Die Designerinnen von morgen
„Do it yourself“ mit Studienabschluss – noch bis 2. Juli anmelden! Der Lehrgang Design, Handwerk & materielle Kultur an der St. Pöltner New Design University bildet eine unkonventionelle Brücke zwischen Theorie und Praxis. Klassische Industrie- und Produktdesignerinnen entwerfen und definieren die Prototypen, hergestellt werden die Stücke immer von anderen. Dieser Studiengang hat das Ziel, den Designerinnen zu lehren, selbst produzieren zu können. Wir sprechen mit dem Designer und Studiengangsleiter Stefan Moritsch über die Liebe zum Handwerk in Zeiten der Digitalisierung.
„Meister Eder mit seinem Pumuckl in der Schreinerwerkstatt.“
Pia Semorad: Herr Moritsch, Sie sind Studiengangsleiter des Bachelor-Studiengangs „Design, Handwerk & materielle Kultur“ an der St. Pöltner New Design University. Wieso sollte man sich in Zeiten der Digitalisierung die Liebe fürs Handwerk bewahren?
Stefan Moritsch: Bei dem Wort Handwerk stellt man sich wahrscheinlich den Meister Eder mit seinem Pumuckl in der Schreinerwerkstatt vor, aber das ist nicht das Handwerksbild, von dem wir ausgehen. Handwerk bedeutet selbstermächtigtes und qualifiziertes Produzieren, und zwar mit allem, was einem zur Verfügung steht. Der klassische Industriedesigner und die klassische Industriedesignerin definieren nur das Muster, die Produkte werden dann von anderen in der Fabrik hergestellt. Unser Studiengang hat das Ziel, Personen auszubilden, die auch Gestaltungs-Know-how haben und selbst produzieren können. Dadurch bekommen sie eine gewisse Autonomie.
„Ikonische Objekte mit einer berühmten Firma aus Italien auf den Markt werfen.“
Wie hat sich der Beruf der Designerin im vergangenen Jahrzehnt verändert?
In meiner Ausbildung lernte ich noch, ein Designer solle am besten ein Design-Star werden, der im Scheinwerferlicht steht und gestenhaft ikonische Objekte mit einer berühmten Firma aus Italien auf den Markt wirft. Ich glaube, heute kann man das gemeinsam mit Studierenden hinterfragen. Den klassischen Weg zu gehen und die Industrie als Kunden zu gewinnen, ist längst nicht mehr die einzige Option. Man kann auch im kleineren Rahmen produzieren – on demand, regional und mit einem eigenen internationalen Vertrieb – und hat damit sogar meistens das bessere finanzielle Auskommen!
Welchen Zugang haben Ihre Studierenden zum Beruf der Designerin?
Was mir auffällt: Es gibt ein stärkeres Bewusstsein für die sozialen Aspekte des Designs als noch zu meinen Zeiten. Nachhaltigkeit dringt momentan ins allgemeine Bewusstsein, auf der Konsumentenseite gibt es die Bereitschaft, hochwertigere und hochpreisigere Produkte zu kaufen. Dadurch verändert sich natürlich auch die Produktion.
„Unglaublich viel Potenzial geht verloren.“
Warum ist es so wichtig, die Brücke zwischen Praxis und Theorie in der Ausbildung zu finden?
Weil es den Horizont enorm erweitert! In der Lehre, der klassischen Form der Ausbildung, wird das freie Denken nicht wirklich gefördert. Gelehrt wird das Arbeiten in definierten Prozessen, aus denen man am besten nicht ausschert. Genau hier ist es wichtig, den Studierenden die Türen zu öffnen, damit sie anhand der Theorie erkennen, was sie als Gestalterinnen mit eigenen handwerklichen Mitteln verwirklichen können. Am Ende sollte man fähig sein, über seine Arbeiten und deren Konsequenzen reflektieren zu können.
Sie behandeln im Studium auch naturwissenschaftliche Methoden wie Biohacking – eine Methode, die Biologie und Technologie verbindet.
Wir investieren jedes Semester zwei Wochen in ein neues Material, wie etwa Keramik, Arduino oder sogar Myzel. Es ist ein wesentlicher Teil der Arbeit eines Designers oder einer Designerin, sich mit neuen Materialien und Techniken zu konfrontieren. Wir wollen da die Berührungsängste nehmen.
Wann ist Design gut?
Design ist dann gut, wenn man eine seriöse Lösung zu einer Aufgabenstellung findet. Ob es dann schreit, still, teuer, oder billig ist, hängt immer davon ab, wie gut ich auf die Anforderung reagiert habe.
„Man wollte, dass ich Häuser entwerfe, dabei hatte ich noch nicht einmal eine Hütte gebaut!“
Sie veröffentlichten 2020 die Milieustudie „Kreative Identitäten“. Die Studie hinterfragt, wie neue Berufsbilder im Handwerk und Design im 21. Jahrhundert entstehen. Was fanden sie heraus?
Eine wichtige Erkenntnis für mich war, dass in unserer Gesellschaft unglaublich viel Potenzial verloren geht, weil wir das handwerkliche Lernen nicht mehr so fördern, wie es früher mal selbstverständlich war. Die Ausbildung an einer AHS wird gesellschaftlich immer noch als der richtige, erfolgversprechende Weg angesehen und eine Ausbildung im Handwerk fälschlicherweise besonders in der Großstadt als etwas Minderes. Wir müssen Wege finden, um das zu ändern!
Sie besuchten selbst eine Glasfachschule, bevor sie Produktionsdesign an der Angewandten studierten. Verschaffte Ihnen das einen Vorteil gegenüber Ihren Kolleginnen?
Ich hatte die Ausbildung begonnen, weil ich damals todunglücklich mit meinem Architekturstudium war. Man wollte, dass ich Häuser entwerfe, dabei hatte ich noch nicht einmal eine Hütte gebaut! Das war mir viel zu theoretisch und funktionierte nicht für mich. Um einen Bezug zum Material zu bekommen, besuchte ich das Kolleg der Glasfachschule. Ich muss aber gestehen, dass ich heute kein guter Glaser bin, denn Glas ist ein sehr schwieriges Material. Danach studierte ich Produktdesign an der Angewandten. Das, was ich in knapp zehn Jahren lernte, bieten wir hier in sechs Semestern an.
Vielen Dank für das Interview!