Die Kunstmanagerin

female superpowers

Ema Kaiser-Brandstätter kann eines besonders gut: vernetzen. Nach Jahren im internationalen Kunst-Jetset hat sie sich in Wien niedergelassen. Sie kuratiert Ausstellungen, verkauft Kunst und berät Sammlerinnen. Ein Gespräch mit der Salonière über Frauen-Salons, Glamour und Feminismus. 

Text: Antje Mayer-Salvi

„Ready to go!“

Antje Mayer-Salvi: Guten Morgen! Was tust Du als Erstes nach dem Aufstehen?

Ema Kaiser-Brandstätter: Einen Kaffee trinken und danach zwei Stunden schweigen. Dann wache ich auf.

Schon bereit zu reden?

Absolut, bitte.

Was ist ein gelungenes Leben für Dich?

So ein Tag wie heute. Du sitzt in einem spannenden Art Space wie der Galerie Iko-Art, die mein toller Kollege Iko betreibt, gibst ein Interview, sprichst über das, was dich bewegt. Die Skulpturen stehen, die zweidimensionalen Arbeiten hängen. Ready to go! Das Beste ist, dass die Hälfte der Art Works von weiblichen Künstlerinnen stammt, dafür habe ich persönlich gesorgt. Heute Abend kommt die Wiener Kunst-Crowd zur Ausstellungseröffnung. Mein cooles Team hat alles gegeben. Solche Tage sind wunderbar!

Warum ist es Dir so wichtig, dass die Hälfte der Künstlerinnen in dieser Ausstellung weiblich ist? Mir persönlich ist das Geschlecht des Artists herzlich egal.

Weil es immer noch so ist, dass für künstlerische Arbeiten von Frauen weniger gezahlt wird, das ist nachweisbar. Sie werden weniger ausgestellt, sind somit auch weniger in der Öffentlichkeit präsent, und kaum eine Galerie hat mehr weibliche als männliche Künstler in ihrem Portfolio. Meine persönliche Lebensaufgabe sehe ich im „Female Empowerment“.

„Einfach machen!“

Dieses Feministinnen-Ding ist ein bisschen Mode gerade, oder?

Wenn es Mode ist, ist es doch super. Für mich ist das eine neue Lebensaufgabe. Mir geht es nicht darum, Männer auszuschließen oder eine Wertung zwischen Frau und Mann vorzunehmen, sondern dabei zu helfen, dass Frauen gleichviel Macht erhalten. Wenn wir Frauen unsere Netzwerke ausbauen, uns gegenseitig helfen, nicht neidisch aufeinander sind, Informationen teilen, ist das ein ganz großer Schritt.

Du lädst mit OK-Kuratorin Lotte Puschmann in unregelmäßigen Abständen zu Frauen-Salons im altehrwürdigen – und kürzlich frisch renovierten – Looshaus am Michaelerplatz. Letzens gab Theresa Rotschopf ein Konzert, die deutsche Schriftstellerin Helene Hegemann las vor, und Anita Schmid zeigte ihre tollen Kunstwerke. Fantastisches Line-up, und das weibliche Who’s Who der Stadt war zugegen. Ihr finanziert das sogar aus eigener Tasche. Männern ist der Zugang untersagt. Warum?

Die Boys haben doch auch ihre Männerclubs. Wir gönnen uns das eben auch (lacht). Das sind so lustige Abende in diesem – ja, ziemlich männlich angehauchten – mondänen Ambiente von Macho Loos. Es wird gelacht, genetzwerkt und diskutiert, die Schuhe werden ausgezogen. Keine macht sich für einen Typen schön, das Balzen entfällt. Das ist einfach gut.

„Die Boys haben doch auch ihre Männerclubs.“

Bist Du dann in Deinem Element?

Ja, das kann ich besonders gut: kommunizieren, Leute vernetzen, sie zusammenbringen, wohlgemerkt die richtigen Menschen zusammenbringen und Künstlerinnen entdecken. Ich berate Sammlerinnen und Sammler, verkaufe Kunst, kuratiere Ausstellungen und veranstalte Salons für und mit Frauen. Und: ich mag nicht lange lamentieren – einfach machen! 

Kann das Vernetzen im Grunde nicht jede?

