Fliegen, Träumen und Karaoke
Lukas Oscar (Janisch) ist ein großes Talent der österreichischen Singer-Songwriter-Szene. Seine großartige Stimme und beeindruckende Bühnenpräsenz bezaubern. Seine Fangemeinde wird immer größer. Wir haben ihn zu Hause besucht. Vitya Vasyliev des ukrainischen Fotokollektivs Gorsad Kyiv hat für uns die grandiosen Fotos geschossen. Die Mode hat das junge Wiener Label Hisu Park designt. Ein Gespräch über frühen Ruhm, die Liebe zur Musik und eine Kindheit auf dem Bauernhof.
„I’m scared of the shit I do.“
Siehst Du Musik als Therapie?
Ja, definitiv! Ich kann so jede Kleinigkeit in meinem Leben unter die Lupe nehmen und ein Riesending daraus machen, ohne es in Wirklichkeit zu tun. Songs zu schreiben, ist perfekt dafür!
Julia Bauereiß: Beschreibe Deine Musik bitte in einem Satz!
Lukas Oscar Janisch: Ein Experimentierplatz für alle meine – ungewollten – Emotionen.
Auf Deiner ersten EP „Colors of A VOID“ scheinst Du in einigen Songs Selbsttherapie zu betreiben, was steckt dahinter?
Auf der EP zeigt jeder Song einen anderen Ausschnitt meines Lebens und behandelt Probleme und ernstere Themen, mit denen ich zu kämpfen hatte.
Kannst Du mir von einem dieser Momente erzählen?
Auf „One Big Blur“ beschreibe ich das spezifische Erlebnis, als mein Geist meinen Körper für ein paar Stunden verließ. Das fühlte sich an, als hätte sich meine Persönlichkeit aufgelöst. Ich war nur noch eine Hülle – so gruselig! Ich konnte in dieser Situation nicht kontrollieren, was ich tue, und mir selbst nicht mehr vertrauen. „I’m scared of the shit I do … I can’t trust myself … “ heißt es im Song.
„I will wieder ham, fühl mi do so allan.“
Wie auf dem Song „Big Ass Pride“? Da singst Du: „I’m afraid of the big mess I made, but still my big ass pride hides it away.” Versuchst Du durch Deinen Stolz etwas zu verstecken?
In dem Song geht es eher um die Art von Stolz, die dich aufhält, den Tatsachen ins Auge zu schauen. Zum Beispiel der Tatsache, dass es dir gerade nicht so gut geht, du also verwundbar bist, und das aber nicht zeigen willst. In solchen Situationen sollte man den eigenen Stolz überwinden und lieber zu seinen Gefühlen stehen.
Was kommt bei Dir zuerst, die Melodie oder der Text?
Mir fällt es leichter, zuerst eine Melodie zu finden. Die Lyrics zu schreiben, ist für mich eher herausfordernd. Dafür brauche ich auch absolute Ruhe oder einfach eine Zugfahrt nach Hause. Was gibt es auf einer Zugfahrt Besseres zu tun, als Songtexte zu schreiben?
Wohl wahr! Wohin geht die Zugfahrt, wenn Du von Deinem Zuhause sprichst?
Nach Fürstenfeld in die Steiermark, bekannt durch den Song „Fürstenfeld“ von der Band S.T.S. (singt den Refrain: I will wieder ham, fühl mi do so allan …, Anm. d. Red.). Dort bin ich auf einem Bauernhof mit Hühnern und Kühen aufgewachsen – ich liebe es, dort hinzufliehen und Texte zu schreiben!
„In Windeln Karaoke gesungen“
Du bist Steirer, wieso schreibst Du Deine Texte lieber auf Englisch?
Meine Mama stammt von den Philippinen. Dort ist die Amtssprache Englisch, weshalb ich bilingual aufwuchs. Außerdem ist Englisch eine sehr runde Sprache, alles gleitet sehr leicht und einfach über die Lippen. Manchmal vermisse ich aber die Ecken und Kanten des Deutschen. Schieche Worte wie „Wellblechzaun“ sind so unperfekt, dass sie schon wieder schön sind.
Ist Deine Familie auch so musikalisch wie Du?
