The Devil wears Versace

Fetisch-poetisch

Elaborierter Größenwahn und eine ungehörige Portion NarzissmusLisa Eckhart scheint dem Fegefeuer der Eitelkeiten entstiegen. Die junge österreichische Poetry-Slammerin entblößt die Schwächen der Gesellschaft in ihren bitterbösen Programmen und legt dabei den Finger in Wunden, um kräftig umzurühren. Auf Political Correctness wird gepfiffen, Tabus werden mit einer blutgefrierenden Nonchalance über Bord geworfen, dafür ist die Rhetorik aberwitzig und konzis. Wo beginnt die Kunstfigur Eckhart, wo endet sie? Wer ist sie privat? Ein Gespräch kurz vor einem Auftritt – hinter den Kulissen – oder schon davor?

Text: Shilla Strelka

„Es muss immer schon mehr Größe als Wahn sein.“

Du trägst fast ausschließlich Versace ...

Ja, da hat sich einfach dieser Fetisch herausgebildet, der schon lange da war, bevor ich die notwendigen Mittel hatte. Ich glaube, mittlerweile fließt meine gesamte Gage in falsche Zähne und Versace.

Du gibst Dich sehr direkt. Ich würde vermutlich auf jede Frage eine Antwort bekommen, so persönlich sie auch wäre. Ob diese dann tatsächlich der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt. Wägst Du jemals ab, was Dir zu privat ist, was Du von Dir preisgibst und was nicht?

Das hat sich gebessert. Wachsam war ich zwar nie, aber reuig danach und sehr besorgt, ob ich bestimmte Dinge hätte sagen sollen oder nicht. Ich habe dann für mich festgestellt, dass es keinen Grund gibt, Geheimnisse zu horten. Wo wäre dieser Platz in meinem Leben, wo die Geheimnisse gelagert sind? Für welchen Raum spare ich sie auf? Da es diesen Raum nicht gibt, kann ich ihn auch völlig öffnen. Ich beurteile weniger danach, ob etwas sehr intim ist, sondern frage mich, ob es Unterhaltungswert hat.

Gleichzeitig stehst Du Social Media skeptisch gegenüber. Das würde ich bei dem Grad an Narzissmus, den Du an den Tag legst, jetzt nicht unbedingt vermuten. Das ist Dir dann schon zu privat?

Aus mir heraus gelingt mir die Überwindung nicht. Wenn jemand an mich für ein Interview herantritt, dann wird da eine Leserschaft dahinter sein, und ich beantworte herzallerliebst alles. Es fällt mir nur schwer, irgendetwas zu posten. Ich sehe die Relevanz nicht. Ich brauche schon Gewissheit, wie Menschen, die sich eine Karte kaufen, um mich auf der Bühne zu sehen. Da kann ich davon ausgehen, dass sie das auch interessiert. Ich weiß schon, wenn mir Leute folgen, kann man auch davon ausgehen, aber dennoch will es nicht in meinen Kopf. Ich empfinde es fast als virtuellen Hausfriedensbruch, wenn ich etwas in eine Timeline poste. Warum sollte ich das tun? Was ist da mein Recht?

„Ich empfinde es fast als virtuellen Hausfriedensbruch, wenn ich etwas in eine Timeline poste.“

Du würdest aber vermutlich zahlreiche Likes generieren, wenn Du das tätest. Auch mit Selfies auf Instagram ...

Ja, aber hier ist die Definition von Erfolg für mich ausschlaggebend. Wenn man Selfies macht, ist das etwas anderes, als Paparazzi zu haben. Wenn die Menschen Fotos von jemandem sehen wollen, dann wird diese Person das daran merken, dass Menschen Fotos von ihr machen. Nein, bei jedem Hohelied der Eitelkeit, das ich singen würde, aber das ist mir zu viel und zerstört auch die Mystik, die doch jeder wahren sollte. Das bringe ich einfach nicht übers Herz. Da komme ich nicht mit. Das ist mir tatsächlich zu hip und nicht meine Welt.

Deine Erscheinung offenbart, dass Identität, Inszenierung und Konstruktion Hand in Hand gehen. Was machst Du falsch, sodass alle von noch irgendeiner „echten“ Person hinter der Persona ausgehen? Jemand wie Andy Warhol musste sich vermutlich weniger oft rechtfertigen oder Echtheit bezeugen.

