Omas, DJs, Forscherinnen, Hippies und philippinische Köstlichkeiten
Das Hotel Brillantengrund im 7. Bezirk ist mehr als nur ein Hotel. Quereinsteiger und Gastgeber Marvin Mangalino ist Kunstliebhaber, fährt leidenschaftlich gerne Fahrrad, mag alte Möbel und führt das Haus mit größter Leidenschaft. In der Küche zaubert seine Mama höchstpersönlich philippinische Leckereien. Das Magazin Geo Saison zählt das Haus zu einem der 100 besten Hotels in Europa in der „Unter 100 Euro“-Kategorie. Prominente Gäste wie Bob Marleys Sohn Julian Marley gehen hier aus und ein – die Zimmer sind stets ausgebucht.
Was ist der Brillantengrund? Klingt jedenfalls glitzernd und glamourös ...
Ein Ort des Zusammenbringens. Es hat mal jemand etwas in unser Gästebuch geschrieben, das es eigentlich ziemlich auf den Punkt gebracht hat: „Thank you for the Wes Anderson Experience“. Eine Erfahrung mit unterschiedlichen Menschen, Charakteren unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Herkünfte – und einem Interesse: gemeinsames Schaffen an einem skurrilen und witzigen, aber auch liebevollen Ort. Man muss es eben erfahren haben, um es zu verstehen.
„Thank you for the Wes Anderson Experience.“
Was macht ein gutes Hotel brillant?
Die Menschen – die Leute, die dort arbeiten und unsere Gäste. Bei uns gibt es eine gute Mischung aus Leuten, die Oma hier, der DJ daneben, der Forscher, Hippies, Schauspielerinnen, Politikerinnen, Fernsehredakteurinnen und Studierende. Völlig durchmischt und nicht kategorisierbar.
Sind hier alle Mitarbeiterinnen Philippinos?
Nein, nicht alle. Die meisten sind aus meinem Freundeskreis, die ich schon seit über zwanzig Jahren kenne. Meine Mama dirigiert mit ihren Geheimrezepten die philippinische Küche. Alle hier sind aber verschiedenste Persönlichkeiten. Die Gäste spüren anhand, wie wir hier miteinander kommunizieren und drauf sind, dass wir auch privat miteinander verbunden sind.
Habt Ihr prominente Gäste?
Von Tarek Leitner bis zum Bundeskanzler. Van der Bellen war mal hier, bevor er Präsident wurde. Verschiedenste Schauspielgrößen oder Jamie Lidell, Thundercat, das Cinematic Ochestra, Four Tet, Action Bronson oder der Sohn von Bob Marley, Julian Marley. Gerade vor Kurzem waren die Mädchen vom Impulstanz-Stück „Rosas danst Rosas“ hier. Franz Rogowski aus dem neuen Haneke-Film „Happy End“, in dem er mit Isabelle Huppert spielt, ist zum Beispiel auch öfter da. Der ist sehr lustig, mit dem frühstücke ich dann. Je berühmter die Gäste, desto angenehmer sind sie.
Authentizität ist Dir sehr wichtig?
Auch wenn der Begriff mittlerweile eher altbacken ist und teilweise bedenklich angewendet wird, hat er in der heutigen Zeit vor allem wirtschaftlich eine enorme Bedeutung. Was organisch und authentizitätsbewusster ist, braucht à la longue einen längeren Atem und ist cashflow-technisch schwieriger zu stemmen, aber letztendlich einfach nachhaltiger.
Man merkt es daran, wie viele Gastronominnen/Unternehmen dann doch nach einigen Jahren zusperren müssen. Es kann und muss nicht alles perfekt sein. Das macht uns unter anderem auch authentisch und spiegelt wider, wie wir hier drauf sind. Wir sind zum Großteil keine ausgebildeten Hotellierinnen, Rezeptionistinnen oder Gastronominnen. Leidenschaft geht vor Professionalität. Das hat natürlich bei voller Auslastung hie und da seine Kehrseite, aber die Professionaliät eignet man sich durch die Leidenschaft an. Und man lernt eh nie aus!
„Meine Mama dirigiert mit ihren Geheimrezepten die philippinische Küche.“
Was war am Brillantengrund vorher da?
Ganz früher war das hier mal ein Kloster, dann angeblich ein Gerichtshof und dann waren es Wohneinheiten. Der eigentliche Eigentümer hat dann peu à peu immer mehr Einheiten dazu gekauft und ließ es dann vor 40 Jahren in ein Hotel umwidmen. Im Hof gab es eine Autospenglerei.
