Jork Weismann ist ein international ausgezeichneter, weltweit gefragter Fashion- und Porträtfotograf.
Er arbeitet mit Supermodels wie Gisele Bündchen, Tatjana Patitz,
Caroline de Maigret oder Toni Garrn. Seine Bilder sind intensiv und
minimalistisch. Sein Stil wird als cinematisch beschrieben. Daheim ist
er im dritten Wiener Bezirk. Wir trafen ihn auf einen Drink.
„Nach einem Tag wird dir oft überhaupt erst klar, nach was du suchst."
Das Hotel Chateau Marmont in Hollywood ist bekannt für seine Partys und prominenten Gäste. Jork Weismann fotografierte sie schlafend. (Buch "Asleep at the Chateau", Damiani Verlag, 2012, ISBN: 8862082428)
Petra Zechmeister: Danke, dass Du dir heute Zeit für unser Interview genommen hast. Wen hast Du kürzlich portraitiert?
Jork Weismann: Im Auftrag des Playboy Magazines US Freedom Issue
July/August habe ich den amerikanischen Journalist und Schriftsteller Ta-Nehisi Coates
in Paris fotografiert. Seit März gibt es keine Nacktfotos mehr im
Playboy. Das Magazin wurde neu konzipiert, und Qualitätsjournalismus
steht wieder im Vordergrund. Coates Nr. 1 Bestseller-Buch über Rassismus
und amerikanischer Identität Between the world and me, liegt mittlerweile auch auf Deutsch vor.
Wie läuft so ein Shoot ab? Arbeiten amerikanische Magazine anders als in Europa?
Es läuft alles sehr strukturiert ab. Jede Abteilung hat seine eigene
Zuständigkeiten. Es sind eine Menge Leute involviert, aber es klappt in
der Regel alles sehr gut. Zum Shoot für das Interview im Freedom Issue
wurden vom Magazin sogar verschiedene Backgrounds ins Hotel geschickt.
Das ist schon sehr unüblich für europäische Verhältnisse.
Du portraitierst Menschen in vielerlei Umgebungen. Im Hotel, in ihren Ateliers, in der Natur oder in Mode posierend am Set. Wo am liebsten?
Ich fotografiere gerne in ihrer privaten Umgebung, da dies einfach
spannender ist. Ta-Nehisi Coates, der mit seiner Familie zur Zeit in
Paris lebt, wollte aber lieber im Hotel bleiben. Das Shooting im
Hotelzimmer des Interviewers war nicht einfach, denn bei Coates
Körpergröße von einsneunzig und einer Raumhöhe von zwei Metern, hilft
auch das höchste Zimmer des Hotels, das uns zur Verfügung gestellt
wurde, nicht sehr viel.
Jork Weismann: "Oft hätte ich gerne zwei Tage für ein Shooting zur Verfügung. Nach einem Tag wird dir oft überhaupt erst klar, nach was du suchst."
War nicht Paris auch Anfang Deiner ausserordentlichen Karriere?
Ja, neben London. Ich habe damals in Paris angefangen viel für das Fashion Magazin „Purple“
zu arbeiten. Der Herausgeber Olivier Zahm war mein erster Auftraggeber.
Er schaffte es zu Beginn des Magazins jeden Monat grad so über die
Runden. Das Honorar war nicht hoch und ich musste auch besser bezahlte,
kommerzielle Jobs annehmen. Aber das hat extrem viel Spass gemacht. Ich
mache gerne Werbung.
Und dann werden die Bilder rausgeschickt?
Nein, dann beginnt die eigentliche Arbeit. Die Arbeit am Set geht
schnell, auch wenn die Zeit knapp ist. Die Selektion, das Editieren am
Bildschirm, das ist alles am zeitaufwändigsten.
Welche Erwartung hast Du Deinen Bildern gegenüber?
Fotos sind immer mit Risiko behaftet. Shootings werden weggeworfen, und
dann macht man es eben noch einmal. Oft hätte ich gerne zwei Tage für
ein Shooting zur Verfügung. Nach einem Tag wird dir oft überhaupt erst
klar, nach was du suchst.
„In Amerika höre ich: I wish I could do that. Hier heißt es: Das mach ich mir selber!"
Du wurdest mit den wichtigsten internationalen Awards ausgezeichnet u. a. auch mit dem Leads Awards 2013.
