Der Sexpuppen-Verkäufer

Über einsame Reize. Sex sell (again).

Wie reinigt man eigentlich den Unterleib einer Sexpuppe? Und für wen ist dieser willenlose Traum aus Silikon und Plastik überhaupt interessant? Das Geschäft von Mr. Li boomt. Er ist Österreichs größter Anbieter von Sexpuppen, sogenannten Real Dolls und vertreibt individuell angefertigte Abgüsse echter Frauen, die versprechen, Fantasien zu befriedigen und Nähe zu spenden. Begleitet wird unsere Geschichte von Arbeiten des österreichischen Fotokünstlers Guenter Parth, der in seinem für Dolce & Gabbana produzierten Coffee Table Book Diamonds & Pearls, Topmodels durch Real Dolls ersetzte. 

Text: Lisa Peres

„Die Puppen sind Abgüsse echter Frauen, die irgendwo da draußen in der Welt leben.“

Lisa Peres: Warum Sex mit einer Puppe?

Mr. Li: Hier geht es um pure Neugierde. Der Hauptgrund ist, die Doll sagt niemals nein. Sie macht alles mit. Man kann an ihr hemmungslos seinen Fetisch ausleben, für den man sich eventuell geniert, den man vielleicht mit der eigenen Frau oder dem eigenen Mann nicht praktizieren kann.

Welche Kundinnen haben Sie?

Alles quer durch die Berufsspaten und Schichten, auch viele Künstler, Leute vom Film oder Fotografen, ebenso alterstechnisch, vom erfolgreichen 25-Jährigen bis hin zum pensionierten Geschäftsmann. Auch Homosexuelle. Sie sind alle berufstätig, die Puppen sind teuer, die muss man sich leisten können. Und es sind nicht nur Männer! Für Frauen bieten wir männliche Dolls an.

Kommen auch Pärchen?

Sehr oft. Wenn zum Beispiel einer der beiden sexuell nicht mehr so aktiv ist, dann sucht sich die Frau einen Mann aus, und der Mann zahlt dafür. Oder umgekehrt. Es zahlt meistens der Mann (lacht). Die Doll ist ja eigentlich nicht mehr als einfach eine Weiterführung von Dildo oder Masturbator, ein sexuelles Hilfsmittel.

Ein neuer Trend?

Sexualität wurde in Österreich sehr lange verschwiegen und wurde nur hinter verschlossenen Türen praktiziert. Mittlerweile hat sich das gelockert, man redet mehr darüber. Sex hat jeder, braucht jeder. Sex sells. In Japan ist es gang und gäbe, dass viele Familien – mit Haus, Kindern, Garten und Hund – auch noch eine Doll beherbergen. Das ist dort nichts Verwerfliches.

Jede Puppe wird individuell für die Kundinnen angefertigt?

Ja, das sind alles Einzelanfertigungen! Der Kunde hat die Wahl, kann sich zwischen zehn bis 20 verschiedenen Körpern entscheiden. Neben der Haarlänge und -farbe, dem Gesicht, der Körpergröße und -form, Augen- und Hautfarbe gibt es unzählige Konfigurationsmöglichkeiten. Die Puppen sind übrigens alle von Abgüssen echter Frauen entstanden, die irgendwo da draußen in der Welt leben, inklusive Narben oder sonstigen Lebensspuren auf der Haut.

„Alles ist aus- und umsteckbar. Den Wünschen sind fast keine Grenzen gesetzt.“

Was für spezielle Wünsche haben die Kundinnen?

Manche wollen was zum Anfassen, mehr Becken, mehr Hintern, oder die Puppe muss sehr skinny sein. Viele wollen keine Monsterbrüste, sondern kleinere. Es gibt auch Fetische: Kunden wünschen sich Sex mit einer Schwangeren. Dann produzieren wir eben eine schwangere Puppe. Man kann alles individuell aussuchen, auch die Köpfe und Gesichter oder die Perücken. Oder man kauft sich mehrere. Alles ist aus- und umsteckbar. Den Wünschen sind fast keine Grenzen gesetzt.

Die Preise der Puppen variieren zwischen 2.000 und 10.000 Euro. Was sind denn da die Unterschiede?