Wie kam es zur Hotelübernahme?
Wolfgang Stranzinger, ein langjähriger Freund und ehemaliger Lomo-Gründer war von der Idee eines Hotels in Wien immer besessen und meinte stets, dass ich der Richtige wäre, ein derartiges Projekt in die Hand zu nehmen. Ich wusste ehrlich gesagt nicht wirklich, warum und nahm ihn dabei nie ganz ernst. Immer wieder hat er mich zu diversen Hotelbesichtigungen mitgenommen. Aber am Brillantengrund funkte es dann.
„Je berühmter die Gäste, desto angenehmer sind sie.“
Wie ging es dann weiter?
Ein Jahr lang habe ich dann mal nichts gemacht, sozusagen ein Sabbatical, habe meinen Job gequittet und bin in mich gegangen. Ich habe auch überhaupt nicht damit gerechnet, das WIR das Objekt jemals bekommen, weil ARCOTEL, Mercur, diese ganzen großen Ketten – alle wollten es natürlich auch haben.
Aber letztendlich habt Ihr es bekommen?
Sie haben sich dafür entschieden, dass es – in ihrem Sinne – eine kleine Familie und Freunde weiterführen sollen. Wir waren am Anfang neun Leute, heute haben wir 30 Mitarbeiterinnen. Vollzeit um die 22 Mitarbeiterinnen und dann noch die freien.
Du liebst dieses Hotel.
Generell liebe ich es, Dinge zu verbinden, egal ob Menschen, Inhalte, Kunst, Einrichtungsgegenstände, Geschmacksrichtungen. Es ist gut, ein Gespür dafür zu bekommen, was man selber ist oder was man nicht ist. Letztlich kann man nur das verkaufen, was man selber innehat. Inhaltlich gebe ich ungern was aus der Hand.
„Das BRILLANTENGRUND ist ein bisschen Home-Ersatz.“
Ihr macht hier auch regelmäßig Ausstellungen und featuret vor allem Fotografinnen?
Im Dezember gibt es hier wieder eine Ausstellung. Begonnen haben wir mit Fotografinnen, die mittlerweile bewährte internationale Foto-Awards gewinnen. Die nächste Ausstellung ist am 14. Dezember und wird dieses Mal von Daniel Gebhart de Koekkoek kuratiert. Es werden unter anderem internationale Größen ausgestellt.
Du richtest alle Hotelzimmer persönlich ein?
Das ist sicher eine der schönsten Seiten meines Jobs und so eine reine Bauchsache. Ich mag es, Gegenstände unterschiedlichster Herkunftszeit in ein interessantes Ganzes zu verbinden. Man braucht Geduld. Man darf nicht aus Zwang irgendetwas einstellen. Unsere Bar kam erst zwei Jahre später dazu. Es dauert, bis man das Richtige gefunden hat. Wir bekamen die verschiedensten Design-Vorschläge, aber es fehlte dann doch immer was.
Was hast Du vor Deiner Karriere als Hotelier gemacht?
Nach der HAK bin ich auf die Filmakademie, die ich abgebrochen habe. Dann hatte ich diverse Jobs als Nachrichten-Cutter, habe Musikvideos und TV-Formate konzipiert und produziert. Aufgrund eines Online-Start-up-Projektes bin ich dann in die Business-Angels-Kreise reingerutscht, für die ich dann Konzepte geschrieben und analysiert habe. Danach habe ich beschlossen, mit allem aufzuhören und ein einjähriges Sabbatical einzulegen und mal „nichts zu müssen“. Ein Jahr später gab es für mich zwei Türen: Entweder die Angewandte, um Transmediale Kunst zu studieren oder den Brillantengrund. Mit 29 Jahren habe ich dann mit dem Hotel am Brillantengrund begonnen.
Wie ist denn Dein Tagesablauf als Hotelier?
Ich komme in der Früh hierher, schaue, welche Gäste da sind, dann gehe ich in regelmäßigen Abständen mit den führenden Mitarbeiterinnen anstehende Themen durch, aber eigentlich nur noch auf geistigem Niveau. Dann gehe ich ins Büro, kontrolliere kurz die Auslastung und bearbeite Konzepte, während ich nebenbei allerlei Mails beantworte. Einrichtungstechnisch gehe ich mindestens ein, zweimal im Monat durch alle Zimmer, um zu schauen, wo man was tun, wo man was ändern könnte.
