Der Zeremonienmeister

Dominoeffekt

Der Österreicher Helmut Kienast ist ein Profi der Inszenierung. Er leitet den Studiengang Event Engineering an der New Design University St. Pölten. Kurzum: Er bringt anderen bei, wie man Events professionell gestaltet und vermittelt. Ein Gespräch darüber, wie eine gute Party klingt und riecht.

Text: Bernardo Vortisch, Fotos: Paul Pibernig

„Wir sind Herdentiere.“

Warum feiern wir?

Es gibt spannende Arbeiten darüber, dass in wirtschaftlich, politisch oder gesellschaftlich schlechten Zeiten die Kleinkunst und das Kabarett große Erfolge feierte, die Kunst im Allgemeinen, das Fest und das Ereignis eine Blüte erlebte. Vielleicht ist jetzt wieder so eine Zeit!? Wir sind Herdentiere, wir streben nach Schönheit und Ästhetik, nach dem, was uns über das reine Überleben erhebt. Wir Menschen haben uns schon immer in einer angenehmen Gesellschaft und Umgebung wohlgefühlt. Wir wollen gemeinsam etwas erleben oder etwas Erlebtes gemeinsam reflektieren.

Klingt glamourös, Ihre Berufsbezeichnung weniger: Event Engineer klingt ziemlich technisch. Erklären Sie bitte Ihren Job für meine Oma – in einfachen Worten!

Event Engineering als Studiengang, aber auch der Begriff, bezieht sich auf das gesamte System Event. Da gehören die technischen Ebenen dazu, von Audio- über Pyro- bis Lichttechnik, aber auch die konzeptionelle, organisatorische und natürlich die wirtschaftliche Seite – denn am Ende des Tages sollte im professionellen Bereich mehr Geld in der Kassa sein als am Morgen. Ganz wichtig ist das Event-Design. Jedes Ereignis vermittelt Emotionen und da kannst du alles noch so gut organisieren, du bietest sie nicht, wenn du dir über die ästhetischen Details nicht im Klaren bist.

Nun aber noch ein konkretes Beispiel für meine Großmutter!

Gut, ein ganz einfaches Beispiel für die Oma: Sie wollen eine riesengroße Geburtstagsfeier veranstalten und am frühen Abend eine Outdoor-Projektion mit Ihrem Namen und einem Porträt auf Ihr Haus werfen. Wenn das technisch nicht möglich ist, weil es etwa bei der Ankunft der Gäste noch zu hell ist, brauchen Sie das gar nicht erst einplanen. Wenn doch, dann muss es leistbar sein.

„Ein Dominoeffekt.“

Und wenn es leistbar ist ...

... dann sollte jemand die Technik liefern, sie auf- und abbauen. Ist das Equipment versichert, wenn es regnet? Und dann das Timing: Erfüllt die Projektion ihren Zweck, wenn sie erst beim Feiern im Garten hinterm Hause zu sehen ist? Ästhetischer Aspekt? Ist das Foto lustig, ernst, von diesem Jahr oder als Oma jung war? Man muss das System Event als Ganzes managen und wie das geht, kann man tatsächlich lernen und studieren.

Jetzt bitte die Zauberformel! Was ist das Geheimnis eines guten Events?

Ein Erlebnis ist ein Prozess, der wie ein Dominoeffekt funktioniert. Eine Entscheidung bedingt die andere. Der deutsche Eventmanager Chris Cuhls hat mal gesagt, erfolgreiches Eventmanagement bedinge, dass alle Parameter hundertprozentig funktionierten. Wenn auch nur ein kleiner Teil ausfällt, wird das Ereignis scheitern. Es könnte die perfekte Location zum perfekten Thema sein, das Ticketing funktioniert und die Kulinarik auch, aber wenn die Soundanlage nicht cool klingt oder der Parkplatz schlecht beschildert ist, wird es scheitern. Wenn sich ein Rad nicht dreht, bemerken die Gäste das sofort. Wenn etwas gut geplant ist, wird es als selbstverständlich genommen.

In Ihrem Buch „Das Event als kommunikationswissenschaftlicher Prozess“ habe ich in der psychologischen Sektion das Unterkapitel „Der olfaktorische Faktor“ gelesen. Wie riecht ein gutes Event?

Wir besitzen fünf Sinne. Ich kann die hundertprozentige Erlebnisvermittlung nur dann erfolgreich realisieren, wenn ich es schaffe, alle diese fünf Sinne bei den Rezipientinnen anzusprechen, alle, eben auch den olfaktorischen Sinn. Man kann bestimmte Themen über den Geruchssinn besser als andere vermitteln, zum Beispiel bei einem Weihnachtsmarkt. Da würde man mit Zimt, Tannenzweigen und Kastaniengeruch arbeiten.

