Das skug

Analoge Überreste und digitaler Neuanfang

Was wäre die Wiener Musikszene ohne das skug? Seit über 27 Jahren beweist das Musikjournal sein Auge für alles, was sich abseits des Mainstreams abspielt. SubKultureller UnterGrund - der Name ist hier Programm. Mit dem aktuellen Online Relaunch meldet sich das Kultblatt zurück, ohne dabei an gewohnt kritischer Attitüde einzubüßen. In einem Gespräch erzählt Herausgeber Alfred Pranzl, was war und was in Zukunft kommt.

Lena Stefflitsch: Von Magazin zu Magazin, gratuliere! 27+ ist ein hohes Alter für ein Journal, man sieht Euch das aber keineswegs an. Alles geliftet oder die Alten geblieben?

Alfred Pranzl: Danke. Wir sind nach wie vor sehr politisch. Wir wollen Haltung zeigen und gegen Neoliberalismus anschreiben. Man kann uns nicht nur auf Musik reduzieren. In unserer Kulturschiene veröffentlichen wir auch kulturwissenschaftliche Artikel. Unser Redakteur Frank Jödicke hat unlängst über die neuen Folgen von Twin Peaks geschrieben. Auch die Sozialpolitik spiegelt sich in den Artikeln wider, insbesondere in der Auswahl der Künstlerinnen.

Was macht das skug zum Kult?

Im skug konnten sich Künstlerinnen und Autorinnen immer selbst verwirklichen. Unter allen, die sich im skug einbrachten, hatten wir einmal einen „Wahnsinnigen“ namens Hans Nevídal, ein Wiener Grafikkünstler. Weil er für die Heftausgabe #66 unbedingt ein Alu-Hardcover wollte, hat er das Issue sogar mitfinanziert. Einmal hat er dermaßen gewütet, dass er über ein Porträt der Komponistin Olga Neuwirth Notenlinien legte. Danach war der Text kaum lesbar, worüber sich manche Leute ziemlich aufgeregt hatten.

"skug ist so ziemlich das beste deutschsprachige Pop- und Kulturmagazin seit der Erfindung des symbolischen Kapitals."

Gibt es noch andere Anekdoten zu den Anfängen?

In den 1990ern gab es eine Werbeabgabe von damals zehn Prozent auf Inserate, die man an die Stadt Wien zu leisten hatte. Wir konnten das natürlich nie zahlen. Dann wurde ein Technomagazin, namens „envelope“, angezeigt und ging ein. Daraufhin waren wir etwas paranoid und erstatteten Selbstanzeige und blieben auf vielen Schulden sitzen.

Eine Selbstanzeige, das ist ja eigentlich total brav. Das war quasi die erste Zerreißprobe für das skug?

Es gab mehrere Zeitpunkte an denen skug hätte zerfallen können. Im Jahr 1995, nach der 27. Ausgabe, wäre das skug fast eingestellt worden. In dieser Ausgabe war ich auf dem Cover zu sehen, welches mit „Der 1,5 Millionen-Zeichenmann“ betitelt wurde. Danach dachte ich mir, okay, jetzt kann ich das Magazin auch einfach übernehmen.

Wer macht das skug zum skug?

Wir sind ein sehr schlankes Team geworden. Wir sind streng genommen zwei Redakteure: Frank Jödicke und ich, sowie unsere Lektorin Mio Obernosterer. Unser Autorenstock von Externen ist nach wie vor groß und wird, so wie es aussieht, wieder wachsen. Wir hoffen, mit unserem neuen Onlineauftritt wieder attraktiver für Autorinnen zu werden.

Stichwort online - 2015 wurde die Printauflage des skug eingestellt. Was darf man online machen, was im Print nicht möglich ist?

Wir waren gezwungen, diesen Schritt zu gehen, da die Druckkosten für uns einfach nicht mehr tragbar waren. Daraufhin ist leider auch unsere geliebte Druckerei remaprint eingegangen. Nun haben unseren Webauftritt neu aufgestellt und mit über 7.900 Artikeln migriert. Im Web können wir auch Geschichten und Autorinnen einen Platz einräumen, für die das Printmagazin nicht ausreichend Platz bat.

"Das skug ist eine herrliche Schließmuskel-Entspannung vom Sozialkrampf deutschsprachiger Musikzeitungen."

Trauert Ihr der Printzeit nach?

Ein bisschen ja, denn viele Künstlerinnen sind dadurch weggebrochen. Manche waren regelrecht beleidigt über die Entscheidung. Für Fotografinnen sind Fotos im Web natürlich nicht gleich viel wert wie im Print, da kann man sich nicht großartig verwirklichen. Unser Team ist aus neoliberalen Gründen zerbrochen. Manche mussten uns auch aus ökonomischen Gründen verlassen, viele konnten sich das nicht mehr leisten, für wenig Geld zu arbeiten.

Welche Formate und Locations gibt es in Wien, um neue Musikerinnen und Bands zu entdecken?

Das fluc am Praterstern und das rhiz am Gürtel sind die Bekannteren. Außerdem gibt es kleinere Locations, wie das Stadtbahnbogenlokal Venster99.

Gab es jemanden, den Ihr entdeckt habt?

Wir waren die ersten, die einen größeren Artikel über die österreichische Musikerin, Sängerin und Schauspielerin Anja Plaschg (Soap & Skin) veröffentlichten. Sie war so gut, dass danach niemand an ihr vorbei gekommen ist.

Wer oder was ist gerade Deine Lieblingsneudentdeckung?

In Österreich ist im Jahr 2017 die Synth-Künstlerin Mala Herba mit dem Album „Rusalki“ hervorgestochen. Früher haben wir sehr viele, kleine Improv-Projekte gefördert. Das ist auch etwas, was wir durch neue Autorinnen wieder forcieren möchten.

Das skug galt oft als erste Anlaufstelle für junge Musikerinnen und Bands, die sich in Eurem Medium das erste Mal der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Ist das heute noch immer so?

Ja, das ist nach wie vor so, wir wollen auf jeden Fall Musikerinnen mit Haltung fördern. Hier wäre die Künstlerin Ana Threat hervorzuheben. Mit bürgerlichen Namen Kristina Pia Hofer, Musikerin und Medientheoretikerin und gemeinsam mit Eberhard Forcher Kuratorin des Popfest Wien 2017.

Was ist das bisher größte Kompliment, das Ihr entgegennehmen konntet?

Der Hamburger Komponist, Gagarin Label Gründer und Musiker Felix Kubin, bekannt für seine außerirdischen analogen Synthsounds, hat das skug einmal als den „Dandy unter den Musiksgazetten, eine herrliche Schließmuskel-Entspannung vom Sozialkrampf deutschsprachiger Musikzeitungen" bezeichnet. Unser treuer Freund, der FM4-Moderator Fritz Ostermayer meinte einmal: „Das skug ist so ziemlich das beste deutschsprachige Pop- und Kulturmagazin seit der Erfindung des symbolischen Kapitals".

Wow, da kann man sich ja nur geehrt fühlen! Danke für Deine Zeit und alles Gute für Eure Zukunft!

Die analogen Überreste der Printzeit, die skug Backissues, können übrigens auf ihrer Seite bestellt werden.

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