Lead Awards hab ich immer wieder – was mich natürlich sehr freut – wie
etwa für das Foto „Wenn es dunkel wird in L.A.“, das im Zeit Magazin
Nummer 43 erschien. Das Projekt hat so angefangen, dass ich Annie Leibovitz
fotografieren sollte. Sie war müde und nervös. Ich bat sie, doch
einfach für einen Moment ihre Augen zu schließen. Diese Aufnahmen im
Hotel Chateau Marmont in L.A. waren dann die besten. So entstand die
Idee zum Buch Asleep at the Chateau schlafender Hotelgäste im Chateau.
Das Chateau Marmont gehört dem einflussreichen Hotelier Andre Balazs. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Sehr gut. Andre gefiel die Idee sofort. Er war enthusiastisch. Das Buch
ist eine Hommage an dieses legendäre Hollywood-Hotel-Schloss. Ich
fotografierte im Chateau die Hotelgäste Patti Smith, Orlando Bloom, Eva
Longoria, Usher und Jürgen Teller und noch viele andere. Alle
„schlafend“ mit geschlossenen Augen. Ein Schauspieler, wahrscheinlich im
Method Acting ausgebildet, bestand darauf, dass ich mitten in der Nacht
zu ihm ins Zimmer schleichen sollte, um ihn echt schlafend zu
fotografieren. Bret Easton Ellis schrieb das Vorwort, und das Buch kam 2012 bei Damiani raus. Das ging alles recht schnell.
Wie findest Du L.A.?
Mir gefällt L.A. sehr gut. Ich fühle mich in der Stadt wohl. Viele
meiner Freunde leben dort. Wir halten Kontakt, auch wenn es nur über ein
kurzes Email ist. Es reizt mich, wieder von Wien nach L.A. zu
übersiedeln.
Der gebürtige Gmundner Jork Weismann ist international gefragt. Er arbeitet für Publikationen wie „Harper´s Bazaar“, „Interview“, „New York Times“, „Purple“, das „Zeit-Magazin“, „Achtung“ u.v.m.
Du wirst ja überwiegend international gebucht. Metropolen wie London, Paris, New York und Los Angeles. Wie bist Du letztlich in Wien gelandet?
Vor ein paar Jahren hat sich das ergeben. Meine Frau Michaela Schwarz Weismann
und ich lebten damals länger in London. Ein Großteil meiner Aufträge
kamen zu dieser Zeit aber aus Paris und Deutschland. Die Wohnsituation
in London war sehr beengt und unsere Miete horrend hoch. Ich war die
meiste Zeit nicht da und es erschien uns logisch, wegzugehen. Wien war
damals günstig, und wir mieteten eine Wohnung in der Arsenalgegend, in
der wir auch heute noch wohnen. In der ersten Zeit wussten wir gar
nicht, was wir mit den zwei Extrazimmern anfangen sollten. Sie standen
leer. Wir waren so daran gewöhnt mit wenig Platz zurechtzukommen. Leider
hat sich der Mietpreis über die Jahre jetzt verdoppelt.
Was gefällt Dir an Wien?
In Wien lässt es sich trotzdem immer noch einfach, unkompliziert und
entspannt leben. Die Wiener jammern immer, obwohl es ihnen
vergleichsweise gut geht. Es gibt viele tolle Restaurants mit guter
Qualität. Das Niveau ist hoch und die Preise sind o.k. In London ist das
ganz anders. Es ist schwierig, einen halbwegs leistbaren, guten
Italiener zu finden – im Gegensatz dazu fallen mir in Wien gleich
mehrere ein.
Wo könnte sich Wien Deiner Meinung nach noch verbessern?
Die visuelle Qualität in der Stadt ist nicht sehr stark ausgeprägt. Ich
weiß nicht, ob es mit der Vertreibung der Juden aus Österreich zu tun
hat, der Zwangsemigration so vieler Regisseure, Kameramänner,
Photografen – meist nach Hollywood – oder an einer mangelnden Bildung
und Erziehung. Anders ist das in der Musik. Wien gilt ja weltweit als
das Mekka für klassische Musik. Alle Musiker wollen hierher. Unsere
Nachbarin ist eine amerikanische Opernsängerin. In ihrer Wohnung finden
oft Sessions statt. Zusammengefasst kann man sagen, Wien ist eine
Musikstadt mit langer Tradition, der aber leider jegliches ästhetisches
Bewusstsein fehlt.
„Der Trend wendet sich gerade vom Proll zu mehr Klassik."
Erfährst Du in Amerika eine andere Wertschätzung Deines Berufs?