Für 2.000 Euro bekommt man das günstigste Modell, eine Puppe gegossen aus TPE, das ist ein Thermoplastikum, mit Weichmachern, das kommt aus China, hat allerdings den Nachteil, dass das Material sehr gummig ist, weniger wie Haut, alles fühlt sich gleich stark an, man kann da kein Gewebe simulieren, wie bei den teureren Ausführungen.

Die hochpreisigeren Modelle fühlen sich echter an?

Das ist so, als würden sie einen Volkswagen mit einem Porsche vergleichen.

Bei den Luxus-Dolls wird kein Einfachguss gemacht, für die Kniepartien werden eigene Formen verwendet, es geht um die Viskosität. Das hochwertige Platinum-Silikon für die Luxusvariante bestellen wir in den USA, und unsere Kunden merken sofort den Unterschied in der Haptik. Das fühlt sich wie echte Menschenhaut an, da gibt es keinen großen Unterschied mehr.

„Beim Verkehr bemerkt der Mann kaum mehr einen Unterschied zur echten Frau.“

Wie viel wiegt so eine Puppe?

Um die 55 Kilo. Wie eine echte Frau. Durch ihre Unbeweglichkeit wirkt sie natürlich noch schwerer. Das unterschätzen sehr viele Kunden, deswegen ist es auch ratsam, hierher zu kommen, sich die Puppe mal anzuschauen, dann können wir auch sehen, welche Körperstatur der Kunde hat und empfehlen, welches Modell zu ihm passt.

Kann ich auch die Vagina und Penis-Größe bestimmen?

Ja natürlich. Man kann sich aussuchen, wie gut die Puppe bestückt sein soll. Wir haben Standardgrößen mit 14 cm Dildos, die Luxusmodelle variieren zwischen 18 und 20 cm, die Dame kann sich das dann aussuchen. Sie kann sich auch einfach mehrere Dildos kaufen und sie dann umstecken. Dasselbe gilt für Vaginas. Austauschbare Vaginas sind sehr interessant für die Laufhäuser.

Wie funktioniert das technisch bei der Produktion?

Wir haben einen 3D-Scanner entwickelt, dieser wird der Frau eingeführt. Es wird ein Innenabdruck ihrer Lavia gemacht und dann genau nach diesem Abdruck produziert. Beim Verkehr bemerkt der Mann dann kaum mehr einen Unterschied zur echten Frau.

Woher wissen Sie das denn?

Wir haben an 10.000 Probanden in China mit verbundenen Augen getestet, ob sie den Unterschied zwischen echter und simulierter Vagina beim Sex erkennen. 7.000 davon konnten keinen Unterschied feststellen.

„Man kann sich beim Escort-Service eine Doll für eine ganze Nacht bestellen. – Das klingt wie Pizza-Service!“

Sie arbeiten direkt mit Laufhäusern in Wien zusammen?

Wir arbeiten mit mehreren Bordellen zusammen, im Laufhaus Vienna finden sie vier Dolls von uns. Wir schicken die Kunden dahin, damit sie die Dolls dort testen können, wenn es ihnen gefällt, können sie dann bei uns nach den eigenen Wunschvorstellungen bestellen. Kürzlich wurde außerdem auch der erste Doll-Escort-Service in Wien eröffnet, er führt ausschließlich unsere Puppen.

Escort-Service? Das klingt wie Pizza-Service ...

Ja, so ähnlich (lacht). Man kann sich eine Doll für eine ganze Nacht bestellen. Der Kunde ruft an, und der Escort-Service bringt die Doll dann verpackt und bekleidet direkt zu ihm ins Wohnzimmer.

Wie lange dauert die Produktion so einer Doll?

Etwa sechs bis acht Wochen. Das Werk befindet sich in China. Dort wird die passende Gussform hergestellt. Die muss erst einmal trocknen, was etwas länger dauert. Das Ganze kommt dann nach Österreich zur Qualitätssicherung und geht schließlich in den Verkauf.

Sie bieten auch Service und Reparaturen an?

Die Dolls aus den Laufhäusern bekommen wir regelmäßig für eine Runderneuerung. Die werden dort ordentlich hergenommen. Wir hatten von Bissspuren, Rissen, bis hin zu Messerstichen und Knochenbrüchen schon alles im Programm. Bei einer Puppe waren einmal sämtliche Gelenke gebrochen. Ich muss sagen, ich bin wirklich froh, dass das Puppen sind und keine echten Menschen.

