Rock 'n' Roll, Oida!
Franz Bibiza ist durch und durch Wiener, und man munkelt, er sei der Falco unserer Zeit, der doch seinen ganz eigenen Weg geht, und zwar in Richtung Erfolg. Wir treffen ihn via Zoom zwischen Hamburg und Berlin direkt aus dem Tourbus, hinter dem der Sportfreunde Stiller, die er gerade als Pre-Act begleitet. Er erzählt uns von seinem Leben als Grenzgänger zwischen Dekadenz und Charme, wieso Musiker wie Aliens sind und was Bibiza nachts am Würstelstand kauft.
„Bibiza ist eine angsoffene, extrovertierte Version von mir als Franz!“
Julia Bauereiß: Was treibt Dich, Bibiza?
Franz Bibiza: Rock 'n' Roll! Sein Ding durchziehen, voll dazu stehen und einfach leben! Das Musikmachen an sich ist eine Lebenseinstellung. Man ist dadurch schon ein anderer Mensch in der Gesellschaft, fast wie ein Alien.
Wer ist dieser Bühnen-Bibiza?
Bibiza ist eine angsoffene, extrovertierte Version von mir als Franz – eine Kunstfigur. Bibiza ist immer Franz, aber Franz nicht immer Bibiza, trotzdem bin das alles immer ich.
Was kauft Bibiza nachts am Wüstelstand?
Eine Käsekrainer mit Senf, Ketchup und Schwarzbrot!
Wien für Dich in drei Worten?
Heimat, schön, verhängnisvoll.
Wieso verhängnisvoll?
Na ja, Wien ist zu schön, um wahr zu sein. Es ist so, als würde man direkt in eine Luxusvilla hineingeboren werden. Im Anschluss ist es schwierig, es an einem anderen Ort geil zu finden.
„Ich bin doch etwas verrückter als der Rest der Familie.“
Du bist in dieser Stadt geboren und aufgewachsen! Was hast Du vor Deiner Karriere als Musiker hier gemacht?
Ich liebe Wien, ich bin aus Mariahilf. Ich habe die Matura und den Zivildienst als Sanitäter abgeschlossen. Im Anschluss habe ich ein paar Semester Soziologie und Wirtschaftsrecht studiert, erst für die Kinderbeihilfe, dann aus Gefallen für meine Eltern. Eigentlich war für mich immer klar, dass ich Musik machen will. Fix ist, dass das schwieriger ist, als zu studieren!
Wusstest Du von vornherein, dass Du musikalisch bist und singen kannst?
Nein, gar nicht! Ich bin da sehr intuitiv rangegangen. Ich hatte auch nie richtigen Musikunterricht und kann auch keine Noten lesen. Mittlerweile kann ich schon sagen, dass ich das gelernt habe und natürlich auch musikalischer geworden bin, aber was ich da genau mache, weiß ich immer noch nicht so richtig!
Hast Du es Dir einfacher vorgestellt?
Eine Musikkarriere anzustreben, erfordert viel Selbstdisziplin und ist finanziell ein großes Risiko. Meine Eltern fanden meine Entscheidung am Anfang nicht wirklich cool. Heute sind beide leiwand damit. Meine Oma ist sowieso voll cool und fand meine Musik und meinen Weg von vornherein super. Sie haben verstanden, dass ich etwas verrückter als der Rest der Familie bin (lacht).
„Manchmal bum zua, manchmal komplett nüchtern.“
Welche Artists oder Musikrichtungen haben den jungen Franz geprägt?
Anfangs habe ich vor allem Rockalben aus den 80ern bis 2000ern gehört – Red Hot Chilli Peppers, The Smashing Pumpkins, The Cure und die ersten Coldplay-Alben. Ich habe mir mit YouTube-Tutorials selbst das Gitarrespielen beigebracht und deren Lieder gecovert. Zwischen 13 und 16 Jahren bin ich durch Mac Miller und Cro voll in die Hip-Hop-Welt eingetaucht, ich habe im Kinderzimmer Beats gebaut und versucht, meine Stimme darüberzulegen.
Du hast als junger Teenager schon erste Tracks auf SoundCloud veröffentlicht?
Ja, genau, ich dachte, dass sie wahnsinnig gut sind, aber rückblickend klang das alles einfach nur scheiße! Es war jedenfalls viel leichter, den Stil von Cro nachzumachen, als Gitarrenhymnen à la Red Hot Chilli Peppers zu imitieren.