Es verwundert mich. Es ist mir niemals bewusst passiert, dass ich irgendetwas inszeniert oder dargestellt hätte. Ich stelle mir die Frage, warum die Menschen sich selbst meiner Illusion berauben wollen. Warum sehen sie es denn als wertvoller an, irgendetwas dahinter zu entdecken? Ich kann es nicht persönlich nehmen, weil ich sehe, dass sie das mit allen so betreiben. Auf der anderen Seite finde ich es sehr spannend, dass die Menschen auch überhaupt kein Gespür dafür haben, wenn ich ihnen dann tatsächlich ins Gesicht lüge.

Du reflektierst mit Deinem Gestus und Habitus auch immer die Sprache als Medium der Macht und spielst gerne mit dem hierarchischen Verhältnis, das die Bühne mit sich bringt.

Ja natürlich! Das ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe, warum ich das mache! Natürlich liegt die Macht bei mir, weil das Wort bei mir liegt. Wenngleich ich auf der Bühne nur ein Freier der Sprache bin, dem sie sich auch entziehen kann, ist sie in dem Moment meine Verbündete gegen die da draußen. Das ist natürlich eine Machtfrage, die wahnsinnig lustvoll ist.

„Es gibt keinen anderen als den schwarzen Humor.“

Warum empfindet es das Publikum in dieser Situation als ebenso lustvoll? Macht es nicht doch einen Unterschied, dass hier eine junge, attraktive Frau auf der Bühne steht?

Das spielt natürlich alles zusammen. Das Publikum will unterworfen werden. Das ist dieses masochistische Vergnügen. Und das ist extrem sexuell konnotiert. Wenn man ihnen dann noch zusätzlich ein sexuelles Auftreten bietet, dann werfen sie sich willig in den Staub. Oder aber es ist ihnen so zuwider, dass sie das Bedürfnis haben zu hassen.

Perfektion und Selbstreflexion scheinen einen Teil Deiner Haltung auszumachen. Ist das nicht extrem anstrengend?

Es macht mir keinen Druck, weil ich mich überhaupt nicht als Perfektionistin sehe. Ich bin ein unfassbar ungeduldiger Mensch. Vor allem, was Texte betrifft. Wenn etwas nicht in einem Fluss kommt, dann ist es für mich minderwertig. Ich bin niemand, der feilt und nach Perfektion mit dem feinen Handwerk sucht. Bis zu einem gewissen Grad wird vieles aus dem Moment geboren. Auch die Bewegungen auf der Bühne sind nichts, das ich kontrolliere. Da ist viel schlafwandlerisches Geschick dabei.

Du stößt viele Leute vor den Kopf ...

Mir ist die Form grundsätzlich wichtiger als der Inhalt. Mir war das lange nicht bewusst, dass ich Menschen so vor den Kopf stoße. Und ich bin immer noch sehr irritiert von den Zuschreibungen, die gängig sind im Kabarett, die sie erbrechen, ohne darüber nachzudenken. Zum Beispiel, wenn sie über bösen oder schwarzen Humor reden. Jeder Humor ist schwarz. Er ist da, um uns Leid oder Affekte zu ersparen. Es gibt keinen anderen als den schwarzen Humor. Deswegen würde ich nie sagen, irgendetwas wäre böse, zynisch oder sarkastisch. Ich halte Sarkasmus zudem für keine hochwertige Kunst.

„Ich würde sehr versaut werden, würde ich zu viele Gespräche mit anderen Menschen führen.“

Würde es einen Unterschied machen, wenn Deine Inhalte von einem weißen Mann, 50 plus kommen würden?

Ich weiß es nicht. In Deutschland sagt man mir, ich komme gut an, weil ich eine Österreicherin bin, zu Hause sagt man mir, als Frau sei es viel einfacher. Im Idealfall hängt aber ein Text untrennbar mit seinem Autor zusammen. Ich glaube auch nicht, dass man fremde Texte irgendwie inkarnieren könnte. Wenn man das kann, dann stimmt mit dem Text etwas gewaltig nicht.

Du meinst im Kabarett?

Ja, im Kabarett. Wenn ich den Text jedem auf die Zunge legen könnte, ist der Text charakterlos. Ich weiß, nur ich kann meine Texte machen. Das ist jetzt keine spezielle Kompetenz. Ich könnte für niemand anderen schreiben. Ich kann mich nicht einfühlen in die Kunst eines anderen. Es ist eine völlig stupide Angelegenheit, das zu tun.

