Bei Mercedes Spannagel (* 1995) ist Feuer am Dach. Die junge Wiener Autorin und Maschinenbau-Studentin hat kürzlich ihren Debütroman Das Palais muss brennen veröffentlicht. Abgründig, rasant und mit bitterbösem Sprachwitz erzählt sie darin von der korrupten rechten Elite, die von
ihrer rebellischen Brut zu Fall gebracht wird. Beim Österreichischen Buchpreis holte sie mit ihrer Nominierung in der Kategorie Bestes Debüt quasi den zweiten Platz, wir finden, der gehört genauso gefeiert wie der erste, und trafen die junge Autorin im Wiener Café Korb, wo wir mit ihrüber das Polarisierungspotenzial von Möpsen, das Revolutionsvermögen pubertärer Trotzphasen und das Leben als Tochter von Donald Trump sprachen.
Zu ihrem Debütroman inspiriert hat Spannagel die FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz, deren zehn Kinder unter anderem Mechthild, Sonnhild und Hildrun heißen. Eine Roman-Ausgabe hat Spannagel ihr allerdings noch nicht geschickt.
Die Protagonistin Deines Debütromans ist die Jus-Studentin Luise, deren Mutter die rechtskonservative Bundespräsidentin von Österreich ist. Was würdest Du tun, wenn Du die Tochter von Donald Trump wärst?
Vielleicht für einen Skandal sorgen, indem ich nackt durch New York laufe (lacht). Ich bin überzeugt, dass selbst pubertäre Trotzaktionen etwas bewirken. Sicher erschöpft sich deren Revolutionspotenzial – irgendwann muss man proaktiv werden. Sie sind ein guter Anfang. Wer weiß, vielleicht werde ich ja einmal Bundespräsidentin!
Was hat Dich dazu bewegt, ein Buch über Kinder rechtskonservativer Eltern zu schreiben?
Mich hat interessiert, wie es ist, in solchen Kreisen aufzuwachsen. Niemand kommt zur Welt und ist rassistisch und sexistisch, vielen wird das in die Wiege gelegt. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen, wenn autoritäre Eltern ihre Kinder indoktrinieren und durch restriktive Verbote ihrer Freiheit berauben, und setze mich daher auf humorvolle Weise mit der Thematik auseinander.
Deine Taktik ist die Überspitzung!
Genau, die Mutter der Protagonistin nicht nur rechts, sondern noch dazu Bundespräsidentin. Dabei war es wichtig für mich, dass eben genau die Mutter diese Rolle einnimmt und nicht der Vater. Ich möchte keine patriarchalen Stereotype reproduzieren, sondern über starke Frauenfiguren schreiben. Die Mutter ist zwar nicht die positivste Frauenfigur, aber um an diese Position zu gelangen, musste sie stark sein.
Mit den Meinungen ihrer Familie kommt Spannagel, wie auch die Protagonistin ihres Romans, nicht immer klar. „Vielleicht ist das Buch eine Art Rebellion“, sagt sie.
Die Figuren in Deinem Roman haben Schriften von Karl Marx in ihrem Bücherregal stehen, andere tragen Prada-Regenhüte. Deine Protagonistin hat eine Affäre mit Theodor Thies, dessen Vater bekennender Rechter ist. Ihre Freundin Lili wird von der Mutter nur „die Proletin“ genannt, und deren Schwester Yara hat heimlich das Kunstgeschichte-Studium abgebrochen, um in einem Tattoostudio zu arbeiten. Ziemlich diverse Persönlichkeiten, die sich im Freundes- und Familienkreis der Protgonistin tummeln. Ein Abbild unserer Gesellschaft?
Wahrscheinlich, aber Menschen sind eben voller Widersprüche, und genau diese
Zwiespalte sind es auch, die Charaktere interessant machen. Die Personen
in meinem Buch sind keine Heldinnen, möchten jedoch durchaus welche werden, sie
sind ein bisschen größenwahnsinnig. Als Frau sollte man das ruhig auch
sein! Die diversen Charaktere und ihre Freundschaften interessieren mich, weil ich der Überzeugung bin, dass die Kommunikation und die Beziehungen untereinander das Schwierigste im Leben sind. Die Frage „Wie eng kann ein Verhältnis zu anderen Personen werden und woran scheitert es, wenn es endet?“ finde ich wahnsinnig spannend. Meine Erzählung verläuft entlang aller dieser heterogenen Begegnungen, da ich als Autorin meine Charaktere durch ihre Handlungen beschreibe. Ich nehme mir nicht die Freiheit heraus, sie abseits davon zu definieren.
Du bist in Salzburg aufgewachsen und für das Studium nach Wien gezogen. Wie warst Du als Jugendliche?