Der Tourbus hält auf einem Parkplatz, einige steigen aus dem Fahrzeug. Ein Bandmitglied: „Rewe! Sollen wir Dir was mitbringen“. Bibiza bestellt: „Wasser, stilles Wasser, viel Wasser!“
Drogen spielen eine große Rolle in Deinen Songs, wie stehst Du wirklich dazu?
Ich selbst kann gut damit umgehen, ich achte aber auch auf Bewegung und meine Psyche. Wenn es mir nicht gut geht, verzichte ich darauf, das kann ich nur jedem Menschen raten! Ich sehe mich als Künstler, aber nicht in der Verpflichtung, mit meiner Musik Leute zu belehren. Ich präsentiere mich in meiner Musik ja auch als Kunstfigur Bibiza, da sind einige Parts natürlich übertriebener dargestellt als in Wirklichkeit. Meine Texte sollten also nicht zu ernst genommen werden. Ich lebe einfach durchaus mal exzessiver und würde mich auch als Grenzgänger bezeichnen. Wichtig ist einfach, auf sich zu achten!
Wie nah sind Realität und Übertreibung in Deinen Songs?
In gewisser Weise trifft alles zu und dennoch sind es Klischees. Ein plakativer Refrain ist allgemein leichter verständlich. Dekadenz, Exzess und Hedonismus sind mein Leben und auch wieder nicht in diesem Maße. Es gibt Songs, da meine ich es so, wie ich es sage, aber manchmal spiele ich mit der Übertreibung.
„Es ist oft ein Vollchaos, aber das ist schön!“
Wie läuft eine Studio-Session mit Bibiza ab?
Die Produzenten, die Band und ich verabreden uns im Studio, dann machen wir erstmal den Computer an, jammen etwas herum und reden über dies und das, bis wir langsam die Inspiration finden. Dann baut wer die Drums, ich gebe Anweisungen, wie ich mir die Gitarre dazu vorstelle und auf dieses Grundgerüst freestyle ich – bis ich eine griffige Zeile habe. Manchmal gibt es auch schon ein Schlagwort oder ein Thema. So ergibt sich nach und nach ein Song.
Immer so?
Für mich gibt es da keinen richtigen Weg, es läuft immer anders ab. Manchmal nehme ich beispielsweise im Liegen auf, manchmal bum zua und manchmal komplett nüchtern. Klingt nach Chaos, aber ich brauche diese Inspiration vor Ort und ich bin dabei immer voll fokussiert. Meine Songs entstehen organisch im Moment und sind dadurch authentisch, ich komme nicht mit einer fertigen Idee zur Session, dafür bin ich außerhalb des Studios auch zu unkreativ. Wenn der Song nach zwei Stunden nicht zu neunzig Prozent so ist, wie er später rauskommt, verwerfe ich ihn. Es ist oft ein Vollchaos, aber das ist schön!
Wo ist Euer Studio?
Unsere Sessions passieren aktuell in der Villa LaLa in Hietzing, die einen kreativen Raum für viele Artists aus Wien bietet. In den Anfangszeiten haben wir ja noch im Keller meines Elternhauses aufgenommen, wo wir ein Studio reingebaut hatten. Da gab es aber zu oft Probleme mit der Polizei. Das lässt sich überhaupt nicht mehr vergleichen mit der Art und Weise, wie wir heute aufnehmen.
„Live zu performen, ist voll mein Ding.“
Mittlerweile füllst Du Hallen mit tausenden Fans, erinnerst Du Dich noch an Deinen ersten Live-Auftritt?
Meine erste eigene Bibiza-Show? Da muss ich mal überlegen. Ah, das war am Petersplatz in Wien am Graben, unten im Keller. Damals ist mein erstes Tape „Copypaste“ rausgekommen, und es war das erste Mal, dass es hieß: „Bibiza tritt auf!“ So richtig allein! Die Gefühle waren geisteskrank! Ich habe urlustige, geile und schöne Erfahrungen bei meinen ersten Auftritten gesammelt.
Immer noch Lampenfieber?
Es ist immer ein kleiner Nervenkitzel, gepaart mit Anspannung, aber in einem guten Sinne! Jede Show ist anders, ich habe aber keine Angst davor, im Gegenteil, ich freue mich darauf und bin nach dem ersten Song meistens so richtig drin. Live zu performen, ist voll mein Ding, die Bühne ist mein Safe Space, auf der ich Bibiza als Kunstfigur sein kann. Mich holt's viel mehr, wenn ich von Fans auf der Straße erkannt werde, da bin ich wesentlich aufgeregter, als wenn ich vor 1.000 Leuten auf der Bühne stehe.