Musik war immer präsent bei uns, mein Dad hat in der Blasmusikkapelle die Trompete in B-Tonlage gespielt und meine Mom singt sehr gerne, besonders Karaoke. Das war auch mein erster Bezug zur Musik, es gibt Bilder von mir in Windeln beim Karaokesingen (lacht).
Kannst Du Instrumente spielen und Noten lesen?
Ich habe mit sechs Jahren begonnen, Klavier zu spielen. Dabei habe ich auch Noten lesen gelernt. Dieses Instrument hat mich sehr geprägt. Es steht ein Klavier in meiner Wohnung, da sitze ich oft dran.
Würdest Du gern noch ein anderes Instrument erlernen?
Ja schon, aber viel lieber würde ich Tanzen lernen, damit nicht nur meine Stimme, sondern auch mein Körper eine Erweiterung meiner Emotionen werden kann.
Gibt es etwas, das Du gar nicht kannst?
Fußball spielen, aber ich tu‘s trotzdem sehr gerne (lacht)!
„Ich war als Kind verrückt nach Castingshows.“
Singen kannst Du, denn schon mit dreizehn Jahren (2016) hast Du die Fernsehshow „The Voice of Germany Kids“ gewonnen. Wie kam es zur Teilnahme?
Ich war als Kind verrückt nach Castingshows, war bei jedem Kiddy-Contest-Casting, jeder Scouting-Station und habe überall Videos von mir hingeschickt, die mein Dad mit unserer alten Videokamera aufnehmen musste.
Die damaligen Jurorinnen waren Lena Meyer-Landrut, der Popsänger Sasha und Mark Forster. Wer hat sich in der Blind-Audition zu Beginn umgedreht, und wer war Dein persönlicher Favorit?
Alle, und ich habe mich für Mark Forster entschieden.
„Immer lieb zur eigenen Stimme sein!“
Hat Mark Forster wirklich mit Dir für die Auftritte geübt?
In den Szenen für die Sendung haben wir natürlich mit Mark Forster gesungen, aber wenn die Kamera aus war, haben wir mit anderen, auch sehr coolen Vocalcoaches geübt.
Klingt wie Dein wahr gewordener Traum! War dieser Trubel nicht auch manchmal etwas viel für Dich?
In diesem Moment nicht, aber im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob ich mit 13 Jahren wirklich reif genug dafür war. Mir wurde als Kind völlige Entscheidungsfreiheit überlassen, auch als ein Fernsehteam ein Home-Video mit mir drehen wollte – natürlich habe ich zugestimmt. Es ist immer noch eine Realityshow, da werden Menschen oft vorgeführt. Bei „The Voice“ war das zum Glück nicht so, aber das weiß man ja vorher nie genau.
Was ist Dir besonders aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben?
Wenn unsere Stimmen vom Singen heiser waren, bekamen wir „GeloRevoice“-Tabletten. Die lösen sich schäumend in deinem Mund auf, als hättest du Tollwut. Wir haben uns ausschließlich von den Dingern ernährt (lacht.) Die nehme ich bis heute, wenn ich heiser bin.
„Pistazie und Schlumpfeis! Bäh!“
Hast Du sonst noch ein Lieblingsessen?
Leche Flan, ein philippinischer Karamellpudding.
Und Deine unliebste Eissorte?
Pistazie und Schlumpfeis! Bäh.
Als Jugendlicher durchlebt man den Stimmbruch. Gibt es einen Trick unter Sängerinnen und Sängern, um damit besser umzugehen?
Nein, einfach immer lieb zur eigenen Stimme sein! Viel wichtiger ist es, wie man mental mit der Veränderung umgeht. Ich persönlich habe sehr lange gebraucht, meine Stimme neu zu finden. Der Stimmbruch fiel genau auf das Ende der Castingshow, danach hatte ich natürlich viele Gigs und machte mich vor Auftritten zeitweise selbst verrückt.
Wie war der Sprung vom Kinderstar zum erwachsenen Singer-Songwriter?
Ich habe ja nicht direkt nach „The Voice“ begonnen, Musik zu releasen, sondern erst sechs Jahre später. Diese Zeit habe ich auch gebraucht, um herauszufinden, wie ich meine „neue“ Stimme einsetzen kann, um meine Gefühle und Gedanken richtig ausdrücken zu können und Inspiration zu sammeln.
