„Fünfhaus, du Opfa! Gib Stimme!“ Mit diesem Slogan warb Maximilian Zirkowitsch um den Einzug in den Wiener Gemeinderat und wurde damit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Dabei ist er für das Magazin Hydra bereits seit langem in Sachen Satire tätig. Seit gut einem Jahr berichtet er für News vor der Kamera von den Rändern unserer Gesellschaft. Mit uns hat er über die Grenzen von Satire, Schuhgrößen, Sexiness von Enten und die Unmöglichkeit einer Rechtschutzversicherung gesprochen.
Maximilian Zirkowitsch ist Satiriker und nebenbei studierter Sozialarbeiter. Er mag Enten, Straßenbahnfahrten und in aller Ruhe zu rauchen.
Satire dominiert ja immer wieder unfreiwillig das Rauschen im Blätterwald. Hast Du Babykatzengate – Krone gegen Stefanie Sargnagel – verfolgt?
Puh. Zur Krone müsste ich jetzt so viel sagen und dazu bin ich zu bequem. Wichtig ist: Die Krone wird überschätzt. Das AKW Zwentendorf ging nie in Betrieb, Jörg Haider wurde nicht Kanzler und Strache ist es immer noch nicht. Der EU-Beitritt wurde nicht verhindert und entgegen aller Warnungen wird Österreich noch immer nicht von genderfluiden Kommunist_innen regiert. Es ist falsch in die Falle der Rechten - Zeitungen, Autoren, Politiker - zu tappen und jetzt wieder über Rechte zu reden und das Opfer, das nebenbei weiblich ist, links liegen zu lassen. Der Penis von dem verdient keine Aufmerksamkeit (Anm. d. Red.: gemeint ist Thomas Glavicnics bestes Teil). Im Übrigen berichten viele Medien nur über Steffi Sargnagel, weil sie, besonders online, ein Garant für Quote ist. Das ist billig.
Es hat den Eindruck, gewisse Medien hätten entweder einfach keinerlei Erfahrung mit Satire oder wollen Satire einfach nicht als solche begreifen?
Man versteht in Österreich natürlich Satire. Darin hat man fast genauso viel Erfahrung wie mit Kampagnen gegen Linke, Frauen, Intellektuelle, Künstler und Künstlerinnen. Mir fällt da zum Beispiel die Plakataktion der FPÖ gegen Jelinek ein.
Haben österreichische Medien eine besondere Affinitität zur ungewollten Realsatire? Ich erinnere mich an eine Meldung auf oe24.at, die die Runde machte: "Geimpfte Kinder fangen an zu masturbieren"?
... oder Meldungen wie "Killerstein traf Mutter mit Kind". Da erkennt man die böse Absicht von Steinen. Ich glaube, das übergeordnete Problem ist eher, dass es in Österreich generell wenig Satire gibt. Stattdessen gibt es die klassischen Medien, die sich alle für witzig halten und glauben, das sie das Fach Satire irgendwie mit abdecken. Es wäre schön, wenn es in Österreich mehr Satireprojekte gibt, wie zum Beispiel die Tagespresse, die gut funktionieren. Alle österreichischen Medien, ob Hörfunk, TV oder Print, wollen natürlich so etwas wie die Heute Show (ZDF) oder Saturday Night Live (NBC). Aber das kostet halt Geld.
Könntest Du Dir vorstellen, so eine Sendung zu machen und Vollzeitsatiriker zu werden?
Wenn das jemand zahlen würde, sofort! Also wenn das jemand liest, der viel Geld hat, BITTE SCHREIBT MIR!
„In Österreich gibt es generell wenig Satire!"
Maximilian Zirkowitsch mit unserem Autor Werner Sturmberger auf dem Bankerl
Abgesehen von Deinen Beschäftigungsmöglichkeiten, macht einem die Politlandschaft in Österreich ja auch beinahe arbeitslos - auch da ist man ja vor Realsatire nicht gefeit.
