Die Ideologie der technischen Tiefen
Neue TECHNOLOGIEN werden stets mit Fortschritt assoziiert: Bedeuten sie aber im Bezug auf Gleichstellung zwischen den Geschlechtern oder im Bezug auf Herkunft und Ausbildung für viele sogar eher einen Rückschritt im Leben? In der Ausstellung HYSTERICAL MINING, die noch bis 06.10. in der Kunsthalle Wien zu sehen ist, setzen sich Künstlerinnen mit dieser Frage auseinander. Eine Schau mit Keramiktoaster, Tentakeln und viel Stoff zum Nachdenken.
Wie Technologien unser Leben beeinflussen und gesellschaftliche Rollen manifestieren, damit beschäftigt sich die Ausstellung Hysterical Mining in der Kunsthalle Wien im Museumsquartier und am Karlsplatz. Sie ist eine von neun Ausstellungen, die im Rahmen der VIENNA BIENNALE FOR CHANGE 2019 (auch bis 06.10.) unter dem Motto SCHÖNE NEUE WERTE. Unsere Digitale Welt gestalten stattfinden. Kuratiert wurde die Gruppenschau, die Installationen, Bilder und Filme zeigt, von den Kunsthallen-Kuratorinnen Anne Faucheret und Vanessa Joan Müller.
Mit einem Schritt in die Ausstellung begibt man sich in ein blaues Teppichboden-Universum mit Baustellensound. Wer sich auf die Suche nach der Lärmursache begibt, stößt auf ein Regal, in dessen Fächern Bohrmaschinen, Kreissägen und andere Elektrowerkzeuge abwechselnd anspringen. Gemeinsam geben sie eine Komposition an, mal höheren, mal tieferen, Kreischgeräuschen zum Besten. Kreiert wurde diese lärmend-musizierende Installation von der in Berlin lebenden Künstlerin Delphine Reist, die gewohnte Gebrauchsgegenstände in neuem Licht erscheinen lässt: Sprinkleranlagen werden zu Farbversprüherinnen und Bürostühle zu rotierenden Tänzern.
Geht man ein paar Meter weiter, hebt sich eine Leuchtpyramide aus dem Dunkel des Ausstellungsraumes ab: Die Installation mit dem Namen Ultra Wet – Recapitulation stammt von der in Paris geborenen „Heilkünstlerin“ Tabita Rezaire. Über die Seiten der Pyramide gleiten geometrische Formen, tanzende Männer in Boxershorts und eine Frau, deren Körper nur von einer Schlange bedeckt ist. Auch die Künstlerin selbst erscheint auf dem Bildschirm und redet auf die Zuseherinnen ein, fast hypnotisch ist diese Kombination von Stimme und Bildern. Rezaire selbst nennt diese Kommunikation über den Bildschirm digitale Heilung.
Ein Maschinenmensch, der Liebe gibt, ist noch lange nicht erfunden. Ob Zuwendung durch Roboterinnen überhaupt möglich ist, darum geht es in Marlies Pöschls Kurzfilm Aurore. In diesem pflegt eine (gleichnamige) künstliche Intelligenz Senioreninnen in einem Altersheim. Doch auch Roboterinnen sind nicht vor Burnouts gefeit: Als Aurore die Arbeit zu viel wird, erhält sie die Chance auf ein zweites Roboterinnen-Leben. Ideen für diesen Plot hat Pöschl mit Kindern und Seniorinnen bei einem Workshop gesammelt.
Wie lange wir täglich am Bildschirm festhängen, zeigt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Global Web Index – allein im Jänner 2019 verbrachten die Österreicherinnen rund fünf Stunden täglich im Internet. Den nicht darstellbaren digitalen Raum sichtbar machen, will die Pariser Künstlerin Louise Drulhe, indem sie eine Art Atlas des Internets entwirft. Dieser hat jedoch nicht die Form einer Landkarte, sondern besteht aus Objekten, Bildern und Videos. In Hysterical Mining sind ihre Zeichnungen zu sehen, die die Macht von Google, Facebook und Co. verdeutlichen – eine Arbeit, die gut zeigt, wie erschreckend wahr dieses Szenario wohl längst ist.
Einen dreidimensionalen Comic mit Hand, Riesenaugäpfeln und Tentakeln hat die österreichische Künstlerin Barbara Kapusta zur Ausstellung beigesteuert. Umgeben sind die am Boden liegenden Gliedmaßen von Sprechblasen, zusammen ergeben sie die Kunstinstallation The Giant. Alltäglichere Gegenstände stammen von der New Yorkerin Trisha Baga, von der unter anderem ein Toaster und ein Mikroskop aus Keramik ausgestellt sind.
Neben der Ausstellung gibt es auch ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit zahlreichen Lesungen, Konzerten und Performances in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz.
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