Du begrüßt die Gäste alle persönlich?
Sie wollen ja auch ihre Ruhe haben, aber sie kommen auch selber und setzen sich zu uns und fühlen sich dann auch wohl, weil sie sehen, die Mama ist da. Sie freuen sich einfach, weil sie eh schon so viele Designhotels und 5-Sterne-Hotels sehen – und dann sehen sie das Brillantengrund und das ist dann wieder eine bisschen „Home-Ersatz“ für sie.
Gibt es lustige Anekdoten von Gästen?
Cody ChesnuTT hat sich die Speisekarte angesehen, fand das auch echt cool und sagte so „Hmm, schön, schön“, aber dann spechtelte er in die Küche, wo meine Mama gerade ein Hendl für unser Personal zubereitet hat. Dann sagte er: „Ich will das da!“ Meine Mama hat gelacht und meinte, sie habe nichts mehr. Sie sind dann gemeinsam zum Zielpunkt gegangen, und meine Mama hat für die ganze Band eingekauft. Wir haben dann alle gemeinsam an einer Tafel zusammen gegessen.
„Ich bin wahrscheinlich mehr Wiener als alle meine Freunde.“
Das nennt man Gastfreundschaft!
Kommt aber auch drauf an, damals war weniger los. Die indische Impulstanzgruppe, die vor ein paar Jahren bei uns war, hat uns gefragt, ob sie für uns kochen können. Da waren dann die ganzen Inder in der Küche und haben tanzend für uns Essen zubereitet. Heute geht das – vor allem abends – nicht mehr so einfach, wir sind mittlerweile voll ausgebucht, da muss die Küche schon sehr stukturiert laufen.
Ihr habt eine Auszeichnung von GEO erhalten.
In den letzten zwei Jahre wurden wir von GEO für die 100 besten Hotels in Europa nominiert. In unserer Kategorie sogar für die Top Ten. Wir sind für ein 3-Sterne-Hotel relativ teuer und haben oft höhere Preise als 4-Sterne-Hotels, gehen aber schon Richtung 4 Sterne. Wir müssen aber auch den „Geldigeren“ was anbieten – wir haben immer wieder Anfragen von diversen Stars. VIPs kann man aber nur im 5-Sterne-Hotel unterbringen. Wenn alles gut geht und die Aufstockung gewerbemäßig durchgeht, wollen wir auch dieses Feld bedienen, im 3. Stock wird es bald die Supersuite geben. Pläne sind schon eingereicht. Die wird sehr groß sein – und exklusiv.
Auf was legst Du Wert, bevor Du selbst in einem Hotel eincheckst?
Ich suche mir Hotels über verschiedene Wege aus, teilweise auch über Instagram, damit ich sehe, welche Leute dort sind, welche Fotos die Location selbst rauflädt und was die Leute, die sich dort aufhalten, so posten. Schöne Fotos von Details – dann denke ich mir: „Ah super, okay, da wird zwischen den Zeilen gelesen“, dann interessiert mich der Ort.
„Ich mag den Wiener, obwohl er auf den ersten Blick eher unfreundlich wirkt.“
Ihr seid das einzige philippinische Restaurant in Wien.
Jeder kennt asiatisches – chinesisches, koreanisches oder japanisches Essen, aber zum philippinischen hat keiner einen Zugang. Und hier ist unsere Identität! Wir haben anfangs lange überlegt, was bieten wir den Leuten an, dann gab es mal Lasagne und dann Schnitzel, wir hatten Spitzenköche hier. Aber das war alles ersetzbar. Was ist es? Natürlich ist es die philippinische Küche! Unser Lieblingsessen!
Ist das echte philippinische Küche?
Ja, absolut. Ganz authentisch. Zu uns kommt auch die philippinische Botschaft regelmäßig zum Essen.
Erzähl mir bitte von Eurem Projekt BBUC!
Als fanatische Rennradfahrer gründeten wir ein Hotelrennradteam unter dem ironischen Namen „brillibrilliant/unicorn racing dream“ (BBUC). brillibrilliant ist unsere GmbH und Unicorn der Name unserer damaligen Sonntagsausfahrtsgruppe. Christian Wieners, einer meiner engsten Freunde und auch jetziger Businesspartner von BBUC, designte schon zuvor diverse Fahrrad-Jerseys. Damals existierte kaum ästhetische und funktionale Fahrradbekleidung. Auf diversen Events, Blogs und vor allem Instagram-Kanälen fielen wir dann mit unseren Jerseys und unserer Attitüde zum Fahrradsport auf – da stieg plötzlich die Nachfrage nach unserer Bekleidung spürbar.
