Der Strahlensensible

interview im schutzanzug

Wie verstrahlt sind wir alle wirklich? Wir sprachen mit dem jungen strahlensensiblen Aussteiger Ulrich Weiner, der seit 15 Jahren in einem Wohnwagen im Schwarzwald im Funkloch lebt. Er ist auf unsere Anfrage hin zu einem Gespräch bereit, kann es aber, so schreibt er, nicht verantworten, andere Menschen durch Mobiltelefonate zusätzlicher Strahlenbelastung auszusetzen. Zugang zu einem Festnetztelefon hat er nur von Zeit zu Zeit. Über den Skype-Account seiner Assistentin können wir schließlich mit ihm sprechen und den Einsatz von Brieftauben vermeiden.

Text: Eva Holzinger

„Wir müssen zurück in die Zukunft!“

Eva Holzinger: Herr Weiner, wo und wie ist es möglich, dass Sie mit uns skypen können?

Ulrich Weiner: Dank LAN-Kabel und einem benachbarten Bauernhof in einem Funkloch. Die Strahlung des Computers tut mir natürlich nicht gut. Auch wenn WLAN und Bluetooth ausgeschaltet sind, bleiben noch die Felder, die durch den Prozessor erzeugt werden. Deshalb wickle ich meinen Laptop in ein Tuch aus „Abschirmstoff“ und schreibe auf einer externen Tastatur in möglichst großer Entfernung. Eine bessere Lösung habe ich noch nicht gefunden.

Tragen Sie denn gerade einen Schutzanzug?

Nein, weil ich ja in einem Funkloch bin. Auf dem Weg zurück zum Wohnwagen muss ich aber einen tragen. Die „Abschirmstoffe“ kommen aus dem Militärischen, falls Sie sich das fragen.

Herr Weiner, was muss sich Ihrer Meinung nach in unserer Gesellschaft ändern?

Ich sage immer: Wir müssen zurück in die Zukunft! Es gibt Dinge, die wir sein lassen müssen, damit es weitergehen kann. Mobilfunk gehört dazu. Röntgen, Atomkraft, Asbest und Quecksilber: Hier reiht sich der Mobilfunk ein. Alles zukunftsweisende Techniken und Erfindungen, die sich dann doch als sehr schädlich und gefährlich entpuppt haben. Die gefährlichste Steigerung ist, dass Mobilfunk nahezu flächendeckend verfügbar ist und somit fast jeden trifft, ob man diese Technik selber nutzt oder nicht.

Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?

Die biologischen Systeme – Menschen, Pflanzen und Tiere – vertragen keinen Dauerfunk. Das zeigen unter anderem das Baum- und Insektensterben, nervöse Tiere, die weniger Milch geben oder gar missgebildet sind. Der Mensch leidet an Konzentrationsschwäche und Gedächtnisverlust. Ich nenne das „Funkalzheimer“. Es gibt meiner Meinung nach drei Szenarien, die eintreten werden: die Verdummung der Menschen, die Erkrankung der Menschen und das Internet der Dinge (IoT) als Klimax des Überwachungs- und Kontrollstaates. Das Problem ist, dass diese Folgen alle zeitversetzt auftreten. Verantwortungsvolle Regierungen müssten jetzt reagieren.

Was fordern Sie noch von der Politik?

Rückzugsgebiete für Betroffene. Allerdings wünschen sich die meisten schon etwas mehr Komfort und Infrastruktur, als ich das tue. Sprich, es braucht schon ein „Funklochdorf“, mit Ärzten, Schule, Einkaufsmöglichkeiten, Telefon- und Internetanschluss etc.

Sie leben in einem Wohnwagen im Schwarzwald. Wie sieht ein normaler Tag von Ihnen aus?

Ich habe Wochen- und Monatspläne, in denen ich mir eintrage, wann ich Vorträge halte. In meinem Kalender steht dann ein „A“ für Außeneinsatz. Der Rest sind normale „Waldtage“, das bedeutet: Ich stehe auf, der Wohnwagentisch wird zu meinem Büro; dort gehe ich meiner Selbstständigkeit nach. Ich bekomme Studien und Zeitungsartikel über Elektrosmog, Strahlen und alles, was das Thema berührt. Ich lese und werte aus; ich bereite Vorträge vor oder schreibe Artikel für die Homepage. So ein Arbeitstag dauert gut und gerne 12 bis 16 Stunden.

