(Nicht) blunzn
Heute ist Leopold Hödl schon um halb zwei Uhr morgens aufgestanden, um „seine Viecher“, aus denen er später Wurst, Steak und Schnitzel fabriziert, persönlich auszusuchen. Er führt die letzte Metzgerei in Wien, die noch selbst schlachtet. Der Geruch nach Blut und Tiere zu töten, macht ihm nichts aus. Massentierhaltung und grenzenloser Fleischkonsum ist ihm allerdings zuwider. Schon als kleiner Bub ging er seinen Eltern Leopold und Leopoldine zur Hand. Seine größten Leidenschaften sind sein Beruf und seine Frau.
„Kommt’s doch auf eine Leberkässemmel vorbei!“
Als Sie das erste Mal ein Tier geschlachtet haben, wie alt waren Sie?
Leopold Hödl: Damals war ich ein kleiner Bub, vielleicht acht, neun Jahre alt. Älter war ich sicher nicht. Es war ein Spanferkel.
Und wie war das damals für Sie?
Das war ein Erlebnis! Mein Opa hat gesagt: „Da, nimm das Messer“, und dann hat er mir das gezeigt.
Haben Sie es schon einmal nicht übers Herz gebracht, ein Tier zu schlachten?
Nein. Denn wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Und ich mache das richtig! Wenn wir Menschen sterben, haben wir sicher mehr Schmerzen als die Tiere bei mir. Besser ich mache das, als irgendjemand, der nur gehört hat, dass es ein Messer gibt und einfach reinsticht.
„Man hat die Kuh gestreichelt.“
Warum ist Ihr Betrieb der letzte in Wien, der noch selbst schlachtet?
Wir sind mit Leib und Seele Fleischhauer und haben die strengen Auflagen schon immer erfüllt. Ich will kein normales Fleisch haben. Ich muss wissen, von welchem Bauern die Tiere kommen und wie sie gefüttert wurden. Ich kaufe kein Kalbfleisch, das 15.000 Kilometer hergefahren wurde. Ich kaufe auch kein Fleisch in Wien, das zum Abstechen in die Steiermark gefahren wird. Das ist für mich kein Qualitätsfleisch. Ich will keine gestressten Stiere, die rumgejagt werden, bis es zur Schlachtung kommt. Das ist minderwertiges Fleisch für mich.
Was tun Sie, damit die Schlachttiere keinen Stress bekommen?
Die Tiere werden abgeholt und sofort geschlachtet. Ansonsten regen sie sich zu sehr auf. Mit der Boxenhaltung heutzutage kennen die Tiere die Bauern nicht mehr. Früher hat die Kuh sie ein Leben lang gekannt und war ruhig. Man hat die Kuh gestreichelt. Dass das heute anders ist, sieht man schon im Umgang beim Melken. Früher wurde das Schammerl (Anm.: kleiner Hocker) genommen und das Tier hat gewusst, dass die Bäuerin immer wieder kommt und nichts tut. Heute schmeißen sie ihnen die Pumpen auf die Euter, dann kommt die Milch runter und dann treibt man die Kuh wieder hinaus. Und aus. An dem allem ist die Menschheit schuld.
„Sie kommen raus und zack.“
Welche Tiere schlachten Sie?
Alles außer Federvieh.
Wissen die Tiere, dass sie sterben werden?
Nein, glaube ich nicht. Bei uns nicht, dafür geht es zu schnell. Die werden geholt, kommen über Nacht in den Stall, kommen raus und zack. Das geht bei uns so schnell.
Was ist das Schöne am Fleisch?
Das Schöne ist, wenn ich die Tiere kaufe und schlachte. Sie hängen dann im Kühler unten und wenn ich sie später verkaufe und ein paar Tage später kommt die Kundschaft und sagt: „Heast, das Fleisch war extrem super. Das hat mir geschmeckt“, dann habe ich eine Freude mit allem. So weiß man, dass es der richtige Weg ist. Ich schätze es sehr, mit den Tieren und den Leuten im ständigen Kontakt zu sein. Ich arbeite gern mit Tieren. Auch das Verkaufen von Fleisch macht mir Spaß.
„Die Gewohnheiten der Leute haben sich umgedreht, das Fleisch hat sich nicht umgedreht.“
Gehen wir Ihren Arbeitsalltag durch, wie läuft das täglich ab bei Ihnen?
