Der FM4-Moderator

Prosecco für den Ernstfall


Christian Pausch (32) ist Redakteur beim Radiosender FM4. Es scheint so, als wäre das ganze Land im Home-Office. Wie arbeiten er und seine Kolleginnen nun zusammen? Wie geht es ihm persönlich in der Krise? Worüber kann er lachen, was macht ihm Angst?

Text: David Meran

„Ich habe Tränen gelacht.“

David Meran: Beginnen wir unser Gespräch mit etwas Positivem – worüber hast Du die Tage richtig laut lachen müssen?

Christian Pausch: Vergangene Woche habe ich am Mittwoch die ZIB 1 gesehen. Da gibt es ja eigentlich derzeit wenig zu lachen, aber es wurde ein Beitrag über diesen Flashmob, bei dem die Leute am Fenster Musik machen, gezeigt. Die Moderatorin berichtete, diese Aktion würde jetzt täglich stattfinden – dabei verzog sie den Mund so arg, man hat genau gesehen, ja geradezu gespürt, dass sie diese Aktion schrecklich findet! Das war so wunderschön! Ich habe Tränen gelacht!

Wie geht es Dir gerade?

Ganz okay. Ich kann mich nicht beklagen, eine Wohnung mit Balkon im 17. Bezirk für mich allein – Kühlschrank und Heizung funktionieren. Man muss jetzt einfach abwarten, aber es soll jetzt bitte, bitte nicht noch was Schlimmeres passieren! Es ist schon schwierig – auch für mich –, aber gleichzeitig weiß ich, dass es vielen anderen noch viel schlechter geht als mir.

Wärst Du lieber zu zweit in dieser Phase?

Ich führe eine Fernbeziehung mit jemandem in Berlin und wäre heute sogar auf dem Weg dorthin gewesen. Ich musste die Reise natürlich absagen. Deshalb fällt mir die Situation heute besonders schwer. Genau jetzt, in diesem Moment, in dem wir gerade plaudern, wäre ich bei ihm. Und das wäre jetzt gerade schon sehr super! Mein Freund arbeitet wiederum vierzig Stunden pro Woche und bewohnt nur ein WG-Zimmer, von dem aus hätten wir beide Homeoffice machen müssen. Ich weiß nicht, ob uns da eventuell die Decke auf den Kopf gefallen wäre.

„Wir spielen uplifting Music!“

Du moderierst bei FM4 die Musiksendung „Soundpark“ und bist unter anderem Social-Media-Redakteur und Programmgestalter. Wie reagiert die FM4-Redaktion auf die Corona-Krise? Wie sieht Dein Arbeitsalltag aktuell aus?

Derzeit ist der Dienstplan sehr ausgedünnt, damit wenige Kolleginnen ins Büro kommen müssen. Sehr viele von uns arbeiten von zuhause aus. Es gibt einen USB-Stick, mit dem wir auf unser System zugreifen können – funktioniert ganz gut. Unsere Hauptaufgabe ist derzeit, Informationen weiterzugeben, dabei keine Panik zu verbreiten und die Fragen der Hörerinnen zu beantworten. Wir spielen auch uplifting Music! Wir können natürlich keine Veranstaltungstipps mehr geben, wir bringen jetzt eben viele Beiträge über Musik und Kunst, aber das Hauptaugenmerk liegt auf den Nachrichten, die ja bei FM4 hauptsächlich auf Englisch sind. Das ist wichtig, weil natürlich nicht alle Deutsch verstehen, aber trotzdem die wichtigen Infos bekommen müssen. Wir haben online aber auch Informationen auf Türkisch und BKS (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch).

„Ich gehöre zu einer Risikogruppe.“

Wie funktioniert die Kommunikation in der FM4-Redaktion während der Corona-Krise?

Wir kommunizieren über Telefon und E-Mail. Auf diese zwei Kanäle haben wir uns geeinigt, weil über diese Basics alle verfügen und wir uns die Diskussion über WhatsApp und Co. damit sparen. Es  funktioniert bis jetzt sehr gut in der FM4-Redaktion, tatsächlich wird viel mehr geschrieben als zuvor.


Hast Du Ängste?

Ich habe eine Autoimmunerkrankung, also gehöre ich zu einer Risikogruppe. Allein schon deshalb macht mir alles rund um das Corona-Virus im gewissen Sinne Angst. Gleichzeitig fühle ich mich gesund. Die Vorstellung, alleine im Krankenhaus liegen zu müssen, ist schauderhaft. Ich hab auch Angst um meine Großmutter, die lebt erst seit Kurzem in einem Altersheim und befindet sich derzeit in der Eingewöhnungsphase. Momentan dürfen wir sie nicht besuchen, das schmerzt vor allem meinen Vater.