„Ein paar russische Kunden sagen, eine Puppe ist immer noch billiger als eine reale Frau.“

Wie wird die Doll dann anschließend gereinigt?

Da das Material aus dem medizinischen Sektor kommt, ist es schmutzabweisend. Das Ejakulat in der Puppe – wenn der Kunde ohne Kondom mit ihr verkehrt – wird mit einem Pumpensystem gereinigt. Per Spritzsystem wird die Puppe mit einer Seifenlauge gefüllt. Sobald das Innenleben der Puppe gesättigt ist, also genug Feuchtigkeit aufgenommen hat, weist das Material alles andere ab. Diese rinnt dann vollkommen raus und bleibt nicht an der Puppe haften. Im schlimmsten Fall muss die Vagina ausgetauscht werden. Das kostet um die 100 Euro.

Wie eng glauben Sie, ist die Beziehung zu den Puppen? Kann das auch ins Krankhafte führen?

Wir bekommen laufend Fotos von unseren Kunden zugeschickt. Die Puppen tragen zum Teil Schmuck im Wert von 30.000 Euro und sind in teuerste Dessous gekleidet, sitzen im Ferrari und solche Scherze. In diese Puppen wird richtig viel investiert. Ich habe ein paar russische Kunden, die sagen, eine Puppe ist immer noch billiger als eine reale Frau.

Also ich wäre da günstiger im Verbrauch ...

(Lacht). Wir haben auch Puppensammler, die haben nicht mal Verkehr mit den Dolls. Voll im Trend sind auch diese Babysilikonpuppen. Einer hatte schon hunderte von denen und ließ sich dann eine Mama dazu produzieren. Oder einmal bekam ich ein Foto von einem Bauer zugeschickt, der hatte seine Doll unter einem Regenschirm in einer Badewanne auf dem Acker platziert. Sie sollte ihm wohl bei Wind und Wetter bei der Arbeit zusehen.

„Die Doll hilft dabei, die komplette Vereinsamung zu verhindern.“

Macht das insgesamt nicht unendlich einsam?

Ganz im Gegenteil, ich empfinde das ganz anders. Der Mensch kann sich entscheiden, wenn er aus einer Beziehung rausgeht, ob er alleine bleiben möchte und eventuell vereinsamen, oder ob er mit einer Puppe zusammenleben möchte. Ist doch ein absolut menschliches Agieren, anstatt eben gar nichts mehr zu haben.

Er könnte ja auch rausgehen und reale Frauen treffen ...

Ja sicher, aber nach einem Beziehungsende ist da eine persönliche Mauer da, diese mal zu überwinden, dauert bei jedem Menschen unterschiedlich lange, und einige kommen nie davon weg. Die Doll hilft dabei, die komplette Vereinsamung zu verhindern.

In Japan versorgt die Regierung ihre Arbeiter an entlegenen Außenposten seit den 1950er-Jahren mit Sexpuppen ...

Ich denke, dass das auch im sozialen Bereich so funktionieren könnte. Leute, die gehandicapt und pflegebedürftig sind, die keine sexuellen Kontakt haben können, haben genauso ein Recht auf sexuelle Befriedigung. Diese Menschen werden bis zu ihrem Tod gepflegt, aber diese Bedürfnisse werden ignoriert. Wir könnten da mit Sexpuppen Abhilfe schaffen.

„Kinderpuppen sind nur Laufhäusern vorbehalten.“

Die Krankenkassa könnte die Kosten übernehmen ...

Das wäre für uns wünschenswert, aber dazu müsste die Regierung viel offener sein. Ein Linzer Pensionist bestellte mal für seinen – seit der Geburt körperlich und geistig schwerst behinderten – Bruder eine Doll, damit der eben auch endlich seine Sexualität ausleben kann. Das hat mich sehr berührt. Er hat dafür seine ganzen Ersparnisse ausgegeben.

Produzieren Sie auch Kinderpuppen?

