Die Hoteldesignerinnen

temporäres zuhause

Ob Lost in Translation oder The Grand Budapest Hotel – zahlreiche Perlen der Kinogeschichte spielen im Sehnsuchtsort Hotel. Aber wie sieht dieser Ort in der digitalen Moderne des Jahres 2019 aus? Wir haben anlässlich der Eröffnung des Hotels Andaz am Belvedere in Wien mit den Architektinnen und Interior-Designerinnen Carmen Dumitrescu und Gabriel Kacerovsky vom Wiener Architekturbüro archisphere über aktuelle Trends, das Phänomen Airbnb und das Wohnzimmer von Prinz Eugen gesprochen. 

Text: Viktoria Kirner

„Hotels sind die Generalprobe für das echt Leben.“

Was ist das zentrale Objekt in einem Hotelzimmer?

Carmen Dumitrescu: Das Bett. Und die Dusche. Das sind die Basics, die passen müssen. Wenn das nicht der Fall ist, ist es eine Themenverfehlung.

Abgesehen von mangelnder Sauberkeit – was kann man bei einer Dusche falsch machen?

C. D.: Mittlerweile ist durch moderne Technologien so vieles möglich, gerade im Hoteldesign. Manche Hotels neigen daher dazu, gewisse, eigentlich simple, Dinge überzutechnologisieren. Das fängt bei kompliziert dimmbarer und farbwechselnder Zimmerbeleuchtung an und endet bei einer Tropenregendusche, die gefühlte 17 verschiedene Knöpfe und Funktionen hat.

Ich war unlängst in einem Hotel in der Schweiz, in dem ich morgens ernsthaft 20 Minuten gebraucht habe, um die Dusche zum Laufen zu bringen. Wenn ein Gast auf Geschäftsreise nach einem langen Arbeitstag mit so komplizierten Sachen konfrontiert wird, wirft er im wahrsten Sinne das Handtuch. Derartiges Aggressionspotenzial gilt es unbedingt zu vermeiden.

Apropos Badezimmer – die ersten Bäder mit fließendem Wasser gab es in Hotels, ebenso die allerersten Telefone. Inwiefern kann ein Hotel Vorreiter für gewisse Trends und selbst Trendsetter sein?

Gabriel Kacerovsky: Hotels sind sozusagen die Generalprobe für das echte Leben. Viele Trends zeigen sich zuallererst in Hotels: Zeitgenössische Strömungen in der Kunst, der Mode, in Essenskonzepten kann man häufig zeitnah hier erkennen. Neben den ersten Bädern und Telefonen gab es übrigens auch die erste komplette Elektrifizierung in einem Grandhotel. 

„Wir befinden uns im Wohnzimmer des fiktiven Nachfahren von Prinz Eugen.“

Beim Hoteldesign sind sowohl wirtschaftliche als auch funktionale und emotionale Aspekte zu berücksichtigen. Welche emotionalen Aspekte spielen in Ihrer Planung eine Rolle?

G. K.: Architektur ist grundsätzlich eine emotionale Sache. Der Markt ist hart umkämpft. Um sich von anderen Hotels abheben zu können, muss man in den Gästen emotional etwas auslösen und sie eine gewisse Geschichte rund um ihren Aufenthalt erleben lassen.

Die Geschichte im Hotel Andaz handelt von einem fiktiven Nachfahren des Prinzen Eugen. Ein Hausherr, der nie in Erscheinung tritt und ein Kosmopolit Wiener Prägung ist. Das ist jemand, der sein Leben in Wien verbracht, die Welt bereist und Kunst gesammelt hat – und der nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder zurückkommt und es sich in seinem Wohnzimmer gemütlich macht.

Wir befinden uns also im Wohnzimmer von Prinz Eugen. Sieht 2019 so die ideale Hotellobby aus? Was ist das Allerwichtigste, wenn man ein Hotel betritt?

C. D.: Man muss beim Betreten eines Hotels einerseits sofort die richtigen Ansprechpersonen finden und gleich erkennen, an wen man sich wenden kann, sich aber andererseits auch wie zu Hause fühlen. Häufig verliert man sich in Ankunftshallen von Hotels in monumentalen, leeren Räumen, in deren Mitte die Rezeption thront. Die moderne Hotellobby möchte den Menschen vielmehr auf Augenhöhe begegnen: Sie sollen sich schon beim Ankommen wie in ihrem eigenen Wohnzimmer oder – wie in unserem Fall – wie im Wohnzimmer von Prinz Eugen fühlen. 

In den vergangenen Jahren ging der Trend also weg von überdimensionierter Unendlichkeit, hin in Richtung Wohnzimmer-Feeling?

G. K.: Genau. „Die“ Hotellobby gibt es so nicht mehr. Ich meine, klar gibt es nach wie vor die Konferenzhotels mit den riesigen Lustern – aber das ist nicht unser Anspruch. Unser Gast soll beim Betreten im Wohnzimmer des Wiener Kosmopoliten landen, durch seine Sammlung zeitgenössischer Kunst in der Empfangshalle streifen, sich mit einem guten Buch in einen gemütlichen Ohrensessel fallen und die Gedanken schweifen lassen – und sich eben an das eigene Wohnzimmer erinnert fühlen. Auch wenn dieses hier vermutlich eine Spur größer ist ...

