Der Fashion Photographer

Schlaflos und elegant

Jork Weismann ist ein international ausgezeichneter, weltweit gefragter Fashion- und Porträtfotograf. Er arbeitet mit Supermodels wie Gisele Bündchen, Tatjana Patitz, Caroline de Maigret oder Toni Garrn. Seine Bilder sind intensiv und minimalistisch. Sein Stil wird als cinematisch beschrieben. Daheim ist er im dritten Wiener Bezirk. Wir trafen ihn auf einen Drink.

Text: Petra Zechmeister

Jork Weismann

„Nach einem Tag wird dir oft überhaupt erst klar, nach was du suchst."

Petra Zechmeister: Danke, dass Du dir heute Zeit für unser Interview genommen hast. Wen hast Du kürzlich portraitiert?

Jork Weismann: Im Auftrag des Playboy Magazines US Freedom Issue July/August habe ich den amerikanischen Journalist und Schriftsteller Ta-Nehisi Coates in Paris fotografiert. Seit März gibt es keine Nacktfotos mehr im Playboy. Das Magazin wurde neu konzipiert, und Qualitätsjournalismus steht wieder im Vordergrund. Coates Nr. 1 Bestseller-Buch über Rassismus und amerikanischer Identität Between the world and me, liegt mittlerweile auch auf Deutsch vor.

Wie läuft so ein Shoot ab? Arbeiten amerikanische Magazine anders als in Europa?

Es läuft alles sehr strukturiert ab. Jede Abteilung hat seine eigene Zuständigkeiten. Es sind eine Menge Leute involviert, aber es klappt in der Regel alles sehr gut. Zum Shoot für das Interview im Freedom Issue wurden vom Magazin sogar verschiedene Backgrounds ins Hotel geschickt. Das ist schon sehr unüblich für europäische Verhältnisse.

Du portraitierst Menschen in vielerlei Umgebungen. Im Hotel, in ihren Ateliers, in der Natur oder in Mode posierend am Set. Wo am liebsten?

Ich fotografiere gerne in ihrer privaten Umgebung, da dies einfach spannender ist. Ta-Nehisi Coates, der mit seiner Familie zur Zeit in Paris lebt, wollte aber lieber im Hotel bleiben. Das Shooting im Hotelzimmer des Interviewers war nicht einfach, denn bei Coates Körpergröße von einsneunzig und einer Raumhöhe von zwei Metern, hilft auch das höchste Zimmer des Hotels, das uns zur Verfügung gestellt wurde, nicht sehr viel.

War nicht Paris auch Anfang Deiner ausserordentlichen Karriere?

Ja, neben London. Ich habe damals in Paris angefangen viel für das Fashion Magazin „Purple“ zu arbeiten. Der Herausgeber Olivier Zahm war mein erster Auftraggeber. Er schaffte es zu Beginn des Magazins jeden Monat grad so über die Runden. Das Honorar war nicht hoch und ich musste auch besser bezahlte, kommerzielle Jobs annehmen. Aber das hat extrem viel Spass gemacht. Ich mache gerne Werbung.

Und dann werden die Bilder rausgeschickt?

Nein, dann beginnt die eigentliche Arbeit. Die Arbeit am Set geht schnell, auch wenn die Zeit knapp ist. Die Selektion, das Editieren am Bildschirm, das ist alles am zeitaufwändigsten.

Welche Erwartung hast Du Deinen Bildern gegenüber?

Fotos sind immer mit Risiko behaftet. Shootings werden weggeworfen, und dann macht man es eben noch einmal. Oft hätte ich gerne zwei Tage für ein Shooting zur Verfügung. Nach einem Tag wird dir oft überhaupt erst klar, nach was du suchst.

„In Amerika höre ich: I wish I could do that. Hier heißt es: Das mach ich mir selber!"

Du wurdest mit den wichtigsten internationalen Awards ausgezeichnet u. a. auch mit dem Leads Awards 2013.

Lead Awards hab ich immer wieder – was mich natürlich sehr freut – wie etwa für das Foto „Wenn es dunkel wird in L.A.“, das im Zeit Magazin Nummer 43 erschien. Das Projekt hat so angefangen, dass ich Annie Leibovitz fotografieren sollte. Sie war müde und nervös. Ich bat sie, doch einfach für einen Moment ihre Augen zu schließen. Diese Aufnahmen im Hotel Chateau Marmont in L.A. waren dann die besten. So entstand die Idee zum Buch Asleep at the Chateau schlafender Hotelgäste im Chateau.

Das Chateau Marmont gehört dem einflussreichen Hotelier Andre Balazs. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Sehr gut. Andre gefiel die Idee sofort. Er war enthusiastisch. Das Buch ist eine Hommage an dieses legendäre Hollywood-Hotel-Schloss. Ich fotografierte im Chateau die Hotelgäste Patti Smith, Orlando Bloom, Eva Longoria, Usher und Jürgen Teller und noch viele andere. Alle „schlafend“ mit geschlossenen Augen. Ein Schauspieler, wahrscheinlich im Method Acting ausgebildet, bestand darauf, dass ich mitten in der Nacht zu ihm ins Zimmer schleichen sollte, um ihn echt schlafend zu fotografieren. Bret Easton Ellis schrieb das Vorwort, und das Buch kam 2012 bei Damiani raus. Das ging alles recht schnell.