„Fahrradfahren macht mich glücklich.“
Ihr habt Euch dann mit mit Designern zusammengetan?
Gemeinsam mit dem Design-Duo Wendy Jim entwickelten wir eine 15-teilige Kollektion, die neben dem sportlichen auch den Casual-Bereich abdeckt. Zum Beispiel unsere Jeansjacken oder Bomberjacken, die aufgrund des Schnittes und des Materials zum Fahrradfahren optimiert sind. Heute versenden wir größtenteils nach Amerika, Australien und Asien.
Wo trifft man Dich in Wien?
Zum Essen gehe oft ins Vietthao, ein vietmanesisches Restaurant beim Karlsplatz. Die Inhaber sind ein liebevolles Ehepaar, und die Frau lässt niemanden anderen an den Herd, sie ist wie die junge Version meiner Mama. Meine Mama geht nirgendwo gerne asiatisch essen, weil alle mit viel Glutamat kochen, und sie ist allergisch darauf, aber das Vietthao liebt sie. Da ist nichts designt, da geht es einzig und allein um den Inhalt. Die machen alles selber. Sehr gut finde ich auch das O boufés von Filippou Konstantin, im ersten Bezirk, bei der Alten Post. Abends gehe ich in letzter Zeit gerne in die Parfümerie-Bar.
Was macht Dich glücklich?
Meine Freundin, meine Freunde und natürlich das Fahrradfahren. Vier- bis fünfmal die Woche. Da fahre ich für zwei Stunden in den Wienerwald, und dort gibt es niemanden, der mit mir redet – außer meinen Puls!
Bist Du Wiener?
Ich bin wahrscheinlich mehr Wiener als alle meine Freunde – behauptete einstmals ein guter Freund. Ich habe eine super Milieustudie hinter mir, bin sehr oft zwischen den verschiedensten Bezirken umgezogen.
Wie beschreibst Du „den Wiener“, magst Du Ihn?
Ein phlegmatischer Grantler und Suderer – tief drinnen aber trotzdem weich. Echt und sehr authentisch. Ich mag ihn, obwohl er auf den ersten Blick eher unfreundlich wirkt, aber in Wahrheit ist das nur so eine Hülle, um das weiche Innere zu beschützen. Da macht er keinem was vor.
Hast Du typische Gäste?
Wir haben sehr nette Gäste. Auch die Holländerinnen sind immer sehr lieb und geben kein Trinkgeld (lacht). Die kennen das nicht, aber sie sind irrsinnig lieb.
Wo siehst du Dich in 10 Jahren?
Auf meinem Fahrrad und ansonsten irgendwo kaffeeschlürfend, zeitunglesend, neben meiner Frau und rundherum ganz viele Kinder, dazwischen ein bisschen malen. Zwei bis maximal dreimal die Woche arbeiten (lacht). Zeit ist das Kostbarste, das wir leider nicht bunkern können.
Danke schön für das Gespräch!
Marvin Mangalino wurde als Sohn philippinischer Eltern in Wien geboren. Seit 2010 führt er das Hotel am Brillantengrund.
Unser Tipp:
Fotografie am Brillantengrund
„Why so serious“
14. 12. 2017–28. 02. 2018
Mit Fotografien von: Alexandra Bondi de Antoni, David Avazzadeh,
Erik Kessels, Max Siedentopf, Paul Kranzler, Peter Launig, Volkmar Weiss
Kurator der Austellung: Daniel Gebhart de Koekkoek
Eine Inszenierung durch die Kamera festgehalten oder aber der Moment eingefangen, in dem das Leben sich selbst spielt, vereint sind die Fotografien in der Komik mit einem Hauch an Melancholie. Wenn die Augen über den Gartenzaun unter den Bademantel auf die Matratze wandern, blickt uns die Irritation an. Sie erzählt oszillierend zwischen todernst und Treppenwitz davon, dass im Absurden die Narration liegt. So, let's put a smile on that face! (Barbara Rüdiger, Kuratorin für zeitgenössische Kunst)
www.brillantengrund.com