Die in Graz geborene Wahl-New
Yorkerin Jana Sintschnig liebt es, Geschichten zu erzählen. Diese
Leidenschaft macht sie vor, hinter und rund um die Kamera zum Beruf. Uns
erzählt sie über ihre Beziehung zu Wien, warum sie gerne Ärztin wäre
und dass sie gerne einmal auf den Mond fliegen würde.
Jana Sintschnig: Ich lese gerade Tschechow und finde es total spannend zu sehen, wie die Zeit und das Umfeld, in der ein Stück geschrieben wurde, die beschriebenen Figuren beeinflussen, ihre alltäglichen Gespräche und Handlungen.
Was beeinflusst uns heute?
Technologie! Überleg mal, wie schnell sich dadurch unser Leben verändert hat. Kannst du dir zum Beispiel noch vorstellen, wie man sich damals ohne Handys verabredet hat. Oder wie man heute mit dem Handy seinen Weg navigiert.
Das stimmt. Und mit dem Blick auf das Handy nehme ich meine Umwelt anders und weniger bewusst wahr! Du arbeitest als Filmproduzentin, (Drehbuch-) Autorin, Model und Schauspielerin. Wie würdest du dich selbst kurz beschreiben?
Darüber mache ich mir gerade selbst Gedanken (lacht). Als Drehbuchautorin schreibe ich meine eigenen Geschichten, als
Produzentin oder Schauspielerin helfe ich die Geschichten von Anderen zu
erzählen.
Das heißt, du bist gerade „in the making“?
Ja, schon ein bisschen. Ist man nicht immer irgendwie „in the making“ und ein Schüler?
Du bist ja auch erst 27 Jahre alt, ist ja nun nicht so wahnsinnig alt. Du bist vor acht Jahren als junges Mädchen zum Filmstudium in die USA übersiedelt. Heute bist du erfolgreich im Filmgeschäft tätig und wir sitzen in deinem Penthouse in DUMBO mit Blick auf den East River und Lower Manhattan. Lebst du den „American Dream“?
Das gefällt mir sehr gut, wie du mein Leben beschreibst (lacht). Aber so fühlt sich das überhaupt nicht an, sondern es ist für mich immer noch wie eine Reise. Aber vielleicht ist die Reise das Spannendste. Eine Zeit lang habe ich mir gedacht, es wäre so toll, Ärztin zu sein. Da gibt es einen klar vorgegeben Weg. Das bedeutet Sicherheit. Gleichzeitig weiß ich, dass ich den klaren Pfad nie gehen wollte.
Sicherheit gibt es ja heute kaum mehr. Wer hat nach seinem Studium schon einen Job, den man sein Leben lang ausüben kann? Man wird gezwungen, flexibel sein!
Ich könnte das nicht einmal, ein Leben lang einen Beruf ausüben. Bei all den Problemen, die diese Flexibilität mit sich bringt, kann sie auch bewirken, dass man wagemutig bleibt und nicht einschläft.
„Ich ziehe nach Amerika. Es war mir schon damals klar."
Stehst du nie unter Druck? Hast du auch das Gefühl, dass die Anforderungen an unsere Generation hoch sind? Der Impetus vom Besonderen und Individuellen, Selbstoptimierung auf persönlicher und beruflicher Ebene...
Total! Ich mache mir viel Selbstdruck, aber auch die Gesellschaft um mich herum. Ich versuche bewusst zwischen dem zu unterscheiden, was ich will, und dem, was mir von der Gesellschaft auferlegt wird. Im Endeffekt musst du lernen, dich selbst zu schätzen und in dir selbst das Besondere zu finden. Wenn man darauf hofft, dass die Außenwelt einem Bestätigung gibt, dann ist man eigentlich schon verloren.
Was würdest machen, wenn du alle Möglichkeiten und alles Geld der Welt hättest?
Zum Mond fliegen.
Du bist ständig am Tun, hast laufend neue Projekte am Start. Kurzfilme schreiben, ein Konzept für einen Spielfilm, Schauspielerin in der Webserie G.R.O.P.E. Wie geht sich das alles aus?
Ich stehe sehr früh auf (lacht). Nein, es ist tatsächlich einfach eine gute Planung des Tagesablaufs. Deshalb fällt mir wahrscheinlich auch das Produzieren so leicht.
