Nebenschauplätze im Mittelpunkt: Der 6. Fotowettbewerb vom Wien Museum und musa – ganz im Stil der österreichischen Fotografin ELFRIEDE MEJCHAR (1924–2020) – geht mit 3.660 BEITRÄGEN zu Ende. Rund 80 BILDER davon kann man noch bis 1. September im musa bestaunen. Gewonnen haben CHRISTOPH GORKA, CHRISTA KALTENBRUNNER und ELISABETH ROSENBERGER.Verlassene Tankstelle oder leerstehende Gasse? Handy oder Kamera? Digital oder ANALOG? Die drei Gewinnerinnen erklären in kurzen Interviews ihre LIEBE ZUR FOTOGRAFIE und wir zeigen eine Auswahl ihrer Werke.
In ihrer ersten Einzelausstellung „Simmeringer Heide und Erdberger Mais“ 1976 im damaligen Museum des 20. Jahrhunderts (heute Belvedere 21) in Wien zeigte Elfriede Mejchar Müllablagerungen, triviale Vorstadtstraßen und Industrielandschaften. Das man den Ist-Zustand von scheinbar öden Szenerien auch mit kräftigen Farben dokumentieren kann, bewies sie mit ihrer Serie „Wienerberger Ziegelöfen“ (1979–1981).
Die Fotografin ELFRIEDE MEJCHAR, die als Künstlerin erst spät Anerkennung gefunden hat, gehört mittlerweile zu den wichtigsten Vertreterinnen der österreichischen und internationalen Fotoszene. Sie dokumentierte URBANE RANDGEBIETE IN WIEN und stellte mit ihrer ungewöhnlichen Perspektive die Fotografie auf den Kopf. Menschen fungierten, wenn überhaupt, nur als Nebenschauplatz, Belangloses beförderte sie zum Mittelpunkt des Geschehens. Sie war auf der Suche nach visuellen Fundstücken des Industriezeitalters, von den WIENERBERGER ZIEGELÖFEN über die STADLAUER MALZFABRIK bis hin zum CHEMIEWERK von Victor Alder, dem sie ihre Bildserie AETHER AD NARCOSIM widmete. Mit präziser Lichtführung und starken Schwarz-Weiß-Kontrasten erneuerte sie die dokumentarische Fotografie der Nachkriegszeit.
Anlässlich ihres 100. Geburtstags haben sich das C/O VIENNA MAGAZINE und das WIEN MUSEUM auf die Spuren der Fotografin begeben. Für den Instagram-Fotowettbewerb NEBENSCHAUPLÄTZE wurden 3.660 Beiträge eingereicht. Wir stellen die Gewinnerinnen vor.
In der Jury saßen Franz Hammerbacher (radelnder Reporter), Christine Koblitz (Wien Museum), Frauke Kreutler (Wien Museum), Antje Mayer-Salvi (C/O Vienna Magazine) und Lisa Rastl (Fotografin und erste Elfriede-Mejchar-Preisträgerin)
1. Platz Christoph Gorka: „Das Bild zeigt eine charakteristische urbane Landschaft, die mich an die Arbeiten von Elfriede Mejchar erinnert. Ihr Blick für das Alltägliche und das scheinbar Banale inspirierte mich und beeinflusste meine eigene Herangehensweise für meine Langzeitserie über den 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten – es dreht sich alles um die Vergänglichkeit.“
Warum fotografierst Du?
Christoph Gorka: Neue Dinge zu entdecken, das analoge Handwerk der Fotografie, die Ruhe in der Rotlichtkammer während dem Belichten der Negative, die Zusammenarbeit mit Menschen – das fasziniert mich. Ich spiele mit Architektur, Raumgestaltung, Formen und Farben, um visuelle Kompositionen zu erstellen und neue Perspektiven zu erschaffen.
Mit welcher Kamera hast Du Dich auf die Spuren von Elfriede Mejchar begeben?
Ich fotografiere hauptsächlich analog mit Mamiya 7/Fomapan 400, mit Portra 400 und auch mit der Konica Hexar AF. Wie Mejchar versuche ich, in meinen Bildern den Übergang und die Entwicklung städtischer Räume festzuhalten und dabei die oft unscheinbaren, aber bedeutungsvollen Details zu betonen.