Auf dem Album „Wiener Schickeria“ finden sich keinerlei Feature-Artists, weshalb?
Ich habe zwar schon viel Musik veröffentlicht, aber alle vorherigen Projekte waren für mich eher Mixtapes. „Wiener Schickeria“ konnotiere ich als mein Debüt-Album, eines, das nur für mich steht und auf dem keine andere Stimme zu hören ist. Ein Album, durch das sich sowohl visuell als auch musikalisch und thematisch ein roter Faden zieht.
Was macht dann der österreichische Burgschauspieler Nicholas Ofczarek auf Deinem Album?
Es gibt nur wenige, die so gut darauf gepasst hätten wie der Wiener Ofczarek. Wir wollten eine Einleitung schaffen, die die Zuhörenden direkt in die musikalische Erzählung rund um Wien versetzt. Ofczarek hat uns dafür eine Art Ansage, wie im Radio oder im Zirkus, eingesprochen. Er war bei uns in der Studio-Villa und hat das Ding innerhalb von zwei Minuten abgeliefert, der ist ein Vollprofi. Das war beeindruckend.
„Falcos Charakter und sein Charisma sind ikonisch!“
Auf „Wiener Schickeria“ spielst Du humoristisch mit den berüchtigten Wiener Klischees, einem Lebensgefühl zwischen Dekadenz, Exzess, Charme und Schmäh. Musikalisch als auch visuell erinnerst Du dabei an Falco. Was wir uns alle fragen: Absicht oder Zufall?
Ich habe nie viel Falco gehört, finde aber seinen Charakter und sein Charisma sehr ikonisch. Es ist eine Ehre, mit so einem großen Künstler verglichen zu werden. Ich glaube allerdings nicht, dass er mich direkt inspiriert hat, eher die Stadt Wien mit ihrem Charme und Lebensgefühl. Wien bringt einen speziellen Humor hervor, den einige österreichische Persönlichkeiten auch in sich tragen. Das Augenzwinkern und Talent, über sich selbst lachen zu können, ist wohl das, was einen Falco, Georg Danzer, Yung Hurn und mich miteinander verbindet.
Ein Song von Dir heißt „Schick mit Scheck“, wie zahlst Du?
Natürlich immer mit Scheck (lacht).
Ziemlich Vintage!
Na ja, tatsächlich habe ich nur einmal mit Scheck bezahlt.
„Kommt’s, wir machen alle zusammen Mucke!“
Wie bist Du auf den Songtitel gekommen?
Da haben wir endlich den Falco-Aufhänger! Der Song ist angelehnt an das Lied „Siebzehn Jahr“ von Falco. Da singt er „Ack wie Keck und schick mit Scheck, wunderbar, sie war siebzehn Jahr …“ (singt die Melodie des Falco Songs, Anm. d. Red). Ich habe mir tatsächlich aus seinem Text das „Schick mit Scheck“ rausgefladert und einen ganz eigenen Song herum gebaut. Ich finde diese zwei SCH-Laute in zwei Worten einfach so schön.
Musik aus Österreich ist wieder in aller Munde! Kannst Du das bestätigen?
Es tut sich urviel in Wien. Als ich mit der Musik begonnen habe, war das anders, es gab drei Artists, die auch in Deutschland bekannt waren, und sonst niemanden. Ich bin wirklich stolz darauf, was ich mit anderen zusammen in letzter Zeit hier in Wien geschaffen habe. Ich denke, ich bin eine Person, die niemanden ausschließt oder abstempelt, sondern eher Verbindungen schafft, so: „Kommt’s wir machen alle zusammen Mucke!“ Mittlerweile sind so viele Menschen zusammengekommen, die Lust auf Musik haben und damit auch dieselbe Lebenseinstellung mitbringen. Das nennt man dann „Szene“, denke ich.
Was ist in Deutschland anders?
In Berlin kann man sich schneller vernetzen. Es gibt mehr „Superstars“, die nicht nur 100.000 monatliche Hörende haben, sondern gleich 1,5 Millionen, das macht einen Unterschied. In Wien kann man es zwar relativ schnell lokal zu etwas bringen, das stagniert dann aber rasch wieder. Wir sollten uns in Österreich höhere Ziele setzen und Musik als Geschäft ernster nehmen. Ich meine, Bibiza will ja schon noch Deutschland erobern!
In diesem Sinne: Gute Fahrt und danke für das Gespräch!
Copyright: Maša Stanić