In meinem Betrieb habe ich das so gelöst, dass wir an unsere Privatkunden keine Dolls unter der Größe von 148 cm verkaufen, das entspricht einer kleinen Frau. Kinderpuppen sind nur Laufhäusern vorbehalten, dort findet das unter kontrollierten Umständen statt. Da können wir das vertreten, dieser „Fetisch“ gehört auch befriedigt. Ich denke mir, wenn so ein Pädophiler Verkehr mit der Puppe hat anstatt mit einem echten Kind, dann hat meine Puppe den Zweck schon erfüllt. Ein Mensch, der die Neugier hat, ist nie befriedigt, der macht das dann irgendwann. So aber hat er die Möglichkeit, das auszuprobieren, er schadet ja niemandem damit.

Die Puppen können auch schon per Knopfdruck mit einem kommunizieren?

Dieser Prozess befindet sich derzeit noch im Entwicklungsstadium. Über eine Software mit selbstlernender künstlicher Intelligenz und über eine App wird man bald steuern können, wie laut und auf welche Art und Weise sie redet oder stöhnt. Nach zwei Monaten Interaktion wird sie dann immer intelligenter antworten.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Auf Platz eins in Europa.

Dieses Interview ist in der Printausgabe #1 „The Private Issue“ erschienen. Sie können das Magazin in unserem SHOP bestellen.

Mr. Li vertreibt seine Sexpuppen von seinem Büro in Hietzing aus. Zur Website der „Real Doll Companion GmbH“ geht´s hier: www.real-companion.com

Der Fotograf Guenter Parth ist mit den legendären Printmagazinen der achtziger und neunziger Jahre wie „Wiener“, „Tempo“ oder „i-D Magazine“groß geworden. Celebrities wie Jerry Hall, Billy Wilder und Quentin Tarantino hatte er schon vor der Linse. Wenn er nicht gerade an diversen Buch- und Kunstprojekten arbeitet, fotografiert er im Auftrag von „10 Magazine“, „Rolling Stone“, „Elle Italia“ und „Elle China“. Unser Interview mit dem Fotokünstler könnt ihr hier nachlesen.

Wie Koal leibt und lebt...

Text: Simon Lehner, Fotos: Simon Lehner

Der österreichische Jung-Fotograf Simon Lehner ist uns seit Langem verbunden. In der ersten Ausgabe des C/O VIENNA Printmagazins – THE PRIVATE ISSUE publizierten wir seine berührende und intime, aber auch unglaublich humorvolle Dokumentation KOAL. Sie zeigt das Leben seines Großvaters Karl im ländlichen Oberösterreich. Wir baten Simon, für diesen Beitrag ein paar Zeilen über ihn zu schreiben. Prädikat: „lesenswert“! 

Die Grenztänzerin

Text: Lena Stefflitsch

Was haben Pirouette, Plié und Pas de deux mit Pornos zu tun? Die formalisierten Ballettposen waren ursprünglich dazu gedacht, „männliche Zuschauer aufzugeilen“, erklärt uns die gefeierte Wiener Choreografin Florentina Holzinger. Ihre Performances brechen mit dem rigiden Schönheits- und Körperkult des klassischen Balletts. Denn die einzigen Grenzen sind die eigenen – und diese gilt es für die widerständige Künstlerin immer wieder zu überwinden. 

Der Sexwork-Lobbyist

Text: Lara Ritter

Wussten Sie, dass es im Byzantinischen Reich nur den Priviligierten vorbehalten war, den eigenen Körper für Sex zu verkaufen? Wie sich die Zeiten ändern! Trajche Janushev veranstaltete diesen September gemeinsam mit anderen Aktivistinnen die Konferenz Red Rules Vienna, für, von und mit Sexarbeiterinnen. Wir sprechen mit ihm über einen Beruf, den es offiziell eigentlich nicht gibt.

Black Beauty

Text: Lena Stefflitsch

Ein Schwimmreifen? Eine Gummiwurst? Ein Windsegel? Eine Auflösung liefert die Fotoserie Guess what I wear under my Burka der Innsbrucker Medien- und Performancekünstlerin Nicole Weniger zwar nicht, dafür wirft sie insbesondere eine Frage auf: Wo ist der Humor geblieben, wenn es um ein Kleidungsstück geht, das bedeckt, versteckt und erschreckt?