Vermutlich. Hotel und Hotelgäste begegnen sich also mittlerweile vermehrt auf Augenhöhe. Gefragt sind Authentizität und Charakter. Spielen diese Faktoren Ihrer Meinung nach auch bei der Beliebtheit von Airbnb eine Rolle?

G. K.: Man kann aus dem Erfolg von Airbnb ganz bestimmt ablesen, dass standardisierte Räume für viele Menschen nicht mehr genug sind. Wenn man mit der Airbnb-Gastgeberin morgens gemeinsam in der Küche steht, vermittelt das ein Gefühl von Echtheit – und man fühlt sich der wahren Experience eines (Urlaubs-)Ortes ein Stückchen näher. Mitten drin im Leben sozusagen. Diese Authentizität und Individualität sucht der Gast heutzutage.

Inwiefern kann man als Hoteldesignerin auf diesen Trend rund um Authentizität und Individualität reagieren?

G. K.: Das kann man mit mehreren, teils auch kleineren Gesten vermitteln: In unserem von außen auch für Laufkundschaft zugänglichen Take-away-Café namens „Cyclist“ begegnet man dem Personal auf Augenhöhe, denn das Café ist gleichzeitig unsere Mitarbeiterkantine. Das ist ein ähnlicher Zugang wie bei Airbnb: Der Gastgeber, bei dem ich Gast bin, sitzt mit mir gemeinsam am Tisch. 

C. D.: Auch bei den Hotelzimmern haben wir versucht, durch gewisse Einrichtungselemente Vertrautheit und Gemütlichkeit zu erzeugen und die Brücke zu unserer Story des Wiener Kosmopoliten zu schlagen: Die Idee war, Elemente hineinzubringen, die Wiener Flair und einen gewissen Altbaucharakter vermitteln. 

G. K.: Unsere Inspiration war die klassische Wiener Altbauwohnung. In unseren Zimmern gibt es überall Fischgrätparkett, die Wände sind wie in Altbauwohnungen weiß gestrichen. Dadurch wirkt alles sehr hell und großräumig – im Gegensatz zu Zimmern vieler anderer Hotels, in denen häufig alles überladen, mit schweren Vorhängen behangen und mit dunklen Tapeten zugekleistert ist.

„Standardisierte Räume sind für viele Menschen nicht mehr genug.“

In Hotels gibt es vermehrt Entertainment-Möglichkeiten und Gemeinschaftszonen. Geht der Trend heute eher in Richtung Public Areas als in Richtung Privatsphäre?

G. K.: Absolut. Hotels sind wieder im Zentrum des Lebens angelangt. Das klassische Grandhotel des 19. Jahrhunderts war ursprünglich ein Ort des Zusammenkommens der Gesellschaft. Es waren die Plätze, an denen man gegessen oder Kaffee getrunken hat. Im Laufe der Zeit hat sich das wiederum in eine andere Richtung bewegt, in der Privatsphäre zunehmend wichtiger wurde. Die Hotellobby von vor 20 Jahren war beispielsweise menschenleer. 

C. D.: Vor allem die Einheimischen waren lange Zeit überhaupt nicht involviert oder erwünscht. Aus dem Gastronomieangebot in Hotels hat man die „Locals“ lange Zeit bewusst rausgehalten. 

Manche Hotels in Wien bieten mittlerweile in ihren Bars öffentliche Clubbings an oder haben hauseigene, für die Öffentlichkeit zugängliche Kinos. Wie bindet man 2019 die lokale Bevölkerung ins Hotelgeschehen mit ein?

G. K.: Beispielsweise durch gestalterische Elemente: Sowohl unser Café als auch das Restaurant und die Skybar sind direkt von außen zugänglich, ohne dass man durch die Hotellobby muss. In die Skybar gibt es zum Beispiel einen Expresslift. Man sieht erst auf den zweiten Blick, dass man sich in einem Hotel befindet. Wir wollen Offenheit und Zugänglichkeit für alle vermitteln, die hier zufällig vorbei spazieren.

Was war der kurioseste oder ungewöhnlichste Designauftrag, den Sie bisher hatten?

G. K.: Also über Aufträge für sogenannte Private Residences spricht man ja häufig nicht, da die Auftraggeberinnen Personen sind, die in einem gewissen Licht der Öffentlichkeit stehen. Mein kuriosester Auftrag in so einer Residence war die Planung einer Schwimmgrotte für ein 4.000 m² großes Privathaus – 13 Meter unter der Erde! Die Grotte hatte allerlei verrückte Features, alleine die Schwimmfläche hatte 250 m², man konnte auf zwei Etagen hineinspringen, es gab Wasserfälle, Whirlpools, Lichtspiele, Nebel ... 

Klingt nach Spaß!

G. K.: Stimmt, das war nicht nur der kurioseste, sondern auch in der Umsetzung spaßigste Auftrag.

Danke für das Gespräch!