Wie findest Du L.A.?

Mir gefällt L.A. sehr gut. Ich fühle mich in der Stadt wohl. Viele meiner Freunde leben dort. Wir halten Kontakt, auch wenn es nur über ein kurzes Email ist. Es reizt mich, wieder von Wien nach L.A. zu übersiedeln.

Du wirst ja überwiegend international gebucht. Metropolen wie London, Paris, New York und Los Angeles. Wie bist Du letztlich in Wien gelandet?

Vor ein paar Jahren hat sich das ergeben. Meine Frau Michaela Schwarz Weismann und ich lebten damals länger in London. Ein Großteil meiner Aufträge kamen zu dieser Zeit aber aus Paris und Deutschland. Die Wohnsituation in London war sehr beengt und unsere Miete horrend hoch. Ich war die meiste Zeit nicht da und es erschien uns logisch, wegzugehen. Wien war damals günstig, und wir mieteten eine Wohnung in der Arsenalgegend, in der wir auch heute noch wohnen. In der ersten Zeit wussten wir gar nicht, was wir mit den zwei Extrazimmern anfangen sollten. Sie standen leer. Wir waren so daran gewöhnt mit wenig Platz zurechtzukommen. Leider hat sich der Mietpreis über die Jahre jetzt verdoppelt.

Was gefällt Dir an Wien?

In Wien lässt es sich trotzdem immer noch einfach, unkompliziert und entspannt leben. Die Wiener jammern immer, obwohl es ihnen vergleichsweise gut geht. Es gibt viele tolle Restaurants mit guter Qualität. Das Niveau ist hoch und die Preise sind o.k. In London ist das ganz anders. Es ist schwierig, einen halbwegs leistbaren, guten Italiener zu finden – im Gegensatz dazu fallen mir in Wien gleich mehrere ein.

Wo könnte sich Wien Deiner Meinung nach noch verbessern?

Die visuelle Qualität in der Stadt ist nicht sehr stark ausgeprägt. Ich weiß nicht, ob es mit der Vertreibung der Juden aus Österreich zu tun hat, der Zwangsemigration so vieler Regisseure, Kameramänner, Photografen – meist nach Hollywood – oder an einer mangelnden Bildung und Erziehung. Anders ist das in der Musik. Wien gilt ja weltweit als das Mekka für klassische Musik. Alle Musiker wollen hierher. Unsere Nachbarin ist eine amerikanische Opernsängerin. In ihrer Wohnung finden oft Sessions statt. Zusammengefasst kann man sagen, Wien ist eine Musikstadt mit langer Tradition, der aber leider jegliches ästhetisches Bewusstsein fehlt.

„Der Trend wendet sich gerade vom Proll zu mehr Klassik."

Erfährst Du in Amerika eine andere Wertschätzung Deines Berufs?

Ja, der Stellenwert ist ein anderer. Für mich ist die Kamera mein Instrument. In Amerika höre ich „I wish I could do that“, hier heißt es, „das mach ich mir selber“. In Wien hast du vergleichsweise ein Zehntel des Budgets. Es gibt keinen Unterschied zwischen guten und schlechten Bildern. Das Motto ist: „sieht ja eh keiner“, was aber nicht stimmt. Es herrscht eine Geiz-ist-geil-Mentalität vor und damit wird wirklich alles weniger wert. Es ist wahnsinnig schwierig, Qualität zu vermitteln, denn die kostet auch etwas. Damit Du mich aber nicht falsch verstehst, in Wien gibt es auch Weltklasse Art Direktoren mit einem extrem guten Verständnis. Das Dagegen-Kämpfen ist eine gute Position für mich. Sie stachelt mich geradezu an (lacht).

Jürgen Teller, den Du für das Buch portraitiert hast, macht es Spaß, sich selbst zu fotografieren – auch nackt, oder wenigstens in kurzen Hosen. Ebenso Terry Richardson, der gerne mal seinen Assistenten oder Models die Kamera gibt. Lässt Du dich gerne fotografieren?

Nein, leider überhaupt nicht.

Warum leider? Terry Richardson schockierte 2003 mit seiner Dauererektion in „Terryworld“ doch wunderbar. Heute posiert er unverkennbar in seinem Flanellhemd mit breitem Schnauzbart. Jeder kennt ihn und seine Bilderwelt.