Heute bin ich um halb zwei Uhr in der Früh aufgestanden, um die Tiere zu holen. Anschließend kommt um sechs Uhr der Veterinär, der eine Lebendbeschau – eine Fleischbeschau – durchführt. Die Tiere werden dann von ihm zur Schlachtung freigegeben. Danach machen wir Wurst und bereiten das Fleisch für die Kundschaft vor. Um halb ein Uhr mittags gehen wir in die Pause und um halb vier Uhr am Nachmittag sperren wir das Geschäft wieder auf. Aber nur das Geschäft, sonst arbeiten wir nichts.
Essen Sie Fleisch?
Ja! Aber nur meines!
„Der Geruch von Blut macht mir nichts.“
Der Trend geht ja in Richtung weniger Fleisch essen. Finden Sie es richtig, dass wir Menschen so viel Fleisch essen?
Nein, nein. Das würde ich so erklären: Früher hat es Sonntagskleidung gegeben und eine einzige Kleidung für alle anderen Tage. Früher hat es auch ein Sonntagsessen gegeben und ein Wochenessen. Unter der Woche meist Gemüse und am Sonntag hat die Mutter einen Schweinsbraten gemacht – oder auch Schnitzel. Heute ist das so, dass die Leute am Montag ein Kalbsschnitzel essen, am Sonntag eine Blunzen und ein Schüttelfleisch mit Gemüse am Mittwoch. Die Gewohnheiten der Leute haben sich umgedreht, das Fleisch hat sich nicht umgedreht. Fleisch ist etwas Besonderes, etwas, auf das man sich freuen sollte. Zum Gastwirt geht man auch nicht alle Tage, oder ins Kino oder ins Theater. Und wenn, dann zieht man sich schöne Kleidung an. Aber heute geht man mit der Jeans oder der abgefuckten Hose ins Theater. Das sollte es wirklich nicht geben!
Wie oft konsumieren Sie Fleischprodukte?
Wurst esse ich jeden Tag. Die ist auch gesund und nahrhaft.
Legen Sie selbst auch manchmal „Veggie-Tage“ ein?
Vegetarische Tage? Nein. Nein, sicher nicht. Ich esse zwar nicht jeden Tag Fleisch, aber wegen dem bin ich auch kein Vegetarier. Ein Stück Wurst oder Schinken will ich immer kosten. Aber dann ist man schon wieder nicht vegetarisch. Man muss Wurst nicht in Mengen essen, man kann auch nur zwei, drei Räder essen.
Haben Sie schon vegane Fleischersatzprodukte probiert?
Nein! Nein, sicher nicht. Die Schwammerl kann ich auch so essen.
„Vegetarische Tage? Nein. Nein, sicher nicht.“
Können Sie nachvollziehen, warum Menschen eine Vigil (Anm.: Mahnwache für Tiere) abhalten?
Ich sage immer, dass ich das Vegane nicht schimpfen möchte. Aber die Veganer sollten ihr Gehirn einschalten. Denn wenn es zum Beispiel keine Jäger gäbe, dann würde es Millionen Rehe geben und wir hätten nichts zu essen, weil die unsere Felder leer fressen.
Also können Sie es nicht nachvollziehen? Haben Sie schon einmal eine Vigil miterlebt?
Nein, ich würde die Veganer sofort rausschmeißen. Es ist so. Die müssen alle zum Denken anfangen. Denn Lederschuhe, Ledertaschen und Ledergürtel wollen sie alle, dafür dürften dann aber auch keine Tiere sterben, oder? Ich halte von solchen Menschen nichts. Es ist auch nicht nahrhaft, was sie essen. Aber es geht mich auch nichts an.
Auf was könnten Sie nicht verzichten? Auf Ripperl, Schweinsbraten, Schnitzel oder Tafelspitz?
Ich esse alles gerne, das sage ich ganz ehrlich. Alles außer Pute.
Warum keine Pute?
Putenfleisch ist das billigste Fleisch, das am Markt ist. In den Putenfarmen brennt das Licht Tag und Nacht und die Tiere fressen sich dumm und deppert. Die haben überhaupt keine Ruhe. Jeder zweite will billiges Fleisch und billiges Gemüse kaufen. Aber niemand macht sich Gedanken, wo es herkommt und wie es dort aussieht. Auf das denkt niemand. Darum esse ich keine Pute, das sage ich ganz ehrlich.