Ja, der Stellenwert ist ein anderer. Für mich ist die Kamera mein
Instrument. In Amerika höre ich „I wish I could do that“, hier heißt es,
„das mach ich mir selber“. In Wien hast du vergleichsweise ein Zehntel
des Budgets. Es gibt keinen Unterschied zwischen guten und schlechten
Bildern. Das Motto ist: „sieht ja eh keiner“, was aber nicht stimmt. Es
herrscht eine Geiz-ist-geil-Mentalität vor und damit wird wirklich alles
weniger wert. Es ist wahnsinnig schwierig, Qualität zu vermitteln, denn
die kostet auch etwas. Damit Du mich aber nicht falsch verstehst, in
Wien gibt es auch Weltklasse Art Direktoren mit einem extrem guten
Verständnis. Das Dagegen-Kämpfen ist eine gute Position für mich. Sie
stachelt mich geradezu an (lacht).
Jürgen Teller, den Du für das Buch portraitiert hast, macht es Spaß, sich selbst zu fotografieren – auch nackt, oder wenigstens in kurzen Hosen. Ebenso Terry Richardson, der gerne mal seinen Assistenten oder Models die Kamera gibt. Lässt Du dich gerne fotografieren?
Nein, leider überhaupt nicht.
Warum leider? Terry Richardson schockierte 2003 mit seiner Dauererektion in „Terryworld“ doch wunderbar. Heute posiert er unverkennbar in seinem Flanellhemd mit breitem Schnauzbart. Jeder kennt ihn und seine Bilderwelt.
Die beiden kreierten einen Brand mit enormen Mehrwert. Sie zelebrieren
geradezu ihre Selbstinszenierung. Ich kann das leider nicht. Jürgen Teller finde ich nicht unsympathisch. Seine „Irene im Wald“-Serie
mit seiner Mutter gefiel mir gut. Ich mag seine Arbeit. Mit Olivier
Zahm, dem Gründer des Purple Magazin, bin ich seit den Neunziger Jahren
befreundet, und ich habe dort auch Terry Richardson
kennengelernt. 1994 hatten wir sogar alle gemeinsam eine Show in Japan.
Terry riet damals Olivier einen Brand aufzubauen. Bei Olivier
funktionierte es. Wie schon erwähnt, ich kann das nicht.
Wird dieses „Dirty People“ mittlerweile nicht etwas inflationär, abgenutzt und langweilig?
Ja, der Trend wendet sich gerade vom Proll zu mehr Klassik, im Stil und
in der Ästhetik der Achtziger und Neunziger Jahre hin. Für mich ist Mode
etwas schönes, elegantes. Das kommt jetzt meiner Arbeit sehr entgegen!
Helmut Newton, Lord Snowdon, dann Guy Bourdin, aber eigentlich tue ich mir schwer mit Vorbildern, aber Newton ist derjenige, der alles wusste...
Digital oder analog?
Jetzt wieder öfters analog. Analog immer vor digital.
Danke für das Gespräch und die tollen Photos!
Jork Weismann und seine Frau und Model Michaela Schwarz Weismann (Foto aus dem Privatarchiv)
Jork Weismanns Arbeiten gewannen Preise weltweit. Gold in der
Kategorie „Fashion“ des jährlichen SPD in New York (2014), ein Löwe in
Cannes (2014), D & AD/London (2014) Lead Awards/Hamburg, Vienna
Fashion Award, Prix de la Photographie / Hyeres, CCA/Vienna. Annie
Leibovitz posiert für ihn, so wie auch Udo Kier, Matt Dillon, oder Eva
Longoria, die er sogar mal nackt vor seiner Kamera inszenierte. Seine
Arbeiten erscheinen in Mode- und Lifestyle Magazinen wie Harper’s Bazaar, Interview, Achtung, Purple, Dazed & Confused, Monocle, FAZ, Süddeutsche Magazin, Zeit-Magazin, Conde Nast Traveller, GQ, Jalouse, Squint, New York Times Magazine oder Vanity Fair.
Zu
seinen Kampagnen für kommerzielle Kunden zählen Kostas Murkudis,
Bogner, Mitch & Co, Mercedes, Der Spiegel, Bogner Jeans, Bank
Austria, Wiener Städtische, Palmers, Generali, Bipa, TheStandard Hotels,
Fly Porter, Vöslauer, Maendler, Marco Polo, Impulstanz, Schiesser, New
York Industries, Raiffeisen, bet-at-home.com, Kleine Zeitung, Bad
Gastein, Wiener Festwochen und Viennale.