„Ich habe schon Füchse im Garten gesehen!“

Lässt Dich das Coronavirus philosophisch werden?

Bis jetzt noch nicht! Über Leute, die so pseudo-philosophische Postings publizieren, kann ich mich allerdings zuweilen schon echauffieren (lacht). Ich poste derzeit sehr viel, mehr als sonst, in den Social Media für meine Freundinnen, aber auch für mich, damit alle sehen: Hey, wir sind doch alle zuhause und es geht uns gut. Ich habe in den vergangenen Tagen mit so vielen Leuten geskypt und telefoniert, mit denen ich sonst nie gesprochen hätte.

Mir fällt noch etwas ein! Gestern Abend bin ich auf meinem Balkon gestanden – den ich jetzt mehr denn je schätze. Unter mir im Gebüsch hat es konspirativ geraschelt und gewurrlt, als würden nun alle Tiere zurückkommen. Ich habe im Garten sogar schon Füchse gesehen! Ich will jetzt nicht doch noch philosophisch werden oder so, aber das war schon cool.

Wie gestaltest Du Deinen Tag? Wie versuchst Du, die Normalität aufrechtzuerhalten?

Ich habe mir wirklich einen Plan zurechtgelegt, der mir eine lose Struktur vorgibt. Den Vormittag versuche ich ohne Social Media zu verbringen, funktioniert ganz gut. Mittags koche ich groß auf, meistens wird das auch mein Abendessen. Sonst hat man ja meistens wenig Zeit, gut und gesund zu kochen. Um 19 Uhr 30 rufe ich jeden Abend meine Freundin Nina an, die ist auch alleine zuhause, und wir schauen gemeinsam die ZIB 1. Das ist das einzige Mal an Tag, dass ich aktiv Nachrichte konsumiere, weil ich gemerkt habe, die News sind mir fast zu viel. Wir besprechen dann gleich danach die Themen und können uns austauschen und alles kommentieren. Das macht es leichter.

„Wir sind kein Virus!“

Was ist Deine Lieblings-Verschwörungstheorie rund um das Virus?

Was mir einfällt, ist keine Verschwörungstheorie in dem Sinne, aber doch eine Schuldzuweisung, die mich beschäftigt. Ich habe vor einigen Wochen eine Sendung gemacht, die hat geheißen „Wir sind kein Virus“. Dafür habe ich zwei asiatische Österreicherinnen eingeladen und über Rassismus gesprochen.

Zu dieser Zeit war das Virus „nur“ in Asien, in Europa wurden  jedoch asiatisch aussehende Menschen beschimpft und angefeindet. Ich wollte ihnen eine Stimme im Radio geben, weil diese Vorfälle in Berlin, Paris und auch in Wien passiert sind – Leute wurden sogar angespuckt. Diese Thematik beschäftigt uns heute noch, leider!

„Am Donnerstag habe ich noch unbeschwert Interviews geführt, Freitag war mir schon unwohl dabei.“

Musstest Du in Deiner Familie Überzeugungsarbeit leisten, dass sie sich isolieren?

Ja, vor allem bei meinen Eltern. Die passen mehrmals die Woche auf meinen Neffen auf, und das wollten sie sich anfangs partout nicht nehmen lassen. Mein Bruder sagte sogar, wenn sie anläuten, macht er ihnen nicht mehr die Tür auf. Jetzt haben sie es aber verstanden. Mir tut das natürlich leid, sie verbringen gerne Zeit mit ihrem Enkelkind. Das Verständnis ist bei allen gewachsen, auch bei mir. Am Donnerstag habe ich noch unbeschwert Interviews geführt, Freitag war mir schon unwohl dabei.

Auf Instagram gibst du Ratschläge für „Projekte“ wie Kochen und Blumengießen. Bist du nun zu einem bodenständigen Influencer mutiert?

Ich bin doch kein Influencer und hab gar kein öffentliches Profil – das sehen wirklich nur meine Freunde. Ich mache das eher, um andere und mich ein wenig bei Laune zu halten. Nachdem ich alleine bin, kann ich ihnen somit zeigen, was ich so mache. Instastories sind eine Form von Kommunikation, weil auf jede Story auch irgendjemand antwortet, somit fühle ich mich nicht so einsam. Ich habe aber tatsächlich eine Liste mit Dingen, die ich machen will. Hoffentlich brauche ich sie nur noch wenige Wochen und nicht für die nächsten Monate. Ich habe mein Fahrrad noch nie geputzt, das steht nun am Balkon bereit. Mein Japanisch möchte ich auffrischen, viel zu dicke Bücher lesen und den Steuerausgleich machen. Die Tipps, die ich auf Social Media gebe, sind tagesabhängig, letzte Woche war mein Tipp: Triff deinen besten Freund und halte einen Meter Abstand, am nächsten Tag war das bereits ein No-Go.