„Ich würde gerne fliegen können!“
Wie findest Du Inspiration für Deine Songs, wie entsteht Deine Musik?
Überall und nirgendwo – einfach durch das Leben! Dann fällt mir eine kleine Zeile, ein Wort oder eine Melodie ein, die schreibe ich in mein Notizbuch und verbinde die Schnipsel in der Session zu einem Ganzen.
Wo machst Du Deine Sessions?
Sehr unterschiedlich, da ich mit vielen verschiedenen Menschen Musik mache und daher nicht selten fast jeden Tag in einem anderen Studio bin. Häufig bin ich auch im „lautlos.haus“, einem Creativespace im 9. Bezirk in Wien, an dem Künstlerinnen zusammenkommen und aufnehmen können. Ich kreiere auch Melodien am Klavier in meinem Homestudio.
Wie lebst Du, wie bist Du eingerichtet?
Ich wohne in einer WG und habe dort ein enges langes Schlauchzimmer mit Hochbett gemietet, darunter steht mein Klavier und mein Studio. Alles sehr kompakt, aber ich liebe es! Mein Einrichtungsstil ist bequem und komfortabel, so sterile Zimmer in Beige und Grau gefallen mir überhaupt nicht!
Dann gibt es sicher auch eine kuschelige Leseecke. Mit welchem Buch finden wir Dich dort aktuell?
„The Creative Act“ von Rick Rubin – ein Klassiker unter Künstlerinnen und Künstlern. Demnächst will ich mal wieder „Der kleine Prinz“ lesen.
Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was wäre dieser?
Ich würde echt gern fliegen können, also je nach dem, wie viel Lust ich auf Menschen hätte, würde ich mich in ein Flugzeug verwandeln.
Und wieso nicht in einen Vogel?
Ich liebe Flugzeuge, ich bin da ein kleiner Nerd (lacht).
„Träume müssen unrealistisch bleiben.“
Gibt es Erfolge in Deiner Karriere, auf die Du aktuell stolz bist?
Früher versuchte ich zwanghaft, die Big Poetry zu machen. Jetzt bin ich lockerer geworden, nehme mich selbst nicht so ernst und habe so mehr Spaß am Musikmachen. Meine neueste Single „Bloodhound“ ist in einer Stunde entstanden, früher wäre ich viel zu schüchtern gewesen, das zu releasen. Ich bin wirklich stolz auf meine positive Entwicklung, was das betrifft.
„Es war zu surreal.“
Ein weiterer Deiner Erfolge: Du bist beim Kultursommer Wien mit Conchita Wurst aufgetreten, wie kam das zustande?
Ich fand es völlig verrückt, dass sie mich angefragt hatten. Ich konnte es bis zum Auftritt nicht glauben, es war zu surreal. Erst dann, als ich hinter der Bühne stand und Conchita mich anmoderierte, verstand ich: Dieser Moment ist real! Ich bin echt mega dankbar für diese tolle Erfahrung.
Wie hast Du Tom, die Person hinter der Figur Conchita Wurst, kennengelernt?
Für mich war Conchita Wurst immer schon eine Ikone und das wird sie auch bleiben. Das liegt vor allen Dingen vielleicht auch daran, dass Tom so eine bodenständige Person ist. Wir haben uns wirklich gut verstanden!
Wo siehst Du Dich selbst in Deiner Traumvorstellung?
Mein Traum war es immer, einen Raum mit Menschen zu füllen, mich komplett wohlzufühlen und zu wissen, dass sie durch meine Musik genauso fühlen wie ich auch. Gleichzeitig finde ich, dass Träume unrealistisch bleiben müssen, deshalb sage ich: Live im Madison Square Garden in New York auftreten!
Was möchtest Du Deinen Hörerinnen für eine Message durch Deine Musik mitgeben?
Jede Emotion und jeder Gedanke hat seine Daseinsberechtigung. Ich möchte vermitteln, dass – egal wie dumm oder unnötig sich das anfühlt – man immer auf die eigenen Gefühle hören sollte. Schafft Raum für Eure eigenen Emotionen!
Danke für das Gespräch!