Auf Instagram werden täglich 80 Millionen Fotos täglich eingestellt. Sozusagen als Gegenkonzept betreibt die Ungarin Klára Petra Szabó einen – gemalten – Street Style Blog. Im Interview verrät sie, warum sie von ihrer Idee besessen ist und wie ein falscher Style im Kommunismus die Polizei auf den Plan rufen konnte. Persönliche Tipps für einen Trip nach Budapest gab es von ihr exklusiv dazu.
„Mein Blog wird In fünfzig Jahren total retro sein und in hundert Jahren ein Unikat!"
Klára Petra Szabó: "Meine Bilder sind mehr als nur Porträts und mein Modeblog eine ständig wachsende Sammlung."
Lisa Peres: Du fotografierst nicht, Du malst Streetfashion. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Klára Petra Szabó: Vor neun Jahren hielt mich eine Fotografin auf einer Straße auf, weil sie ein Foto von mir für ihren Street Style Blog machen wollte. Damals hatte ich keine Ahnung, was das ist. Erst später entdeckte ich dann die Hel-Looks und die Sartorialist, und ich fand das super. Damals waren Street Style Blogs eine ziemlich neue Sache. Sowas wollte ich auch künstlerisch umsetzen.
Wie wählst Du Deine Street Models aus?
Die meisten sind Studentinnen, weder besonders stilvoll noch extrem modisch gekleidet. Für mich ist ihr Look trotzdem aufregend. Ich bemühe mich nicht um die genaue Wiedergabe ihres Aussehens, sondern ich versuche, ihre Stimmung einzufangen. Meine Bilder sind mehr als nur Porträts und mein Modeblog eine ständig wachsende Sammlung. Ich habe zwischen 2007 und 2009 einhundert Bilder gemalt. Ich habe die Serie schon oft ausgestellt, wie zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in den Niederlanden, in Estland, Ungarn oder Österreich.
Machst Du zuerst ein Foto oder malst Du live?
Ich mache zuerst ein Foto, dann male ich. Ich könnte live malen, aber es ist einfacher, Menschen zu fotografieren, damit sie nicht stundenlang auf der Strasse stehen müssen. Die Größe der Bilder beträgt 21 x 30 Zentimeter. Die Technik ist Aquarell auf Papier.
„Mein Modeblog ist eine ständig wachsende Sammlung."
Klára Petra Szabó: "Meine Basis ist Hódmezővásárhely (Ungarn), dort besitze ich mein eigenes Studio, da kann ich mich verstecken und mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren."
Fragst Du sie über die Geschichte ihre Kleider?
Fast keiner hatte eine, also beschränkte ich mich auf einfache Fragen, wie zum Beispiel, wo sie ihre Kleider gekauft haben.
Hat schon jemand um ein Portrait im "alten Stil" angefragt?
Nicht wirklich, aber vor vielen Jahren haben mich die österreichische Künstlerin Eva Schlegel und der Architekt Carl Pruscha während meines Aufenthaltes in der Krinzinger Residence in Wien um ein Porträt gebeten. Sie waren wirklich nett, ich habe sie dann sehr gerne gemalt. Ich male noch immer Porträts, aber hauptsächlich für mich privat, also bitte melden, falls jemand eines möchte (lacht).
Bei Instagram werden täglich (!) 40 Milliarden Fotos geteilt und 80 Millionen eingestellt (Stand 1/2016, Quelle: socialmedia-institute.com) geteilt. Wolltest Du Deinen Street Fashion-Gemälden eine Metaebene geben, um dem Abgebildeten wieder eine Wertigkeit zu geben?
Ja, das ist der Punkt, abgesehen davon, dass ich eine bessere Malerin als Fotografin bin. Ich brauche etwa eine Woche für meine Gemälde, ich investiere ungefähr 20 bis 25 Stunden pro Bild, das ist natürlich ein ganz anderer Arbeitsaufwand. Die Zeit ist bei meinem Blog Projekt ein wichtiger Aspekt. In fünfzig Jahren wird er total retro sein und in hundert Jahren ein Unikat. So gesehen wird sich die Bedeutung dieser Serie über die Jahre hinweg verändern.