„Alle fünf Sinne ansprechen.“

Bei einem Event, auf einer Party oder im Club spielt immer Licht eine wichtige Rolle. Warum ist das so?

Es gibt in der Farbpsychologie wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass bestimmte Farben bestimmte Emotionen auslösen. Als einfaches Beispiel: Blau wird als eher kühl und herausfordernd wahrgenommen, aber es vermittelt auch Weite und Freiheit. Rot ist eine warme Farbe, die aber auch Schärfe vermittelt. Wenn ich mit Eventmarketing Tabascosoße präsentieren soll, hätte ich einen Widerspruch mit dem Produkt selbst, wenn ich das mit blauem Licht aufbereiten würde. 

Repetitive Musik und Sprache, Bühne, Ritual, Rauch, der Geruch nach Weihrauch, buntes Licht durch Glasscheiben, Kollekte, alles da! Hat die katholische Kirche mit der Messe das perfekte Event erfunden, ist die Messe die Vorläuferin des Clubs oder der Disco?

Den Kontext habe ich so noch nie betrachtet (lacht)! Erlebnisgestaltung gibt es aber schon so lange, wie es Menschen gibt, da hat die Kirche nicht das Copyright darauf. Schon früher sind Menschen in irgendwelchen Höhlen gesessen, haben mit bespannten Fellen und Holzknüppeln auf die Wände geschlagen, so Musik gemacht, dazu getanzt oder Jagdrituale zelebriert.

„Manipulation ist grundsätzlich nichts Schlechtes.“

Wie man feiert, hängt mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren zusammen?

Immer. Denken wir an das Dritte Reich, seine Protagonisten waren Meister der Inszenierungen von Macht und Masse im negativen Kontext. Auch Streaming-Events sind Ergebnisse einer Pandemie. Man denke an die ausufernden Partys von Ludwig dem 16., der Ballons über Versailles fliegen ließ, um den europäischen Adeligen zu zeigen, dass er der Sonnenkönig ist, während das Volk hungerte. Man kann sehr viel über Sozialgeschichte aus der Eventhistorie lernen und umgekehrt.

Wann geht Inszenierung in Manipulation über? Wo ist die Grenze?

Manipulation ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Man will mit einem Erlebnis bestimmte Wirkungen erreichen, ob positiv oder negativ. Die Manipulation wird dann gefährlich, wenn sie etwas suggeriert, was nicht real ist oder anderen schadet. Zum Beispiel die Inszenierung von Fake News, dann kippt die Manipulation und wird gefährlich, wie man jetzt in Russland sieht.

Vielen Dank für das Interview!

Helmut Kienast ist Oberösterreicher, lebt aber seit seiner Studienzeit in Wien, wo er auch seine eigene Firma für Eventtechnik, Soundedition, gründete. Der studierte Kommunikations- und Musikwissenschaftler ist seit 2011 Leiter des Studiengangs Event Engineering an der New Design University in St. Pölten. 

Der Architekturpsychologe

Text: Maria Schoiswohl

Riklef Rambow ist kritisch. Gegenüber allen Romantikerinnen, die eine „Stadt für alle“ fordern, argumentiert er, dass diese im Grunde nur funktioniert, wenn sie bis zu einem gewissen Grad ausgrenzt. Aufs Land zu ziehen kann belasten, zu viele Frei- und Grünflächen in der Stadt können auch ziemlich öd geraten. Der Trend zum Mikrowohnen ist zwar hip, mit 40 will dann aber spätestens doch jede ein Zimmer für sich und jedes Kind. Vom hehren Ideal und der harten Realität. 

Der Protest

Text: Elisa Promitzer

„Proteste müssen stören, sonst sind sie wirkungslos.“ Wir sprachen mit dem deutschen Künstler Stephan Mörsch, der sich mit einer Baumhaussiedlung im Hambi, dem Hambacher Wald, auseinandersetzt, über Barrikaden, Camps und Sekundenkleber. Demonstrierende wollten dort die Bäume vor der Abholzung für den Braunkohleabbau schützen und entwickelten eine ziemlich clevere Methode des Widerstands. Gemeinsam erkunden wir sein maßstabgetreues Hängemodell des Barrios „Beechtown“, und diskutieren, wie sich architektonische Proteste weltweit unterscheiden und doch verbinden.

Baumhaussiedlung im Hambacher Wald, 2012–

Die Geschichtenerzählerin

Text: Jakob Winkler

Die in Graz geborene Wahl-New Yorkerin Jana Sintschnig liebt es, Geschichten zu erzählen. Diese Leidenschaft macht sie vor, hinter und rund um die Kamera zum Beruf. Uns erzählt sie über ihre Beziehung zu Wien, warum sie gerne Ärztin wäre und dass sie gerne einmal auf den Mond fliegen würde.