„Mein Japanisch möchte ich auffrischen.“

Viele Selbstständige bangen gerade um ihre Existenz, sie haben gerade wenig Muße, wie sie sich die Zeit vertreiben sollen ...

Viele in meinem Umfeld stehen vor großen Problemen, einige Freundinnen aus dem Kulturbereich haben bereits ihren Job verloren. Wenn ich poste, das Blumengießen sei heute mein „Projekt“, ist das natürlich ironisch gemeint. Ich gieße meine Blumen auch ohne Corona-Krise zweimal die Woche.

Hand aufs Herz, wie viele Rollen Klopapier hast Du in Deiner Wohnung?

Ich habe nicht wenige, aber ich habe sie nicht extra gekauft. Das darfst du nicht schreiben, aber ich kaufe immer Bambusklopapier, dafür fahre ich sogar durch die ganze Stadt. Beim Händler meines Vertrauens kaufe ich immer gleich vier Packungen.

„Vier Packungen Bambusklopapier.“

Ich darf nicht schreiben, dass Du Bambusklopapier in Zeiten von Corona zuhause hast? Das kannst Du mir nicht antun!

Okay, na gut. Aber weißt Du, Bambusklopapier ist schön weich und soll auch nachhaltiger sein, weil der Rohstoff schneller nachwachsen kann, wobei ich das nicht genau nachweisen kann, wir haben ja keine Bambushaine in Österreich?! Vor allem aber riecht es so gut!

Glaubst Du, dass sich viele Paare durch Corona trennen werden?

Ich kenne zufälligerweise eine Statistik aus China, die besagt, dass die Scheidungsrate während der Corona-Krise gestiegen ist. Wovor ich aber mehr Angst habe ist, dass die häusliche Gewalt ansteigen wird. Viele können sich ja gar nicht trennen, darum ist die Frauen-Hotline derzeit so wichtig (Anm.: Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555).

„Ich habe eine Flasche Prosecco gehamstert.“

Wie steht’s um Deinen Alkoholkonsum?

Ich bin so fad geworden, ich trinke seit Jänner nicht mehr. Ich habe aber kurz überlegt, ob jetzt nicht die Zeit wäre, wieder damit anzufangen. Bis jetzt habe ich es aber ausgehalten, eine Flasche Prosecco steht im Kühlschrank, die habe ich gehamstert und wird im Ernstfall selbstverständlich geköpft.

Dann wünsche ich Dir weiterhin nur Wasser und Tee! Danke für das Gespräch.

Die Kulturredakteurin

Text: Antje Mayer-Salvi

Nicola Eller berichtet als ORF-Redakteurin regelmäßig über Kunst und Kultur in Österreich, unter anderem für die wöchentliche Sendung kulturMontag. Wir haben sie im Home-Office erreicht und gefragt, worüber sie und ihre Kolleginnen nun, wennnichts mehr stattfindet, berichten. Wie produziert man auf dem Küniglberg gerade Beiträge, und was bewegt sie persönlich in ungewöhnlichen Zeiten wie diesen?

Die Musikerin

Text: Viktoria Kirner

Gasthauskind und Krawallfrau Katarina Maria Trenk liebt nichts mehr als die Bühne. Gerade eben war sie noch als Sängerin bei Stefanie Sargnagels Theaterstück Am Wiesnrand im Münchner Volkstheater zu sehen. In Zeiten der Ausgangssperre spaziert sie mit ihrem Aufnahmegerät durch Wiens leere Straßen, produziert Songs im Wohnzimmer und telefoniert täglich mit einsamen Schmauswaberl-Stammgästen. Wir haben mit ihr geskypt.

KMT bei ihrem Auftritt im Radiokulturhaus im Rahmen der Reihe „Solo Together" mit Alicia Edelweiss.

Die Geschwister

Text: Lara Ritter

Derzeit ist ganz Österreich wegen des Corona-Virus quasi in Quarantäne: Geschäfte sind geschlossen, Veranstaltungen abgesagt, die Straßen leer. Wir wollten wissen, wie es es jetzt im Privaten weitergeht, wie sich der neue Alltag gestaltet und welche Sorgen und Schwierigkeiten es gibt. Im ersten Teil unserer Interviewserie lassen wir diejenigen zu Wort kommen, die dem jetzigen Zustand noch am ehesten etwas Positives abgewinnen können: Kinder! Wir haben Luis (11) und Carla (8) aus Wien interviewt, die zurzeit im Burgenland weilen und Pause von der Schule haben.