Der Witz verkürzt und verknappt komplexe Sachverhalte, bringt sie auf den Punkt, spiegelt und bricht sie. In einer Zeit, in der man zunehmend um einfache Antworten und eine einfache Sprache im politischen Betrieb bemüht ist, passiert es einfach sehr schnell, dass etwas unfreiwillig satirisch wirkt. Sachverhalte sind halt meistens komplex. Die Einfachheit der Sprache und die Antworten darauf können dem gar nicht gerecht werden.
Wir bauen einfach einen Link zu Deinem Linkedin-Profil in das Interview ein.
Sehr gut. Ich habe ja Emails von denen jahrelang für Spam gehalten, bis mir jemand erklärt hat, dass der das beruflich nützt. Er hat mir aber nicht genau erklären können, wie.
Hast Du dafür eine Beispiel?
Der Grenzzaun zwischen Österreich und Slowenien ist ein gutes
Beispiel: Da gab es echt Leute, die gesagt haben, wir brauchen eine Mauer und
einen Wassergraben mit Krokodilen drin. Und es gab jene, die meinten,
man muss die Grenze offenlassen. Herausgekommen ist Faymanns Türl mit Seitenteilen. Keiner der Akteure konnte letztlich seine Argumente begründen. Die
gleiche Schiene fährt unser Innenminister, wenn er
regelmäßig mit einer weiteren Verschärfung von Gesetzen und Vorschriften
an die Öffentlichkeit tritt, ohne zu erklären warum.
„Das einzige, das bei meinem Körper funktioniert, sind Hypochondrie und Psychosomatik!"
Ist das schlechte Politik für Dich oder einfach nur Inkompetenz?
Ich glaube nicht, dass der Innenminister blöd ist. Das wäre ja fast exkulpierend, wenn man sagt, der ist blöd, anstatt, dass er bös' ist. Ich glaube, er ist schlecht und betreibt deshalb diese Form von Politik. Wenn jemand, der Demokratie und Menschenrechte mit Hilfe der Exekutive verteidigen sollte, stattdessen Demonstrationseinschränkungen, Überwachung und Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge fordert, halte ich das für falsch. Ich weiß aber nicht, ob das nur an ihm liegt, oder ob das ein Grundproblem des Systems ist.
Funktioniert unsere Demokratie noch?
Wenn Rechtsextreme für wichtige Ämter in einer Demokratie in Frage kommen, weiß ich nicht, wie gut die dann wirklich funktioniert. Grundsätzlich glaube ich aber schon, dass Demokratie funktioniert.
Funktionieren in dem Sinn, so wie Körper leben, solange sie nicht tot sind?
(Lacht.) Das Einzige, das bei meinem Körper funktioniert sind Hypochondrie und Psychosomatik. Das Körperbeispiel ist aber vielleicht gar nicht schlecht: Ich habe zunehmend den Eindruck, dass Parteien und Institutionen des politischen Betriebs vermehrt organisch, als ein in sich geschlossenes Ding, verstanden werden. Das macht Veränderungen schwierig. Wenn man sagt, die Politik ist ein Körper, dann wird sich niemand dazu durchringen können, einen Arm abzutrennen. Das wäre absurd.
Man bemerkt auch zusehends, dass die Bevölkerung seltener als "Bevölkerung", sondern als "Volk" tituliert wird, dass zunehmend von "Gemeinschaft" und weniger von "Gesellschaft" die Rede ist. Das sind organische Metaphern, die letztlich einem rechten oder rassistischen Diskurs entspringen. Die Bevölkerung wird als "Volk" also automatisch als organisch und homogen verstanden. Damit schließt man gleichzeitig sehr viele Menschen aus, die da nicht reinpassen.
„Es ist schwer, dem Innenminister nicht jeden Tag vor die Tür zu kacken."
