The Moment Before

Jakob Lena Knebl, Gonzalo Lebrija, Anna Breit, Mario Kiesenhofer, Rita Nowak, Daniel Gordon, Niko Havranek

Ein Moment, ein Zeitraum von kurzer Dauer, ein Augenblick. Vor dem Ereignis geschützt in haaresbreitem Vakuum: ein Zustand von Schwerelosigkeit vor dem Aufprall, der Anspannung vor der Entspannung, des Erkennens vor der Erkenntnis. Diese Momente, in nachfolgender Fotostrecke sich manifestierend, gleichwohl in Abstraktem sowie in Körperlichem, bergen Möglichkeiten. Möglichkeiten des Staunens, des Stockens, der Stille. Und Möglichkeiten von Schönheit. 

Text: Viktoria Kirner, Kuratiert: David Meran

Mario Kiesenhofer: „Indoor – Magnum, Budapest“ 2015

 

„Als ich in der Magnum Sauna in Budapest das leere Bett mit den beiden Kissen vorfand, musste ich natürlich sofort an die Arbeit „Untitled“ (billboard of an empty bed) von Félix González-Torres denken.“

 

Diese Aufnahme von Mario Kiesenhofer aus seiner fortlaufenden Serie „Indoor“ entstand in der Magnum Sauna in Budapest, kurz bevor der Sex-Club geöffnet wurde – also kurz bevor sich die leeren Räumlichkeiten mit Gästen füllten. Für diese Serie reist der Künstler in Metropolen wie New York, Tokio, London, Paris, Berlin, Budapest und Wien, um Gay Bars, Saunen und Gay Clubs mit seiner Kamera zu untersuchen. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit der queeren Topografie urbaner und virtueller Räume. Die entstandenen Einblicke zeigt Kiesenhofer hinter grau getöntem Rauchglas. Dieser Glasfilter gibt den Raummotiven einen Teil ihrer Intimität zurück und verleiht ihnen etwas Hyperreales – schwarze Bereiche werden noch schwärzer, und das spiegelnde Glas bezieht die Betrachterinnen in die Arbeit mit ein. 

Jakob Lena Knebl: „Ma Poupée“, 2018 

 

„Ich lernte Bellmers ehemaligen Assistenten kennen, der die Puppen für ihn anfertigte. Der Moment vor dem Foto, als ich in sein Atelier kam und die Puppe friedlich auf einem Stuhl sitzen sah, war ein sehr berührender. So einem wertvollen Werk der Kunstgeschichte nahe zu sein, es so dicht an seinen Körper zu halten, fühlte sich an, als wäre man ganz nahe an der Geschichte dran.“   

 

Die Künstlerin Jakob Lena Knebl mit einer Puppe des berühmten Fotografen, Malers und Bildhauers Hans Bellmer, der für seine sich fast ausschließlich mit erotischen Darstellungen der weiblichen Anatomie beschäftigenden Arbeiten bekannt war. Bellmers Puppen wurden unter anderem im Museum of Modern Art in New York gezeigt.

Anna Breit: „Untitled“ 2017

 

„Meine Fotos sind ein inszeniertes Tagebuch – ein Tagebuch über meine Freunde, die Menschen, von denen ich umgeben bin, eine bestimmte Zeit, eine Generation, und offensichtlich über mich selbst."

 

Die junge Fotografin Anna Breit beschäftigt sich in ihren Aufnahmen hauptsächlich mit Menschen und deren Beziehungen. Zu ihrem Foto schrieb sie uns: „Das Foto entstand auf dem Nachhauseweg von einem Club und erinnert mich an die Anfangszeit mit meinem Freund. Es stammt aus einer Zeit, in der ich alles um mich herum mit meiner Point-and-Shoot-Kamera, die ich immer mit dabei hatte, dokumentiert habe. Viele dieser Fotos von damals haben einen Schnappschuss-Charakter. Meine Art zu fotografieren hat sich mittlerweile verändert, meine Kamera habe ich aber nach wie vor immer dabei, sie hilft mir, Erinnerungen zu bewahren.“

Gonzalo Lebrija: „Entre la vida y la muerte“ 2008

 

In den Arbeiten des erfolgreichen mexikanischen Fotokünstlers Gonzalo Lebrija  steht die Zeit still. Seine Bilder sind Momentaufnahmen, Abbildungen eingefrorener Sekunden, die unsere Wahrnehmung von Zeit untersuchen und die Distanz zwischen Vergangenheit und Zukunft vergrößern.