War es Liebe auf den ersten Blick – Du und die Fotografie?
Als ich den alten Nikon-Kamerakoffer meines verstorbenen Onkels, der selbst professioneller Fotograf war, im Keller meiner Eltern entdeckt habe – da machte es Klick. Seit acht Jahren sind die analoge Kamera und ich unzertrennlich.
2. Platz Christa Kaltenbrunner: „Dieses Foto ist zufällig im Jahr 2002 bei einer Fahrt durchs Burgenland entstanden. Die aufgelassene Tankstelle stand ganz verlassen, verzagt und ohne Zweck in der einsamen, weiten Landschaft. Dieser Zustand ist mir selbst gut bekannt. Das musste ich einfach festhalten.“
Warum fotografierst Du?
Christa Kaltenbrunner: Mit einer Kamera kann ich einen Moment, ein Detail, einen Ausschnitt der Welt, die mich umgibt, einfangen. Egal, ob ich etwas schön finde, mich etwas amüsiert, traurig macht, bewegt oder berührt, mit der Kamera habe ich die Möglichkeit, dieses Gefühl abzubilden.
Mit welcher Kamera hast Du Dich auf die Spuren von Elfriede Mejchar begeben?
Ich bevorzuge kleine Digitalkameras. Angefangen habe ich mit einer Lomo, dann mit einer Panasonic Lumix sowie einer Sony. Ich habe die Kamera immer bei mir, draußen, drinnen, in der Stadt, in der Natur – überall sind Motive zu finden, die sonst in der Fülle der Wahrnehmungen untergehen. Ich habe kein Smartphone, auf das ich sonst vielleicht ständig starren würde, sondern bin immer mit neugierigem Blick unterwegs. Ich fotografiere nur Vorgefundenes, Vorhandenes, nie etwas Inszeniertes – und fast immer menschenleere Szenarien.
War es Liebe auf den ersten Blick – Du und die Fotografie?
Am Beginn – als die Fotografie noch analog war – liebte ich besonders das gespannte Warten auf die Ausarbeitung: Ist etwas dabei, ist etwas gelungen!? Ich habe diese Liebe relativ spät gefunden, erst mit 30, jetzt bin ich 55 Jahre alt. Aber ab dann war sie heftig. Zu dieser großen Leidenschaft hat auch mein Studium bei Friedl Kubelka an ihrer Schule für künstlerische Fotografie beigetragen.
3. Platz Elisabeth Rosenberger: „Bei meinem Foto ‚Hier entsteht …‘ faszinieren mich die Doppeldeutigkeit, der Witz und die vielen Fragen zur Geschichte dieses Schauplatzes, die mich zum Nachdenken anregen. Was dort entstanden ist, weiß ich bis heute nicht.“
Warum fotografierst Du?
Elisabeth Rosenberger: Ein Warum kann ich nicht beantworten. Ich arbeite seit über 30 Jahren in der Werbebranche. Gute Fotokonzepte sind ein zentrales Thema, oft ist weniger mehr. Ich bin auch künstlerisch tätig, vorwiegend male ich abstrakte und figurative Werke. Ein Bild muss mich am Ende berühren und zu mir sprechen – egal ob gemalt oder fotografiert.
Mit welcher Kamera hast Du Dich auf die Spuren von Elfriede Mejchar begeben?
Ich fotografiere mit meinem iPhone 15, ausschließlich mit dem Handy, dadurch entsteht nahezu täglich ein „Bildtagebuch“, ein „Fotolebenslauf“. Meine Tochter sagte einmal zu mir „Mama, du fotografierst aber auch alles.“ Ja, denn selbst das unscheinbarste Objekt kann im richtigen Licht zu einem hervorragenden Foto werden.
War es Liebe auf den ersten Blick – Du und die Fotografie?
Nein, ganz banal. Das Handy habe ich ständig bei mir, es ist ein praktisches Werkzeug zum Fotografieren. Bei vielen Motiven ist Schnelligkeit und Spontaneität angesagt.