Vermissen Sie die „Zivilisation“? Ein gesellschaftliches Leben, ein Bier am Abend, ein Kinobesuch?

Mir geht es gut im Wald. Ich lebe hier seit 15 Jahren, ich habe die „Zivilisation“ mit 25 Jahren verlassen. Ich komme sozusagen aus einer anderen Zeit! Natürlich ist es schade, dass ich nicht alle Geburtstags- oder Hochzeitseinladungen annehmen oder regelmäßig Verwandte besuchen kann. Das Problem lässt sich nur punktuell lösen: Der eine oder andere Besuch ist möglich, aber eben nur mit sehr viel Aufwand. Wenn ich auftauche, bedeutet das für andere Einschränkungen: Smartphones müssen abgeschaltet werden, damit ist heutzutage nicht jeder einverstanden. Meine Familienmitglieder sehe ich ungefähr einmal im Jahr, meine Mutter kommt mich hin und wieder im Wald besuchen. Wenn ich sie besuchen will, ist das schon schwieriger: In ihrer Wohnung empfängt sie 15 WLAN-Netze, und es gibt sechs oder sieben Funktürme auf Sicht. Auch die langjährigen Freundschaften aus meiner Heimat pflege ich. Man sieht sich zwar nicht sonderlich oft, aber schreibt sich regelmäßig. Meine Freunde hier im Wald sind keine Klicks auf Facebook, die sind echt, darauf kann ich mich verlassen.

„Meine Freunde hier im Wald sind keine Klicks auf Facebook, die sind echt, darauf kann ich mich verlassen.“

Wenn alle Handys im Raum abgedreht sind und eine Person ihres aufdreht, spüren Sie das dann?

Sehr deutlich sogar. Orten kann ich das Handy dann allerdings leider nicht, sonst wäre das ja eine prima Sache für „Wetten, dass..?“ (lacht)!

… und wie?

Zuerst spüre ich es in der Konzentration. Es ist, als ob ich meine Gedanken nicht mehr fangen kann, als ob sie mir davonlaufen. Etwas drückt dann auf meinen Kopf. Dann verklebt das Blut, es kommt zu Problemen mit den Augen und dem Herzen. Das kann gesundheitlich richtig kritisch werden.

Viele Leute klagen über Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Wie können Sie sicher sein, dass Strahlen der Grund Ihres Leidens sind? Wie kann man herausfinden, ob man strahlensensibel ist?

Das ist im Prinzip wie bei einer Allergie oder einem Allergietest. Man muss den eigenen Körper beobachten: Wie verhält er sich mit Strahlung und wie ohne? Wenn jemand nicht schlafen kann, dann sage ich: „Ab ins Funkloch!“ So etwas ist immer nur im Vergleich feststellbar. Wie geht es mir mit Laktose und wie geht es mir ohne? So einfach ist das. Es handelt sich hier ja um keine „Krankheit“ im klassischen Sinn, so wie auch Laktoseintoleranz oder eine Weizenallergie nicht als Krankheit angesehen werden. Es ist vielmehr ein Warnsignal des Körpers.

„Ich denke nicht in Geld – bedrucktes Papier hat im Wald keinen Wert.“

Wie finanzieren Sie sich?

Wenn man der eigenen Lebensaufgabe nachgeht, dann muss man sich um das Finanzieren nicht kümmern. Meine Vorträge halte ich ehrenamtlich, dafür öffnen sich automatisch alle Türen. Es werden mir zum Beispiel immer wieder überraschend Lebensmittel gebracht, aber auch Ersatzteile für den Wohnwagen. Alles fügt sich in so einer Genialität, die kein Mensch planen kann. Ich nenne es deshalb Versorgung, nicht Finanzierung. Ich denke nicht in Geld – bedrucktes Papier hat im Wald keinen Wert.

Sind Sie religiös?