„Ich kann nicht zusehen, wenn jemandem eine Spritze gegeben wird.“
Finden Sie es gut, wenn die Leute sehen, wie eine Schlachtung abläuft?
Nein, die sollen das eher weniger sehen. Manche Leute halten das nicht aus. Manche schon, manche nicht. Ich sag’s ganz ehrlich. Meine Kinder halten es schon aus, die sind damit aufgewachsen. Aber alle? Nein. Ich möchte auch nicht beim Operieren dabei sein, wo ein Bauch aufgeschnitten wird und ein Kind herauskommt. Ich war bei der Geburt meiner Kinder auch nicht im Spital dabei. Ich kann auch nicht zusehen, wenn jemandem eine Spritze gegeben wird.
Was macht eigentlich einen guten, was einen schlechten Schlächter aus?
Ein guter schlachtet so, dass die Tiere sofort tot sind. Ein schlechter schlachtet so, dass die Tiere leiden. Leider werden die schlechten immer mehr, weil es keine gute Ausbildung mehr gibt. Es lernen nicht mehr viele in Österreich das Fleischhackerhandwerk.
Gibt es bei der Ausbildung zum Fleischermeister eine Mutprobe?
Ja, da gibt es etwas. Aber das gibt es nur in Salzburg. Das nennt sich „Metzgersprung“. Wenn du ausgelernt bist, dann springt man – ich glaube es ist so – am Domplatz in ein großes Gefäß mit eiskaltem Wasser.
Was hassen Sie an ihrem Beruf?
Hassen? Ich mache das alles gerne! Ich hasse gar nichts daran. Was ich aber nicht gerne mache, ist das Ausnehmen der Gedärme von Feldhasen. Die sind immer eiskalt. Das ekelt mich.
Mögen Sie den Geruch von Blut?
Der Geruch von Blut macht mir nichts. Ich finde den super.
Sollte Fleisch teurer werden?
Ja, Fleisch sollte teurer werden. Fleisch kostet seit 30 Jahren das Gleiche. Besonders wenn ich es damit vergleiche, was ein Kilo Äpfel oder ein Kilo gemischtes Gebäck kostet. Das Gebäck ist oft doppelt so teuer wie Schnitzel. Aber das ist nicht den Bauern geschuldet, sondern die Supermärkte sind daran schuld. Die locken die Leute mit billigem Fleisch.
Was wünschen Sie sich seitens der Politik?
Die Politik müsste hier strenger eingreifen und ordentliche Gesetze beschließen. Politiker reden immer vom Tiertransport und dass man das so und so nicht machen darf – aber das gehört gesetzlich verankert! Dann können wir keine Kälber mehr nach Spanien exportieren und keine Kälber von Holland importieren. Dann dürfen wir eben nur noch unsere Kälber nehmen, ist doch genug. Es gehören Förderungen her und nicht in irgendwelche Drittländer exportiert. Aber niemand traut sich, das in die Hand zu nehmen.
„Meine Leidenschaft ist in erster Linie meine Frau.“
Abseits vom Beruf, haben Sie eine Leidenschaft, mit der Sie am liebsten Ihre Zeit „verschwenden“?
Meine Leidenschaft ist in erster Linie meine Frau. Sie ist meine Leidenschaft. Aber abseits von ihr ist es die Fleischhackerei.
Wenn es eine Zeitmaschine geben würde und Sie sich ein anderes Zukunfts-Szenario aussuchen könnten, wie würde das aussehen?
Für mich passt alles super, wie es ist. Vor ein paar Monaten erst habe ich mit meiner Frau geredet, noch lange vor dem Virus. Wir haben so ein Glück! Unsere Großeltern haben den Zweiten Weltkrieg mitgemacht, meine Eltern auch und wir? Wir müssen so etwas nicht miterleben. Aber jetzt mit dem Virus, das kann Unmengen an Menschen töten – und niemand kann etwas dagegen machen. Wenn ich im Fernsehen die syrischen Kinder sehe, denke ich mir auch immer, wie froh wir hier sein können. Schließlich kann man sich nicht aussuchen, wo man geboren wird! Aber so viele Leute sind unzufrieden, wollen mehr Urlaub, wollen das und jenes machen, und ich sage nur: „Bleibt doch mal am Ruder und denkt nach.“
Wollen Sie uns noch etwas mitgeben?
Ja, kommt’s doch einmal vorbei auf eine Leberkässemmel!
Sehr gerne!