Niko Havranek: „In Formation“, 2017

 

„Mich fasziniert das Hintrainieren auf den einen Moment.“

Der Wiener Porträt- und Reportagefotograf Niko Havranek reichte seine Bilder bei unserem Open Call ein. Zu seiner Serie „In Formation" schrieb es uns folgende Zeilen: „Zuerst ist mir die sonderbare Auslagengestaltung eines Geschäftes, das Tanzschuhe verkauft, aufgefallen. Mich haben das aufwändige Make-up und der Kleidungsstil fasziniert – diese Wahrnehmung von Schönheit. Durch eine ehemalige Klassenkollegin erhielt ich die Möglichkeit, einen Tanzsportverein zu begleiten. Bereits nach dem ersten Turnier begeisterte mich der Zusammenhalt des Teams. Bei einem Training, das ich fotografiert habe, ist mir aufgefallen, wie stark der Druck auf jeder Einzelnen lastet, die beste Team-Performance zu bringen. Jede Bewegung muss punktgenau sitzen, denn die Kette ist nur stark wie ihr schwächstes Glied."

Rita Nowak: „Yet Luminous“ 2018 

 

Das Foto der in London lebenden österreichischen Fotokünstlerin Rita Nowak wurde in einem Schloss in Kärnten aufgenommen. Begleitet hat das Motiv das Gedicht „A Walts with a Tear in it“ des russischen Dichters und Schriftstellers Boris Pasternak. 

Daniel Gordon: „Bartlett Pear“ 2018

 

Der New Yorker Künstler Daniel Gordon spielt in seinen Werken mit dem Moment der Erkenntnis. Aus seinen Collagen fotografischer Bilder aus dem Internet, fertigt er dreidimensionale Tableaus, die es dann erneut ablichtet und für andere Arbeiten wiederverwendet. Sein Interesse gilt den Dualitäten, die in seinen Fotografien häufig koexistieren – maskulin und feminin, Ganzheit und Bruch. Die Unvollkommenheit, die man in Form von Klebespuren oder zerrissenen Kanten findet, bleibt sichtbar. Dekonstruktion und Reassemblage eröffnnen Möglichkeiten für neue Charakterre und Beziehungen. 

Dieses Shooting ist in der Printausgabe 2/2021 „The Beauty Issue“ erschienen. Sie können das Magazin in unserem SHOP bestellen.

Verschwendet Euch!

Text: Lara Ritter, Antje Mayer-Salvi, Fotos: Rafaela Pröll, Make-Up: Nico Pessl-Jaritz, Stylist: Simon Winkelmüller

In Ischgl feiern Ski-Touristinnen Corona-Partys vor der ruinierten Berglandschaft, die Meere gehen über die Ufer, das Virus über die Welt, alle isoliert und Greta weint. In einer Welt, in der alles im Überfluss vorhanden ist, in der ausufernder Konsum Natur und Gesundheit zerstört, ist die Verschwendung in Verruf geraten: Marie Kondōs Aufräumarmee, Minimalismus, Selbstoptimierung und ein neuer Moralismus haben ihr den Kampf angesagt. Aber brauchen wir Menschen nicht die Verausgabung zum Glück, das Miteinander im Fest und den rituellen Exzess? Wir haben sechs beeindruckende Persönlichkeiten danach gefragt, welchen Platz die Verschwendung in ihrem Leben einnimmt. 

Dirndl & Zopf

Text: Antje Mayer-Salvi, Fotos: Vrinda Jelinek, Produktion: Nicole Adler, Stylist: Ilija Milicić, Hair Stylist: Nieves Elorduy, Models: Joya A., Helena (beide Stella Models), Vova, Ewelina, Annie (Das Deck), Studio: Roland Unger

DIRNDL und ZOPF – was hat es mit diesen traditionellen MODEPHÄNOMENEN auf sich, und wie sehr hat sich das Tragen von diesen in der Gegenwart verändert? 

Der Astronaut

Text: Eva Holzinger

Der 59-jährige Kanadier Chris Austin Hadfield ist wohl einer der bekanntesten Astronauten. Wer, wenn nicht er, dachten wir uns, kann über das Schöne sprechen? Seine Tweets aus dem All – ja, dort gibt es Twitter – machten ihn berühmt: Wenn er nicht gerade mit der Queen chattet oder David Bowies „Space Oddity“ in der Schwerelosigkeit interpretiert, erzählt er auf YouTube und Co. über das Leben und Arbeiten im All. Er ruft uns für das Interview via Facetime an. Drei Flüge ins All, zwei Spacewalks, ein Spaceship unter seiner Führung und exakt 30 Minuten Zeit, um über das Schöne, die Zeit und Angst im All zu sprechen. 

Die Ordensschwester

Text: David Meran

Die dicken Wände des Klosters Kirchberg in Niederösterreich stammen aus vergangenen Jahrhunderten, doch nicht die Schwestern, die darin leben. Wir fragten eine, die es wissen muss: Ordensschwester und Psychotherapeutin Teresa Hieslmayr gibt unorthodoxe Antworten auf komplizierte Fragen. Was theologischer Umweltschutz bedeutet, wie Gott während der Corona-Krise helfen kann, und warum billiges Schweinefleisch Sünde ist.