„Kleidung hat viel mit Identität, Sozialstatus und Kultur zu tun!"
Ich bin ein Mädchen vom Land und ziemlich patriotisch. Aufgewachsen bin ich in Hódmezővásárhely, das liegt in Südost-Ungarn, in der Nähe der rumänisch-serbischen Grenze. Mein Kunststudium habe ich in einer Kunstschule in Szeged begonnen, dann habe in Sopron angewandte Kunst und MA Design studiert. Die vergangenen Jahre besuchte ich insgesamt elf Artist in Residence – Programme, abwechselnd in Japan, England, Südkorea, Estland und Österreich. Der Ortswechsel ist sehr wichtig für mich, dadurch sammle ich neue Inspirationen. Meine Basis ist aber schon schon Hódmezővásárhely, dort besitze ich mein eigenes Studio, da kann ich mich verstecken und mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren.
Wie sieht ein Arbeitstag in Deinem Leben aus?
Jeder Tag ist anders. Ich male gewöhnlich erst nachmittags oder abends. Ich arbeite gern in der Nacht, wenn mich niemand stört. Ich male viel und bin total besessen davon, oft male ich bis zum Morgengrauen. Besonders im Sommer.
Warum so oft Mode?
In meinem kleinen Heimatort trauen sich die Leute nicht anders
auszusehen.Während des Kommunismus wurden anders Ausehende sogar von der
Polizei gezwungen, sich der Masse anzupassen. Die „Anderen“ waren für
das System gefährlich, da sie indivuelle Absichten hegten. Heute, mehr
als 25 Jahre nach der Wende, haben die meisten immer noch Angst
individuell auszusehen, eine Art Camouflage. Kleidung hat viel mit
Identität, Sozialstatus, Kultur zu tun, was mich als Künstlerin
interessiert.
Wie sehr beeinflusst die aktuelle politische Situation in Ungarn Dein Schaffen?
Die ungarische Kunstszene ist sehr frustriert. Vom Kunstmachen kann man
in Ungarn nur schwer überleben. Leider schaffen die meisten
Künstlerinnen nicht, sich gegenseitig zu unterstützen. Aus
Konkurrenzneid. Deswegen lebe ich am Land und viel im Ausland. Das
andere Problem ist, dass es nur wenige Sammlerinnen gegenwärtiger Kunst
in Ungarn gibt. Die paar wenigen kaufen immer nur von denselben Galerien
und Künstlerinnen.
Wie oft reist Du in die österreichische Hauptstadt?
Ja, das habe ich. Das Palmenhaus, das Wüstenhaus, das Schmetterlingshaus und natürlich der Naschmarkt.
Was magst Du nicht an Wien?
Ich mag alles (lacht)!
Wie sehen die Budapester Wien? Ist das die "verschlafene Tante"?
Meine Mutter sagt immer, dass Wien ein “Schmuckkistchen” ist. Sehr
sauber und alles ist super organisiert.” Die Leute scheinen weniger
gestresst als in Budapest zu sein und lächeln auf den Straßen.
Welche Art Spots magst Du in Wien?
Die Krinzinger Galerie macht schon aufregende Ausstellungen. Das
Naturhistorische Museum habe ich schon öfters besucht. Ich bin richtig
besessen von deren Mineralienabteilung. Es gibt viele gute Off-Spaces
und Galerien in Wien.
Was ist besser in Budapest als in Wien?
Das Bier ist in Budapest billiger und der Wein besser. Ich mache nur Spaß. Budapest ist wilder, verrückter und chaotischer. Das ungarische Chaos kann irgendwie sehr inspirativ sein (lacht).