„Religiös“ ist für mich fast ein Schimpfwort. Religiös ist jemand, der Dinge einfach tut, um anderen oder Gott zu gefallen. Aber die Bibel ist kein Religionsbuch: Es ist das gesprochene Wort Gottes mit Allgemeingültigkeit, wie wir es am Beispiel der Naturgesetze, zum Beispiel der Schwerkraft sehen. Das gilt für jeden, egal, was man glaubt oder nicht glaubt. Ein praktisches Beispiel: In den Zehn Geboten hieß es eigentlich nicht „Du sollst nicht töten“, im Urtext heißt es „Du wirst nicht töten“. Das heißt: Wenn du mit Gott im Herzen lebst, bist du gar nicht in der Lage dazu, jemanden umzubringen. Das ist der Unterschied zwischen Religion und gelebtem Christentum. Ich lebe das Christentum und ich lebe mit Gott. Ich lebe in der Schöpfung der Natur; die Existenz Gottes kann man im Wald nicht anzweifeln.

Was sagt man Ihnen nach?

So unterschiedlich die Menschen sind, so verschieden sind auch die Dinge, die mir nachgesagt werden. Natürlich immer mit dem Hintergrund, das zu entschärfen, was ich sage, sonst müsste man ja vielleicht sein eigenes Leben ändern. Da ist es für einige natürlich viel bequemer, eine „Schublade zu öffnen“ und mich hineinzustecken, und die Warnungen, die von meinem Leben widergespiegelt werden, schnell wieder zu vergessen. Solche Schubladen können „Verschwörungstheoretiker, Spinner, Psychotiker oder Esoteriker“ heißen. Es gehört aber zur Sache und ist ganz normal, denn mit einem Blick in die Geschichte wird klar, dass alle Menschen, die entscheidende Dinge auf der Welt verändert haben, erst einmal nicht ernst genommen oder verleumdet wurden.

„Ich bin alles andere als esoterisch.“

Sie würden sich also nicht als esoterisch bezeichnen?

Ich bin alles andere als esoterisch, obwohl der Begriffsursprung ja ein schöner ist: Es bedeutet „innerlich“, „dem inneren Bereich zugehörig“. Aber viele verbinden mit dem Begriff heute etwas Negatives. Ich verbinde damit Leute, die irgendwo herumschweben und die man mit einem Lasso runterholen muss. Ich bin das komplette Gegenteil davon: Ich bringe Dinge technisch und physikalisch auf den Punkt. Mit einer Feder kann man keinen Elektrosmog messen, mit einem Messgerät schon. Ich bin eben ein Wissenschaftler.

Wie kann eine Gesellschaft, die mittlerweile so süchtig nach Handys ist, dass man beispielsweise von einem „Phantomvibration-Symptom“ spricht – das vermeintliche Verspüren eines vibrierenden Handys –, aussehen? Wie können wir uns ohne Internet organisieren? Wie sieht Ihre Utopie aus: zurück zur Natur, zurück ins Mittelalter?

Hier ist meine Zukunftsvision: Die Gesundheit des Menschen und der ganzen Schöpfung steht wieder an erster Stelle: Alle Funktürme sind abgeschaltet. Die Haushalte und Firmen werden über Glasfaser per FTTH (Fiber to the Home; Anm.: Glasfaser direkt in jedes Haus) mit Telefon, Fax, Internet, Fernsehen und Radio versorgt. Für die Menschen, die unterwegs sind, gibt es in jedem Ort und an jedem Autobahnparkplatz „Kommunikationspunkte“, an denen sie über Li-Fi (WLAN über Licht) und/oder Infrarottechnologien Zugang zum Internet haben. Funk ist wieder „privilegisiert“ und nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich, zum Beispiel für den Rettungs- und Polizeifunk. Notärzte, wichtige Servicetechniker und so weiter können wieder Piepser benutzen, und über die Telefone in Häusern und die Kommunikationspunkte wird dann zurückgerufen.

Was möchten Sie den Menschen gerne sagen?

Passt mit dieser digitalen Funktechnik auf, weniger ist mehr. Schaltet die Sender in Euren eigenen Häusern (WLAN, Schnurlostelefon) ab und verzichtet auf ein Smartphone. Es erkranken immer mehr Menschen an der Mobilfunktechnik. Die wenigsten haben die Möglichkeit, ihr Umfeld so zu verlassen, wie ich das gemacht habe, und leben unter schwierigsten Bedingungen. Wer passenden Wohnraum hat oder kennt, der in einem Funkloch liegt, und treue Mieter sucht beziehungsweise verkaufen möchte, bitte an mich wenden, Wohnraum für Elektrosensible ist sehr gefragt.

Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Dieses Interview ist in der Printausgabe #1 „The Private Issue“ erschienen. Sie können das Magazin in unserem SHOP bestellen.

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