Im Grunde schon, aber in der Praxis nicht. Du musst dich mit den Menschen beschäftigen, du solltest wissen, was sie tun, wie sie arbeiten, wie sie ticken, nur so erkennst du auch die Schnittmenge mit anderen Persönlichkeiten. Vernetzen klingt immer so einfach. Viele sagen, das läge bei Frauen in den Genen. So ein Blödsinn! Da steckt viel Arbeit, professionelle Recherche und Empathie dahinter! Das ist weder typisch weiblich noch angeboren.

Was kannst Du gar nicht?

Ich selbst bin überhaupt nicht künstlerisch begabt, kann weder singen noch irgendwas zeichnen, ich bin bestenfalls kommunikativ kreativ, aber ich liebe die Kunst. Deswegen besitze ich so großen Respekt vor künstlerischem Tun und kann meine Rolle als Vermittlerin auch so gut ausfüllen, denke ich. 

„Vernetzen klingt immer so einfach. Viele sagen, das läge bei Frauen in den Genen. So ein Blödsinn!“

Du bist eigentlich Yugo, darf ich das sagen?

Aber ja! Ich bin eine Integrations-Vorzeige-Yugo par excellence! Mit 16 Jahren kam ich aus Zagreb nach Wien. Ohne meine Eltern. Das Gros der Serben ging nach dem Krieg nach Paris, wir Kroaten nach Wien. Ich bin damals als Model für die Vanessa-Beecroft-Ausstellung in der Kunsthalle Wien gebucht worden, da war ich erst 17 Jahre alt, meine Mutter musste noch eine Genehmigung unterschreiben, meine Klassenkameraden im Theresianum waren geschockt ...

Das war im Jahr 2001! Eine feministische Arbeit, die die Frau als Ware thematisiert. Dieses bekannte Bild, für das eine Armee nackter, junger Mädchen, nur mit schwarzen Helmut-Lang-Overknee-Socken bekleidet, von Beecroft zum Gruppenbild gebeten wurden?!

Genau, ich hätte damals lieber einen Druck von diesem Bild fordern sollen als das Honorar von der Modelagentur. Das Bild ist inzwischen sicher viel Geld wert. Das war die Initialzündung für meine Liebe zur Kunst. Das Umfeld war so spannend. Ich hatte vorher nur wenig Berührung mit der Art-Welt. Dann folgte meine Arbeit bei Cartier, das war aber noch im PR-Bereich. Und dann warb mich Gründer Reiner Opoku vom Schweizer Art- und Kulturfestival St. Moritz Art Master ab.

Dann wurde es glamourös in Deinen Leben!?

Richtig glamourös. Ich flog auf der ganzen Welt herum, da war ich gerade einmal Anfang 20, war viel in L.A., St. Moritz, Mailand, Miami, London, wir saßen mit den namhaftesten Künstlern wie LaChapelle, Julian Schnabel, Richard Long oder Mike Kelley an einem Tisch. 

Alles männliche Künstler ...

Die internationale Kunstszene ist total männlich dominiert, die Frauen servisieren sozusagen. Ich dachte anfangs, das wären alles meine Freunde, völlig naiv. Dann heuerte ich bei der Wolfgang-Roth-Galerie in Miami an, und über ein paar Umwege landete ich als Pressesprecherin von Francesca von Habsburg im TBA21 in Wien, wo ich die Ausstellungen mit Ernesto Neto und Ólafur Elíasson mitbetreute.

Bei TBA21 war damals die personelle Fluktuation enorm groß ...

Ich will da professionell bleiben und äußere mich nicht dazu. Ich finde, Francesca von Habsburg macht richtig gute Projekte auf internationalem Topniveau, auch weil sie sich traut, verschiedenste Formate auszuprobieren. Oh Gott, ich erinnere mich noch an ein Interview, das die Journalistin und Autorin Nicole Adler gemeinsam mit Francesca und Ólafur hielt, und irgendwie alles schiefzulaufen drohte. Es geriet fast zu einer Katastrophe, doch letztlich wurde daraus ein fantastischer Text, wir beide wurden Freundinnen und lachen heute noch darüber. Wir arbeiten mittlerweile sehr eng zusammen und entwickeln Formate für und mit Frauen. Heuer luden wir zusammen zum „For Women Only“-Talk ins MAK ein, im Rahmen des Fast Forward Festivals. Da waren weibliche Kreative wie Modedesignerin Marina Hoermanseder oder Swarovski-Kreativdirektorin Carla Rumler auf der Bühne mit uns.