Die beiden kreierten einen Brand mit enormen Mehrwert. Sie zelebrieren geradezu ihre Selbstinszenierung. Ich kann das leider nicht. Jürgen Teller finde ich nicht unsympathisch. Seine „Irene im Wald“-Serie mit seiner Mutter gefiel mir gut. Ich mag seine Arbeit. Mit Olivier Zahm, dem Gründer des Purple Magazin, bin ich seit den Neunziger Jahren befreundet, und ich habe dort auch Terry Richardson kennengelernt. 1994 hatten wir sogar alle gemeinsam eine Show in Japan. Terry riet damals Olivier einen Brand aufzubauen. Bei Olivier funktionierte es. Wie schon erwähnt, ich kann das nicht.

Wird dieses „Dirty People“ mittlerweile nicht etwas inflationär, abgenutzt und langweilig?

Ja, der Trend wendet sich gerade vom Proll zu mehr Klassik, im Stil und in der Ästhetik der Achtziger und Neunziger Jahre hin. Für mich ist Mode etwas schönes, elegantes. Das kommt jetzt meiner Arbeit sehr entgegen!

Darf ich Dir noch kurz zum Abschluss ein paar Fragen stellen? Ein tolles österreichisches Model?

Eine österreichische Agentur?

Grafisches Büro in Wien.

Vorbilder in der Fashion Photography?

Helmut Newton, Lord Snowdon, dann Guy Bourdin, aber eigentlich tue ich mir schwer mit Vorbildern, aber Newton ist derjenige, der alles wusste...

Digital oder analog?

Jetzt wieder öfters analog. Analog immer vor digital.

Danke für das Gespräch und die tollen Photos!

Jork Weismanns Arbeiten gewannen Preise weltweit. Gold in der Kategorie „Fashion“ des jährlichen SPD in New York (2014), ein Löwe in Cannes (2014), D & AD/London (2014) Lead Awards/Hamburg, Vienna Fashion Award, Prix de la Photographie / Hyeres, CCA/Vienna. Annie Leibovitz posiert für ihn, so wie auch Udo Kier, Matt Dillon, oder Eva Longoria, die er sogar mal nackt vor seiner Kamera inszenierte. Seine Arbeiten erscheinen in Mode- und Lifestyle Magazinen wie Harper’s Bazaar, Interview, Achtung, Purple, Dazed & Confused, Monocle, FAZ, Süddeutsche Magazin, Zeit-Magazin, Conde Nast Traveller, GQ, Jalouse, Squint, New York Times Magazine oder Vanity Fair.

Zu seinen Kampagnen für kommerzielle Kunden zählen Kostas Murkudis, Bogner, Mitch & Co, Mercedes, Der Spiegel, Bogner Jeans, Bank Austria, Wiener Städtische, Palmers, Generali, Bipa, TheStandard Hotels, Fly Porter, Vöslauer, Maendler, Marco Polo, Impulstanz, Schiesser, New York Industries, Raiffeisen, bet-at-home.com, Kleine Zeitung, Bad Gastein, Wiener Festwochen und Viennale.

www.jorkweismann.com

Der Fotograf des Monats: Thomas Albdorf

Text: C/O Vienna Magazine

Hashtags. Emojis. Selfies. Geradezu übersättigt an Bildern und Eindrücken fühlt sich die Social-Media-Blase, in der wir uns täglich bewegen, an. Gerade deshalb wollen wir als Magazin spannenden Positionen aus dem Bereich der Fotografie eine Bühne bieten. In Zeiten von Instagram-Algorithmen und permanenter Selbstvermarktung erkennen wir den Mehrwert einer kuratierten Auswahl an Bildern. Den Beginn unserer Serie, in der wir ausgewählten Fotografinnen eine Plattform bieten, macht Thomas Albdorf. In seiner Arbeit erforscht er vor allem die Schnittstellen zwischen Fotografie und Skulpturen. Ein Bild ist für ihn nicht abgeschlossene Einheit, sondern eröffnet unzählige Möglichkeiten, vor allem im Bereich der Postproduktion

Die Koi

Text: Lara Ritter

Einzigartige Outfits, ausgefallene Musikvideos und Songs im Stil der 80er: Sängerin Ankathie Koi zählt nicht umsonst zu den Paradiesvögeln der heimischen Musikszene. Wir haben mit ihr ein Gespräch über PORNOSSCHULTERPOLSTER und das STERBEN geführt. 

Die Sängerin Ankathie Koi

Die Modejournalistin

Text: Antje Mayer-Salvi, Fotos: Rafaela Pröll

Brigitte Winkler, ©Rafaela Pröll, Brigitte Winkler, ©Rafaela Pröll, Styling: Simon Winkelmüller, Makeup/Hair: Nicole Jaritz, Fotoassistenz: Philipp Haffner

Brigitte R. Winkler ist die Doyenne des österreichischen Modejournalismus und eine unermüdliche Förderin junger österreichischer Designerinnen. Sie sei die erste Modebloggerin des Landes gewesen, so die Fashionexpertin ironisch über sich selbst. Noch immer jettet sie unermüdlich um die Welt, um an vorderster Front von den großen Shows mit der eigenen Kamera zu berichten.