Der falsche Esoteriker

Einhorn-Essenz und Aura-Spray

Zwei Jahre lang gab sich Fotograf Klaus Pichler als fanatischer Esoteriker aus und schleuste sich in die New-Age-Szene ein. Sein Selbstexperiment hat er in dem 2017 erschienenen Buch This will change your life forever gebannt. Auf seiner Suche nach dem Irrationalismus stieß er auf homöopathische Globuli für bedingungslose Liebe, harmonisierendes Katzenstreu und einen Energieknopf, der traumatische Erfahrungen verschwinden lässt.

Text: Lena Stefflitsch

„Du hast eine Philosophen-Nase!“

 

Als Kind ministrierte Klaus in der katholischen Kirche, distanzierte sich jedoch bald vom Glauben und bezeichnet sich heute als „relativ stabilen, den Naturwissenschaften zugewandten Charakter“.

Alles begann mit Wut. Über eine Industrie, die es sich zur Aufgabe macht, Menschen in Lebenskrisen schamlos auszubeuten. Gleich zwei Freunde des österreichischen Fotografen Klaus Pichler fielen auf esoterische Scharlatane rein. Also unternahm er eine verdeckte Recherche, aus der seine Fotoserie This will change your life forever entstand. Beim Besuch der Esoterik-Messen fand er neben geläuterten Gurus, die von ihrer angepriesenen Ware überzeugt waren, vor allem durchtriebene Vertreter-Typen, die genau wissen, wie man Leichtgläubigen das Geld aus der Tasche zieht. 

Das Geschäft um die innere Leere, die sich durch den Konsum esoterischer Produkte vermeintlich füllen lässt, wendet rhetorisch vor allem eine Strategie an – Bestätigung. Das konnte der  Pichler selbst beobachten. So wurde seine Begleiterin von einer Verkäuferin unter anderem für ihre Philosophen-Nase gelobt. Sie sei unter allen Besucherinnen die Speziellste. „Stell dir vor, du steckst in einer Krise, und dann sagt dir jemand, du bist etwas Besonderes. Esoterik basiert auf dieser Technik der Affirmation. Durch dieses Überschütten mit Komplimenten und Liebe werden die Leute unmündig gemacht“, so Pichler. Liebeserklärungen würden bewirken, dass die Menschen sich verpflichtet fühlten, etwas zurückzugeben. In der Esoterik-Szene bedeute das immer Geld.

„Esoterik ist eine egoistische Maschinerie.“

 

Das skurrilste Event, an dem Klaus Pichler im Zuge seiner Recherche teilnahm, war die „Starr-Session“ eines kroatischen Heilers namens Braco in Vösendorf, der allein mit der Kraft seines Blickes zu heilen verspricht. Kostenpunkt: fünf Euro, um sich als einer in der Menge anstarren zu lassen. Ergebnis: Einige im Publikum brachen weinend zusammen.

Für sein 2017 erschienenes Buch This will change your life forever erarbeitete Pichler eine Fotostrecke, in der er Models und sich selbst multiplizierte, um zu veranschaulichen, welch egoistische Maschinerie die Esoterik darstellt. „Zu sich selbst finden“, „die nächste Stufe erreichen“, „das eigene Seelenheil“ – in der Esoterik dreht sich alles um einen selbst und selten um andere. Was in den späten 1960er- und 1970er-Jahren als New-Age-Bewegung den Rückzug an einen Ort, in dem nur die Liebe und kein Krieg herrscht, ersehnte, sei in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer reinen Marketingmasche verkommen, die nichts mehr mit Spiritualität zu tun habe. 

Auch die „klassische Sekte“, bei der man seinen gesamten Besitz überschreibt und das alte Leben gänzlich aufgibt, sei mittlerweile „etwas aus der Mode gekommen“, so Pichler. Heute müsse man nun vor allem wirtschaftlich funktionieren, um möglichst viele esoterische Produkte kaufen zu können und die Industrie am Leben zu halten.ose

In einer immer komplexeren Welt, die viele Menschen als überfordernd empfinden, liefert die Esoterik einfache Antworten. „Wir sehen uns mit einer neuen Irrationalität konfrontiert – Fakten sind nicht modern, handfestes Wissen wird durch Glauben ersetzt. Das empfinde ich als extrem gefährlich“, lautet Pichlers Resümee seiner zweijährigen Recherche. Dass unter den Corona-Leugnerinnen auffallend viele Personen aus der Esoterik-Szene sind, bestätigt seine schon lange im Vorhinein gehegten Befürchtungen. 

Diese Fotostrecke ist in der Printausgabe #1 „The Private Issue“ erschienen. Sie können das Magazin in unserem SHOP bestellen.
 

Der studierte Landschaftsarchitekt Klaus Pichler fotografiert seit 2005 für Magazine wie Camera Austria, British Journal of Photography, Süddeutsche Zeitung, das Rondo Magazin und DIE ZEIT. Daneben wurden seine Arbeiten auch in internationalen Galerien und Ausstellungen gezeigt, wie etwa auf der Photo London (2018) und dem niederländischen Fotofestival Naarden (2017). Die Fotoserie This will change your life forever wurde 2017 in einem Fotobuch veröffentlicht, daneben hat Pichler noch fünf weitere Bücher mit seinen Fotos publiziert, darunter Golden Days before they end (2016) und Dust (2015). 

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