischen Highlands am Ufer von Loch Carron und im Wiener Wald. Gedreht wurde nur an Vollmondtagen und den dazugehörigen Nächten. Die szenischen Landschaftsbilder gehen in Körperbilder über, schlussendlich werden beide filmisch übereinander gelegt. Die Bilder wurden – dem diesjährigen Festivalschwerpunkt entsprechend – auf veraltetem Analog-Farbfilm geschossen und kreieren in Kombination mit kurzen Dialogen und einer stimmigen Geräuschkulisse eine magische, fast schon transformative Atmosphäre. Unbedingt auf der großen Leinwand sehen und wirken lassen!