Du bist in der Flüchtlingshilfe tätig. Ich nehme an, Du hast noch einmal einen anderen Blick auf Migrationspolitik?
Ja, es ist schwer dem Innenminister nicht jeden Tag vor die Tür zu kacken, wenn man Menschen kennt, denen es aufgrund der geplanten Änderungen sehr viel schlechter gehen wird. Die Entwicklungen der letzten Jahre im Fremden- und Asylrecht zeigen ganz klar: Man will nicht, dass es fairer wird oder man Menschen schneller Asyl zugestehen kann. Man will kriminalisieren. Ich glaube nicht, dass das funktioniert, ich glaub nicht, dass es sinnvoll ist und ich glaube nicht, dass es anständig ist.
Was inspiriert Dich Satire zu machen?
Grant. Wenn man wie ich schon länger in der Flüchtlingshilfe arbeitet, dann ist das immer mit genug Frustration verbunden. Da ist es dann gut, so ein Ventil zu haben, um nicht den Humor zu verlieren und nicht zynisch zu werden.
Wird Dein Grant mehr?
Er nimmt zu.
Bist Du bewusst politisch in Deiner Satire?
Es ist nicht immer bewusst oder absichtlich. Ich würde grundsätzlich den Satz unterschreiben, dass Satire einen Standpunkt beziehen soll. Damit wird es dann eben sehr schnell politisch.
„Humor nicht verlieren"
Wie politisch wirksam kann Satire sein?
Das ist vor allem ein frommer Wunsch. Es gibt ja viele Menschen, die ihre Nachrichten nur mehr inklusiver ironischer Brechung beziehen: Über Stephen Colbert, Daily Show oder Last Week Tonight. Die wünschen sich natürlich, dass ein politischer Witz einen Politiker aus dem Amt jagen kann. Aber das muss man natürlich durch Wahlen selber machen.
Die Verantwortung kann man nicht an den Satiriker abgeben. Satire kann Stimmungen und Gefühle aufnehmen, bündeln und ausdrücken. Die politische Arbeit kann sie aber nicht stellvertretend für ihre Konsumenten und Konsumentinnen erledigen.
Euer Wiener Satireprojekt „Hydra“ hat einen Witz auf Facebook gemacht und Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (FPÖ) und den gleichnamigen Diskont-Supermarkt in Zusammenhang mit dem Geburtshaus von Adolf Hitler gestellt. Es gab eine Klage ...
Das ist eine Aufmerksamkeit, die gar nicht so viel bringt. Gudenus hat einmal gegen eines unserer Bücher gewettert. Auch Morddrohungen gegen uns gab es schon – in den Kommentaren zu einem Artikel über eines unserer Bücher. Aber weder der Verriss, noch die reißerische Berichterstattung samt Morddrohung haben den Absatz gesteigert.
Die Klage konnte aber schlussendlich abgewendet werden?
Ja, das war ganz großartig. Wir haben die Anwälte von Hofer darüber informiert, dass wir pleite sind und ein Crowdfunding starten müssen. Die meinten nur, tuts das, haben aber die Resonanz der Aktion unterschätzt. In 48 Stunden hatten wird das Geld beisammen und Hofer einen Shitstorm und sehr viele Zuschriften. Mein Favorit war: „Wie kon ma a Satiregruppen wegen an Witz verklagen? Außerdem ist des grüne Pesto aus, ihr Oaschlecha!“. Daraufhin hat man die Klage zurückgezogen. Jetzt ist die Kriegskassa gut gefüllt für den Fall, dass man wieder einmal in das Visier findiger Anwälte gerät.
Wir haben auch versucht, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Es will uns aber niemand versichern. Das ist vielleicht auch gut so, denn das wäre natürlich eine Herausforderung: Wenn man schon versichert ist, will man das natürlich ausreizen.
Du bist ja einem größeren Publikum als „Bezirkowitsch” bekannt geworden. War das quasi das Gegenteil von Politik: Nicht als Politiker Realsatire zu betreiben, sondern als Satiriker Realpolitik?