Eine Wilde! Als Kind war mir sehr bewusst, dass ich ein Mädchen bin. Ich durfte meine Hosen nicht schmutzig machen und besuchte den Ballettunterricht. Meine Lieblingsromanfiguren waren Pippi Langstrumpf und Georgina von den „Fünf Freunden“, die ein Junge sein wollte. Der Vater einer Freundin sagte mal zu mir: „Du wirst keinen Mann finden, wenn Du immer so zerkratzte Beine hast.“ Ich nahm diese weiblichen Vorbilder der Kindheit bis in meine Jugend mit und rebellierte auch in dieser Phase gegen das gängige Frauenbild. Meine Freundinnen und ich zelebrierten es geradezu, möglichst kindisch zu sein. Wir wollten nicht älter werden!
Musst Du als Autorin utopisch sein?
Nein, im Gegenteil. Viele Schriftstellerinnen denken, sie müssten Dystopien schreiben, aber ich finde es arg genug, über die Gegenwart zu schreiben. Es braucht Veränderung, und der Weg dahin ist immer eine Suche – bei mir in Form dieses Buchs.
Einen Teil ihres Romans hat Spannagel in der Transsibirischen Eisenbahn geschrieben, den anderen im Bett. Das Lied „Blume aus dem Gemeindebau“ von Wolfgang Ambros hat sie währenddessen in Dauerschleife gehört.
Mit Deiner Kurzgeschichte „Jo und ich bilden uns einen Mops ein und gehen mit ihm spazieren“ hast Du 2018 den FM4-Wettbewerb Wortlaut gewonnen, in Deinem aktuellen Buch „Das Palais muss brennen“ legt sich die Protagonistin auch einen Mops zu – als Rebellion gegen ihre Mutter, die neun Windhunde besitzt. Was können Möpse, denen das Dekadente, restlos Verzüchtete innewohnt, was Windhunde nicht können?
Ein Mops hat sehr großes revolutionäres Potenzial. Möpse sind Anarchisten. Es gibt kaum Hunde, die so polarisieren wie Möpse. Ich kenne nur Leute, die diese Hunde hässlich finden – das finde ich wiederum cool und hätte gerne einen, den ich zu Lesungen mitnehmen und neben mich setzen kann.
Du hast bereits neben der Schule zwei Jahre lang Jus studiert, hast aber damit aufgehört, weil es Dich zu wenig gefordert hat, und schließlich angefangen, in Wien Maschinenbau zu studieren. Nebenbei hast Du zahlreiche Literaturstipendien gewonnen und nun mit 25 Deinen ersten Roman veröffentlicht. Wie lebt es sich als Wunderkind?
Ich sehe mich nicht als Wunderkind, ich finde den Gedanken absurd! Ich bin kein Genie, sondern mache einfach sehr gerne sehr viele Dinge. Ich stehe schon auch manchmal auf und fühle mich schlecht. Ab und zu weine ich sogar.
Was haben Schreiben und Maschinenbau gemeinsam?
Wenig. Das technische Studium hat mein Schreiben allerdings insofern beeinflusst, als dass ich mich mehr darauf konzentriere, was ich als wesentlich empfinde. Ich werde dadurch insgesamt knapper, möchte auf den Punkt kommen und Aussagen formulieren, die sitzen. Ich bin in einer – leichten – Messie-Familie aufgewachsen, vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb ich so reduziert schreibe.
Spannagel fechtet, seit sie zehn Jahre alt ist. Hätte sie die Möglichkeit, gegen die österreichischen Politikerinnen mit dem Florett zu kämpfen, würde sie diese sofort ergreifen, da sie „gegen alle gewinnen würde“, wie sie meint.
Würdest Du lieber den Literaturnobelpreis gewinnen oder CEO von Daimler werden?
Ich bin älter geworden – vor dem Maschinenbau-Studium hatte ich noch Illusionen, jetzt nicht mehr. Das Studium macht hart, an der TU herrscht Anarchie. Man wird da reingeworfen, niemand kümmert sich um einen, entweder man macht mit und schafft den Anschluss oder bleibt auf der Strecke. Das Studium ist mehr persönlichkeitsbildend als wissensvermittelnd. Mein erstes Buch ist ein Anfang. Ob
das mit der Literatur und mir läuft, ist Glückssache. Auf jeden Fall möchte ich
noch ein zweites Buch schreiben.
Mercedes Spannagel (* 1995) wuchs in Heidelberg und Salzburg auf, im Moment studiert sie Maschinenbau an der TU Wien. Sie nahm an Schreibwerkstätten der Literaturwerkstatt Graz und der Schreibenden Schüler e.V. Berlin teil und war Stipendiatin des Literatur Labors Wolfenbüttel 2015. 2018 gewann sie den FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut.