Der Drucker

Die Leidenschaft fürs Analoge

Die Österreichischen Lotterien, politische Parteien, kleine kreative Agenturen und große Wiener Kunstinstitutionen – sie alle vertrauen ihr, wenn es ums Drucken geht. Robert Plaschko leitet eine der größten Druckereien des Landes, die Print Alliance, die in drei Schichten ihre Maschinen praktisch permanent am Laufen hält. Wir besuchten das Werk in Bad Vöslau bei Wien. Ein Gespräch über veganes Papier, den Super-GAU und die Frage, warum Druckerinnen eine gute Nase brauchen.

Text: Antje Mayer-Salvi

Robert Plaschko in der Druckerei

„Das war früher wirklich ein körperlich anstrengender Beruf.“

Antje Mayer-Salvi: Wir lieben naturgemäß Print! Deswegen am Anfang gleich eine sehr persönliche Frage: Riechen Sie auch so gern frisch gedruckte Bücher und Magazine?

Robert Plaschko: Wissen Sie, wir Drucker schnüffeln überhaupt sehr gerne, weil wir dadurch feststellen können, mit welchem Verfahren ein Produkt produziert wurde: Digital-, Rollen- oder Bogendruck.

Das können Sie tatsächlich riechen? Bewundernswert!

Ja, das gehört zum Handwerk des Druckers.

Hand aufs Herz: Wenn Sie fliegen, haben Sie Ihre Boardkarte ausgedruckt oder nur noch digital auf dem Handy?

Ich habe sie zugegebenermaßen mittlerweile nur noch am Handy. Ich war früher ein begeisterter Zeitungsleser, aber mein Leseverhalten hat sich komplett verändert. Ich konsumiere de facto keine gedruckten Tageszeitungen mehr und befriedige mein Bedürfnis nach News über digitale Medien. Wenn ich mehr Hintergrundinfos erhalten will, kaufe ich mir aber immer noch ein Buch oder ein gutes Magazin. 

„Keine Sorge! Es steht nicht ganz so schlimm um die Druckereibranche.“

„Digitale Überläufer“ wie Sie machen der Druckereibranche das Leben ziemlich schwer!?

Es ist schon wahr, dass uns viele Kundinnen in den vergangenen Jahren weggebrochen sind. Denken Sie an die Telefonbücher – gibt es nicht mehr, braucht auch niemand mehr. Oder nehmen Sie die gedruckten Gesetzestexte, die finden Sie mittlerweile online und immer auf dem aktuellsten Stand. Bis früher eine Gesetzesänderung gedruckt und ausgeliefert war, hat das ewig gedauert.

Das klingt besorgniserregend!

Keine Sorge! Es steht nicht ganz so schlimm um die Druckereibranche, wie man meinen mag. Wir machen die Entwicklung an der Menge des Papiergebrauchs fest. Da gab es im Jahr 2018 einen Rückgang von fünf Prozent und 2019 noch einmal von sieben Prozent. Die Druckereibranche setzt weltweit 800 Milliarden Euro im Jahr um! Der Markt ist immer noch potenter als die Kosmetikindustrie.

Ist das Drucken in Österreich auch so lukrativ?

Das Volumen in Österreich – und da zählen wir nur Betriebe mit über 20 Mitarbeiterinnen dazu – liegt bei 1,6 Milliarden Euro Umsatz. Der Markt ist schwierig, er wird kleiner, ist aber immer noch gut. Der Innovationsdruck auf die Industrie ist so groß, dass Maschinen mittlerweile das Siebenfache der Druckmaschinen von vor zehn oder 15 Jahren leisten! Der Markt schrumpft sicherlich, es gibt aber andere Druckbereiche, die wachsen. Der 3-D-Druck ist ein riesig wachsendes Segment, und denken Sie auch an den Sicherheitsdruck!

„Papier lebt.“

Was ist Sicherheitsdruck?

Typische Produkte einer Sicherheitsdruckerei sind Ausweise, Banknoten, Aktien, aber auch Eintrittskarten oder Gutscheine. Je nach Schutzwürdigkeit des Druckgutes werden dabei verschiedene Technologien zum Einsatz gebracht.

Woher kommen nun die großen Aufträge? Von den Magazinen und Zeitungen wohl nicht mehr.

Verpackungen sind sehr gefragt, auch der Etikettendruck ganz stark. Das ist einerseits durch den wachsenden Versandhandel bedingt, andererseits durch eine neue Kultur der Produktpräsentation. Nehmen Sie zum Beispiel Wein: Auf einer Weinflasche gibt es mindestens immer drei Etiketten, jeweils vorne und hinten und dann noch eines am Flaschenhals. In diesem Bereich werden große Mengen abgesetzt. Die Etiketten sind oft veredelt, wertige Verpackungen haben im Handel an Bedeutung gewonnen. 

Sind da die Märkte unterschiedlich?

Wenn Sie in Russland in einen Supermarkt gehen, muss alles goldig glänzen. Bei uns sollte alles eher im Bio- oder Alternativlook gestaltet sein (lacht). Im Wesentlichen geht es darum, im Regal aufzufallen. Wir drucken übrigens nicht nur grafisch gestaltete Adressetiketten, sondern bieten auch das Service der Adressverwaltung an. Das sind natürlich Massenabfertigungen für größere Aufträge.

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, in der Druckereibranche zu arbeiten?

Ich hätte nichts dagegen, aber ich befürchte, meinen Nachwuchs interessiert das nicht. Der Beruf ist schön, aber uns fehlen zunehmend die Fachkräfte. Die Industrie hat einen schlechten Ruf, obwohl sie gut zahlt. Wir kämpfen mit dem Thema einer besseren Work-Life-Balance wegen des Schichtbetriebes. Im Werk der Print Alliance in Bad Vöslau fahren wir in drei Schichten. Wenn die teuren Maschinen auch nur eine Stunde stillstehen würden, käme das sehr teuer. Meine Generation dachte noch: „Ich will in der Nacht arbeiten, dann habe ich was im Börserl.“ Jetzt interessiert die jungen Leute mehr, wie viel Freizeit ihnen zusteht.  

Ist der Job eines Druckers immer noch so dreckig und laut wie früher?

Das war früher wirklich ein körperlich anstrengender Beruf. Heute ist es eher der psychische Druck, der die Mitarbeiterinnen fordert. Eine Maschine kann einen Job in drei Minuten richten, da bleibt keine Zeit, in die Wurstsemmel zu beißen. Man muss eine Vielzahl an Aufgaben und Aufträgen gleichzeitig machen, muss gut multitasken können und sollte die Handgriffe im Schlaf beherrschen – das ist schon alles herausfordernd.

Wenn alles digital wird, was bleibt dann?

Wir praktizieren bereits einige neue Geschäftsmodelle, wie wir mit Kundinnen anders zusammenarbeiten können. Da kommt wieder einiges an alten Jobs zurück, die die Druckereien in den vergangenen Jahren abgestoßen hatten. Es gab eine Zeit, da war man nur die Druckerei, der man die fertigen Daten lieferte und fertig ...  

... und was ist jetzt neu?

Wir bieten etwa auch das Lektorat an – kontrollieren für die Kundinnen Umbrüche und die Rechtschreibung. Das wird sehr gerne bestellt, besonders im Bereich Kunst und Kultur. Das wird dann virulent. Wenn am Morgen noch die Programmhefte und das Plakat mit der Besetzung des Abends gedruckt werden müssen, bleibt wenig Zeit, alles hin- und herzuschicken und abzustimmen. 

Woher kommt Ihre Leidenschaft für das Drucken?

Papier lebt, alles ist grafisch gestaltet, jedes Produkt ist am Ende individuell, und wir haben immer direkt mit den Kundinnen zu tun. Der gesamte Produktionsprozess ist, obwohl unser Werk industriell fertigt, immer noch handwerklich. Was wir hier in der Print Alliance an Qualität liefern, was wir für unsere Kundinnen an Extrawünschen erfüllen können, ist schon sehr gut. Was wir als Makulatur, also Fehldruck werten, würde in Osteuropa oder in den USA so in den Handel gehen. Wir verwenden die verschiedensten Papiersorten, arbeiten mit diversen Druckverfahren und beherrschen viele Bindetechniken und können das, was hinten aus der Maschine rauskommt, analog in den Händen halten. Das ist schon alles sehr bereichernd, wie ich finde.

Sie bieten als Druckerei sogar Objektfotografie an?

Unser größter Kunde hier im Haus, das kann man ruhig sagen, ist das Wiener Auktionshaus Kinsky. Wir produzieren alle Auktionskataloge – online und digital: Wir fotografieren die Objekte vor Ort und bearbeiten die Daten, sodass alles sowohl für die analoge Druckproduktion als auch digital für das Netz entsprechend verwertbar ist. Diese Doppelnutzung ist ein riesiges Thema! Die Auktionsobjekte für das Kinsky müssen sehr genau fotografiert werden, damit die Kundin, die für etwas digital steigert, die echten Farben und Strukturen sehen kann.

Das heißt, der Druckerei wird zur Allround-Dienstleisterin rund um die Publikation?

Immer mehr. Wenn wir vom kreativen Prozess von Anfang an mit eingebunden sind, ist das ideal. Unser zweiter großer Kunde, das Dorotheum, belässt seine kreativen grafischen Leistungen lieber im Haus. Wir haben aber grundsätzlich Kreative im Haus, die da auch mitgestalten und mitreden könnten, wenn Bedarf ist.

„Reden wir es nicht schön, man braucht viel Energie für das Drucken.“

Umweltfreundlich drucken können Sie also nicht wirklich?

Wir haben das „Österreichische Umweltzeichen“, aber was ist „umweltfreundliches Drucken“? Wir drucken auf Papier, und Papier ist verrottbar. Das ist schon einmal per se umweltfreundlich. Wir verwenden Technologien, die den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Was können wir noch machen? Sie können das Gebäude speziell herrichten – wir diskutieren gerade, Photovoltaikanlagen auf unser Flachdach zu bauen. Unsere Farben darf man in den normalen Müll entsorgen. Das ist kein Sondermüll. Wir machen sehr viel im Bereich Umwelt, aber reden wir es nicht schön, man braucht viel Energie für das Drucken und die muss woher kommen.

Klimaneutrales Drucken – wie denken Sie darüber?

In Sachen Umweltschutz hatte die Druckindustrie immer schon eine Vorreiterinnenrolle. Es gibt eine Vielzahl von Zertifikaten. Bei Ausschreibungen werden diese auch eingefordert. Klimaneutrales Drucken bedeutet im Normalfall, CO₂-Zertifikate zu kaufen. Man kann klimaneutral drucken, wenn man dafür zahlt, am Ende der Kette wird dann irgendwann ein Baum gepflanzt. 

War das Drucken früher umweltschädlicher?

Unsere auf Öl basierenden Farben waren nie Sondermüll. Die schnell trocknenden UV-Farben, das ist ein Thema, sind in der EU mit entsprechenden Chemieverordnungen mit so wenigen Photorezeptoren erlaubt, dass man auch diese Farbe bereits über den normalen Müll entsorgen könnte. Wir besitzen natürlich Absauganlagen für die Papierschnitzel, wir sorgen dafür, dass die Druckplatten aus Aluminium zur Wiederaufbereitung kommen. Dieser Kreislauf passt schon sehr gut. Kürzlich hatten wir die Anfrage, ob wir vegan drucken. Da lassen wir nun tatsächlich die Farbe zertifizieren. Wir sind bemüht, für jeden Trend offen zu bleiben (lacht).

Wir haben bei der Führung durch die Werkhalle gesehen, wie schnell Ihre Maschinen laufen, kaum versieht man sich, sind Tausend Stück gedruckt. Was passiert, wenn man einen Fehler am Cover entdeckt? Diese Geschwindigkeit macht mich furchtbar nervös!

Das ist dann der Super-GAU. Der positive Super-GAU ist, es fällt dir rechtzeitig auf. Dann muss man mit der Kundin reden, wie man weiter vorgeht. Der schlimmste Fall ist, es fällt niemanden auf, und die Druckerei war am Ende auch noch schuld – das ist natürlich für uns ein Wahnsinn. Die schlimmsten Szenen spielen sich ja dann ab, wenn es irgendwelche Präsentationstermine gibt. Nehmen Sie das 50-Jahre-Fellner-Jubiläum, für das wir einen dicken Schmöker gedruckt hatten. Da kamen die Daten zu spät. Das ist eine Riesenkatastrophe, weil sie müssen ja für das Event, zu dem 300 Leute geladen sind, liefern. Dann heißt es am Ende noch, die Print Alliance hätte nicht geliefert. 

Haben Sie es rechtzeitig geschafft?

Ja, wir haben es geschafft. Ich bin oft in der Nacht hier, weil ich mich vergewissern will, wie gearbeitet wird und was unsere Leute tun. Das ist meine Aufgabe. 

Müssen Sie als Druckerei sensibel mit Daten umgehen? Wir durften in der Werkhalle nicht alles fotografieren.

Wenn neue Produkte gelauncht werden, von denen die Konkurrenz nichts wissen darf oder bei Parteiplakaten, ist das natürlich ein Thema. Wir wählen die Produktionsslots so, dass sich die Parteien oder andere Auftraggeberinnen nicht in die Quere kommen. Positives Feedback von Kundinnen erhält man eigentlich nur sehr selten. Aber wenn man es bekommt, ist das dann schon sehr wohltuend.

Wir danken für die Führung und das interessante Gespräch!

Robert Plaschko ist Vorstand der P&V Holding und Geschäftsführer der Print Alliance, zu der sich Ende vergangenen Jahres vier Druckereien zusammengeschlossen haben: die AV+Astoria, Agensketterl, Grasl Fairprint und Schreier & Braune. Er ist Vater zweier erwachsener Kinder und verheiratet. Die Print Alliance ist spezialisiert auf aufwendige Broschüren, Geschäftsdrucksorten, Kunstdrucke, Kataloge und qualitative Bücher, Mailings und Packaging und verfügt über einen der modernsten Druckmaschinenparks in Österreich. 

Der Fleischer

Text: Antje Mayer-Salvi mit Lisa Lugerbauer, Fotos: Christian Anwander

Heute ist Leopold Hödl schon um halb zwei Uhr morgens aufgestanden, um „seine Viecher“, aus denen er später Wurst, Steak und Schnitzel fabriziert, persönlich auszusuchen. Er führt die letzte Metzgerei in Wien, die noch selbst schlachtet. Der Geruch nach Blut und Tiere zu töten, macht ihm nichts aus. Massentierhaltung und grenzenloser Fleischkonsum ist ihm allerdings zuwider. Schon als kleiner Bub ging er seinen Eltern Leopold und Leopoldine zur Hand. Seine größten Leidenschaften sind sein Beruf und seine Frau.

Das Viadukt

Text: C/O Vienna Magazine

Das Viadukt im sechsten Wiener Gemeindebezirk ist die erste und bisher einzige offene Siebdruckwerkstatt der Stadt. Ein Gespräch mit Gründerin Bernadette Meisel und Druckerin Pippa Parragh, die uns im folgenden Video durch ihre neue Ausstellungsreihe At the Printing Table führen und Einblicke in die wachsende Wiener Siebdruckszene gewähren. 

Bernadette Meisel