Ja (lacht)! Ich war ja davon überrascht, wie groß das geworden ist. Ich habe angenommen, das bleibt ein kleines Ding im Freundeskreis, das ich mit ein bisschen Spaß nebenbei betreiben kann. Dass ist dann sehr schnell sehr groß geworden. Letztlich war es recht arbeitsintensiv. Es war mir aber ein Anliegen, weil ich Kritik üben wollte bezüglich der Art, wie Politik und Wahlkampf gemacht werden, nämlich mittlerweile völlig sinnentleert und hohl. Es geht ja nur mehr darum, irgendwo genannt zu werden. So habe ich es ja auch im Wahlkampf gehalten und kein Interview abgesagt. Bis auf eines.
Welches war das?
Ein Modeblog.
Warum denn?
Weil ich wirklich nichts – also noch weniger als ich schon im Wahlkampf nichts zu sagen hatte – zu Mode zu sagen habe.
„Das Sozialverhalten von Enten ist eher creepy, aber aussehen tun sie tiptop!"
Dabei bist Du für Deinen exquisiten Schuhgeschmack bekannt und quasi der Martin Bartenstein der österreichischen Satireszene.
Vielleicht hätte ich mich zu Schuhen mehr äußern sollen. Bisher waren das aber immer Privatanfragen, wenn auch gar nicht so wenige. Beim nächsten Mal werde ich das nachholen.
Du hast aber noch keinen Exklusivvertrag mit einem Schuhgeschäft?
Nein, leider. Ich hätte das natürlich gern, dass mir eine Firma gratis Schuhe macht oder schickt, die ich dann am roten Teppich trage. Über den Wahlkampf habe ich aber einen ganz großartigen Schuster und Schuhmacher kennengelernt. Den versuche ich bei Gelegenheit immer zu empfehlen: Wieselmann auf der Wiedner Haupttstraße. Super Maßschuhe. Er hat bei einem der alten Meister in Wien gelernt.
Budapester, Derby, Chelsea-Boots? Was sind da Deine Präferenzen bei Schuhen?
Vorhanden. Ich hab sehr große Füße. Die Auswahl ist bei 47, 48 eher gering. Das heißt, die Schuhe sollen in erster Linie existieren.
Nachdem wird jetzt schon Shopping abgehandelt haben, hast Du vielleicht auch noch einen Gastro-Tipp für Deine Hood, den 15. Bezirk?
Für Menschen, die nicht aus dem 15. sind? Nein, die gentrifzieren mir das nur. Die, die hier wohnen, wissen eh, wo sie hingehen, und die anderen müssen nicht kommen. Es geht uns gut ohne sie.
Nachdem Enten in Deinem Wahlkampf ja auch eine zentrale Rolle gespielt haben - „Ich möchte die Wasserwelt aufwerten, indem ich Enten ansiedle.“ Wo frönst Du dieser Leidenschaft? Und warum Enten?
Ich fand die Tiere immer schon schön. Ihr Sozialverhalten ist eher creepy, aber aussehen tun sie tiptop. Eine Forderung im Wahlkampf damit zu verbinden, war ein bisschen eine persönliche Liebhaberei und vielleicht ein subtiler Gruß an Menschen, die mich kennen und wissen, wie ich zu Enten stehe. Ich habe übrigens einen Enten-Bildband doppelt. Den könntet ihr verlosen. Ich signiere ihn auch oder so.
Jetzt hatten wir Shopping und Gastro. Da fehlt jetzt nur noch ein Wellness-Tipp zur Lifestyle-Dreifaltigkeit.
Augenbrauen immer mit dem Faden und nie mit der Pinzette zupfen lassen.
Hast Du dafür auch eine exklusive Adresse parat?
Ich habe das natürlich nicht notwendig. Wäre ich Helen Mirren, würde ich jetzt aufstehen und gehen (lacht).