Louis Vuitton oder Vouis Luitton?
Bei Immo Klink trifft Mode auf Aktivismus, denn der Londoner Fotograf verbindet Fashionfotografie mit Kapitalismuskritik. Diesen Spagat meistert er mit authentischen Aufnahmen, die mit kommerzieller Bildsprache spielen und zum Nachdenken bewegen. Fotografiert hat er unter anderem für Levi's, Benetton und das Magazin The New Yorker. In unserer Beauty Issue zeigen wir seine Fotoserie Mayday at Mayfair, die dokumentiert, wie am 1. Mai 2019 Londoner Luxusboutiquen ihre Schaufenster wegen angekündigter Krawalle von Kapitalismusgegnerinnen verbarrikadierten. Ein Gespräch über Konsumismus, Mode und Schönheit.
„Ein wunderschöner Moment, voller Ironie.“
Du hast die verbarrikadierten Boutiquen der Luxuslabels am 1. Mai in einem Edelviertel in London fotografiert. Warum?
2002, als die Bilder entstanden sind, war das Luxusviertel Mayfair die offiziell angekündigte Kampfzone der globalen Kapitalismusgegner, eine der teuersten Gegenden Londons und vielleicht sogar der Welt. Der Moment, den ich festhalte, war wunderschön: keine Autos auf der Straße, kaum Passanten, die Shops verbarrikadiert ...
... die Brands scheinen sich selbst zu zensieren.
Man konnte keine Luxusprodukte mehr in den Schaufenstern sehen, sondern nur noch die Labelnamen. Sowohl während meines Masters im Markenrecht als auch bei meinen kommerziellen Jobs stelle ich verstärkt fest, dass es seit der Jahrtausendwende Kundinnen und Kunden von teuren Nobelmarken längst nicht mehr um die Waren unter dem Qualitätssiegel einer Brand geht, sondern nur noch um die Brand. Sie wollen das Image des Labels kaufen und es so auf sich übertragen. Das wissen die Unternehmen natürlich und bedienen dieses Bedürfnis. Das System des Konsumismus und der Werbung lebt von dieser übertragenden Repräsentation.
Es war eine schöne Ironie, die sich aus diesem Tag ergeben hat. Sie offenbarte eine Wahrheit...
Die Labels, die Du zeigst, repräsentieren Luxus, Opulenz und Exklusivität. Warum geben wir dafür Geld aus?
Die Sehnsucht nach Luxus ist nicht schlecht, sie ist seit jeher ein starker Antrieb für den Fortschritt, für Innovation und die kühnsten Fantasien. Aber was ist Luxus? Darüber sollten wir nachdenken! Etwas Materielles, Zeit zum Nachdenken oder ein Tag mit meinen Söhnen in der Natur?
„Das Schöne ist selten geworden.“
Wieso ist Mode so eng mit dem Begriff Luxus verknüpft?
Das ist nicht zwingend so. Ich bin in den Neunzigern sozialisiert worden, damals herrschte noch ein ganz anderer Vibe in der Szene. Da haben Modedesigner noch wilde Aktionen mit irgendwelchen Skinheads veranstaltet. Mode kam von der Straße und hatte auch eine politische Message. Heute ist ein großer Teil der Branche komplett kommerzialisiert.
Und wann ist Mode in Deinen Augen gut?
Sie funktioniert, wenn sie ihre Antennen nach außen gerichtet hat. Man kann das Modebusiness zwischen Kunst und der Medienbranche verorten – in der Kunst gibt es immer diesen wahnsinnig schweren intellektuellen Überbau. In den Medien muss alles immer in eine Nachricht reinpassen. Bei Fashion gibt es, wenn sie wirklich gut ist, diesen einen Augenblick, in dem der Designer etwas spürt, das in der Luft liegt. Den Mode kann aufnehmen und das finde ich interessant.
Was ist für Dich schön?
Das Schöne ist selten geworden und für mich nicht mit Luxus verbunden. Schönheit ergibt sich aus dem Sinn. Wenn es ein Luxuslabel schafft, eine Stimmung zu transportieren und die Leute damit anzusprechen, dann ist das durchaus schön. Wie beispielsweise Alexander McQueen – seine Kollektionen waren kontrovers, ja teilweise geradezu furchteinflößend, aber sie berührten uns. Dieses Dunkle, Finstere in der Welt hat er gespürt, er hat die Zukunft gespürt. Wenn jemand es schafft, das Gefühl unserer Zeit auf den Punkt zu bringen, auch wenn das Ängste sind, wenn mich jemand emotional abholen kann, dann ist das für mich Schönheit.