Wenn du einen Moment in deinem Leben rückgängig machen könntest, welcher wäre das?
Den letzten Zug vom Joint.
„Die größte Herausforderung ist, Freiraum zu lassen für spontane Dinge, weil die am meisten inspirieren."
Janas Zuhause in New York.
Warum bist du damals mit 19 aus Österreich weg und warum gerade in die USA?
Ich stelle mir die Frage manchmal selbst. Ich habe mit 13 auf einmal zu meiner Mutter gesagt, ich ziehe nach Amerika. Es war mir schon damals klar.
Was sind die Unterschiede zwischen New York und Wien – in drei Eigenschaften?
New York ist schneller, Wien ist langsamer oder irgendwas Schlimmes (lacht). In Wien gibt es tiefgründigere Gespräche, in New York mehr.
Hat sich dein Bild von Wien geändert, seitdem du weggegangen bist?
Ja, sehr! Durch mein Weggehen habe ich erkannt, wie toll Österreich ist und was für eine unglaubliche Stadt Wien eigentlich ist. Natürlich romantisiert man auch etwas – vor allem am Anfang (lacht).
Das heißt, man braucht Abstand von Wien, um es schätzen zu lernen?
Genau (lacht)
Hat sich Wien verändert, seitdem du weggezogen bist?
Total. Leute betätigen sich viel kreativer, sie machen wirklich etwas und reden nicht nur darüber. Das betrifft vor allem den künstlerischen, städtischen, sozialen Bereich. Es ist bunter geworden, es ist nicht mehr so eintönig.
„Wien ist wie eine gute Freundin und New York wie ein überwältigender Gott."
Hat sich der Ruf Wiens im Ausland geändert? Es ist ja lustig, wie die deutsche Sprache hier in den USA auf einmal als unheimlich cool und Berlin als die hippste Stadt der Welt gilt. Wo steht da Wien?
Ich glaube die meisten Amerikaner wissen nicht so viel über Wien und wenn doch, sind es immer die gleichen Klischees wie klassische Musik, historische Architektur und die Sachertorte. Aber letztes Jahr war ich mit amerikanischen Freunden in Wien und die haben die Stadt unheimlich toll gefunden – und das nicht wegen der klassischen Dinge –, sondern auch aufgrund der lebendigen, jungen und kreativen Stimmung. Das wäre vor zehn Jahren nicht so gewesen!
Was macht Wien für dich aus?
Wien ist für mich eine Stadt der Künstler und der Intellektuellen, die aber auch ordentlich einen drauf machen können: rauchen und
trinken, die sich aufregen, im Kaffeehaus sitzen. Ich weiß nicht, ob ich
das so gut in Worte fassen kann. Ich würde das gerne mit einem Foto
zeigen. Ich habe das Gefühl, dass die reiche Geschichte Wiens – sowohl
positiv als auch negativ – heute produktiv genutzt wird. Das gilt für
den kreativen Bereich, wo die lange Tradition von Kunst weitergetragen
und -entwickelt wird. Aber auch im sozialen Bereich. Da hat man viel
gelernt. Heute ist Wien eine Stadt, die sich um ihre Bürger kümmert. Und
das war nicht immer so.
Was magst du an Wien am meisten, was hasst Du?
Ich liebe es im Kaffeehaus zu sitzen. Da kann sich Berlin was abschauen! Und was ich nicht mag? Wien ist so grau! Und der Wind ist brutal im Winter, der ist wirklich zum Kotzen.
Wie schaut das Wien Deiner Zukunft aus?
Wien hat extrem viel Potential. Die Stadt kann sich noch weiterentwickeln und kann ein noch fruchtbarerer Boden für kreative Menschen und für innovative Lebensentwürfe werden. Die hohe Lebensqualität in der Stadt könnte Menschen wirklich die Freiheit geben, an coolen Sachen zu arbeiten, neue Dinge zu erfinden und möglich zu machen. Das ist das große Potential der Stadt.
Und ein Negativszenario...?
Ich hoffe, dass sich die Wiener nicht selbst im Weg stehen. Es gibt schon nach wie vor noch eine Tendenz viel zu reden und wenig zu machen. Und auch die Angst anders zu sein, die haben in Österreich viele.
Wenn du dich endgültig entscheiden müsstest: Wien oder New York?