„Die Kunstszene in Wien läuft Berlin den Rang ab.“

Vermisst Du den Glamour?

(Zögert) Nein, ich bin inzwischen über 30 Jahre alt, Mutter einer sechsjährigen Tochter, mein privates und geistig-künstlerisches Zuhause ist Wien. 2015 kam ich ins Team der Kunstmesse Parallel und sah schon, dass die Jungs dort eher Jungs ausstellen. Das war irgendwie auch der Auslöser für mein Female-Empowerment-Ding. Meine geistige verbündete dabei war Nicole Adler, mit der ich als Erstes ein nachhaltiges Konzept in diese Richtung entwickelte. Unsere ersten gemeinsamen Projekte waren 2017 der Salon mit Michaela Schwarz-Weismann, die Ausstellung mit Marina Sula und Olivia Coeln mit einer großartigen Soundperformance von Battle_Ex. Jetzt im Herbst kommt das Side-Projekt der viennacontemporary in Kooperation mit Galerie Krinzinger – die einmonatige Ausstellung mit der Künstlerin Eva Schlegel im privaten Rahmen.

Ist die Wiener Kunstszene momentan spannend?

Sie ist sogar sehr spannend, wie Du hier in der Ausstellung siehst. Viele Galerien eröffnen in der Stadt, neue Art Spaces poppen auf. Ich behaupte, Wien läuft Berlin längst den Rang ab. Die gute Ausbildung auf der Akademie in den Klassen von Daniel Richter, Brigitte Kowanz und Eva Schlegel, um nur ein paar zu nennen, macht sich bezahlt. Diese Künstlerinnen und Künstler sind jetzt in ihren Dreißigern und auf einem Topniveau. Außerdem landen ziemlich viele gute Kreative – natürlich auch geografisch bedingt –  aus dem europäischen Osten in Wien, von Georgien bis Rumänien.

Was tust Du, wenn Du die Nase voll von der Kunstszene hast?

Dann gehe ich reiten in den Prater – einfach auf dem Pferd sein und nicht reden. Das ist meine beste Therapie.

Lieben herzlichen Dank für das Gespräch.

Ema Kaiser-Brandstätter ist selbstständige Kunstberaterin und Kulturmangerin für Privatpersonen, Unternehmen und öffentliche Institutionen, darunter OFID, Red Bull, Kunstfreunde der Akademie der Bildenden Künste, viennacontemporary, Sotheby’s und Soravia Group. Sie ist im Vorstand der Wiener Achse und war unter anderem für die Stiftung von Francesca von Habsburg Thyssen-Bornemisza (TBA21), Parallel Vienna, das Fotomuseum WestLicht und St. Moritz Art Masters tätig.

Der Kunst-Schaffner

Text: Paula Pankarter

Bei TRAM geht es um Verbindung, Verbindung durch Kunst. Verbunden werden sollen die beiden Hauptstädte Europas, die räumlich gesehen am nähesten zusammenliegen und doch so weit voneinander entfernt sind: Wien und Bratislava. Zum leidenschaftlichen Paartherapeuten dieser beiden Metropolen des Ostens hat sich Juraj Čarný aufgeschwungen. Wir haben mit dem Kurator des Kunst-Zugs über die ambivalente Beziehung zwischen diesen beiden Hauptstädten gesprochen.

Die Kiewer Kulturstadträtin

Text: Eva Holzinger

Die Ukrainerin Yana Barinova leitete mit nur 32 Jahren das Kulturamt der Stadt Kiew und ist im März 2022 mit ihrer 13-jährigen Tochter nach Wien geflüchtet. Mit dem Statement Ukraine, dem Programmschwerpunkt der diesjährigen viennacontemporary (8.-11.9.) macht Barinova das, was sie am besten kann: Leute zusammenbringen und anpacken. Über ein Leben für die Kunst in Zeiten des Krieges.

Yana Borisova / viennacontemporary / Erste Foundation