„Ich beurteile weniger danach, ob etwas sehr intim ist, sondern frage mich, hat es Unterhaltungswert oder nicht.“

Wirst Du oft angefeindet?

Negative Rückmeldungen kommen ausschließlich von Frauen. Dann sind es schwerste Anschuldigungen darüber, wie ich mich kleide oder was ich sage. Das ist Nestbeschmutzung in ihren Augen. Es gab wegen meiner Outfits unfassbar viele Beschwerden an mich und meine Agentur. Ich möge doch besser in Pornos mitspielen, wenn ich mich so kleiden möchte. Ich glaube, sie würden mir die Garderobe verzeihen als auch die Texte, aber in Kombination? Ich verstehe nicht, warum man Inhalt nicht mit Ästhetik paaren darf. Das wird in ihren Augen zum Hochverrat.

Hat das nicht auch mit der Kleinkunst und dem Kabarett zu tun? Als Schauspielerin würde man Dir diesen Hang zur Exzentrik verzeihen.

Das Kabarett hat den Vorzug, dass zuvorderst das Wort steht. Es gibt für Frauen im Kabarett auch keine Altersgrenze. Es gibt sich schon wahnsinnig intellektuell, und unsere heutige Intellektualität verpönt die Ästhetik. Das hat das Schauspiel nicht, weil es eine maßgeblich visuelle Kunst ist. Man sieht es den Männern im Kabarett an. Die streben eine Verbrüderung mit dem Publikum an. Und das erlaubt dann wenig Flamboyanz. Das würde ihnen das Publikum übel nehmen. Ich glaube aber, dass es durchaus befreiend sein kann, eine Inszenierung zu sehen – etwas dass in ihren Augen bewusst künstlich sein will, weil Authentisches haben sie genug.

Provozierst Du es, auf der Straße wiedererkannt zu werden, oder liebst Du es privat?

Ich gehe vor die Haustür, steige ins Taxi, fahre zur Bühne und dann wieder nach Hause. Viel mehr Gelegenheiten, mich draußen zu erkennen, gibt es nicht. Ich bin einfach lieber in geschlossenen Räumen. Aber wenn dem einmal so ist, ist es natürlich nett, das kann dann wahnsinnig herzlich sein. Es ist einfach eine Bestätigung meiner Existenz. Der Wunsch danach ist so banal. Wenn man sich selbst nicht genug spürt, möchte man von außen diese Bekräftigung bekommen.

Ich frage mich, woher Du Deinen Wortschatz und Deine manieristische Sprechweise hast. Mit welcher Außenwelt hattest Du Kontakt, sodass Du dazu gekommen bist?

Ich glaube, es ist eher der mangelnde Kontakt zur Außenwelt, der das bestärkt. Ich würde sehr versaut werden, wenn ich zu viele Gespräche mit anderen Menschen führen würde, weil ich dann nicht mehr die Kraft hätte zu reden – oder ich würde rhetorisch nur mehr lallen.

„Jeder gute Satz, den ich nicht selbst geschrieben habe, macht mich krank.“

Du hast Germanistik studiert.

Ja, ich habe gelesen, was notwendig war, um es dann nie mehr tun zu müssen. Ich kann nicht lesen, während ich produziere. Das darf sich nicht vermischen, weil ich auf Fremdwerke unfassbar schlecht reagiere. Entweder habe ich Angst, dass es mich korrumpiert, weil es schlecht ist, oder ich bin so neidisch, dass es mich blockiert. Jeder gute Satz, den ich nicht selbst geschrieben habe, macht mich krank. Schriftsteller, die ich sehr bewundere, kann ich im Prinzip nicht lesen. Ich kann sie im Stillen bewundern, darf sie aber nicht angreifen. 

Dieses Konkurrenzverhältnis scheint sehr anstrengend.

Ja. Das ist nicht die entspannteste aller Welten. Womöglich kann ich es mal abbauen.

„Das Publikum will unterworfen werden. Das ist dieses masochistische Vergnügen.“

Schreibst Du im Moment?

Ja, das schon. Ich habe aber festgestellt, dass das Touren ein bisschen dabei hemmt. Ich muss wirklich komplett zurückgezogen sein. Wenn ich von Kollegen höre, dass sie irgendwelche Ergüsse im Zug fabrizieren – das geht für mich nicht. Die Außenwelt überzieht einen mit einem so unkreativen Schleim. Und ich bin auch ein wahnsinnig langsamer Mensch mit dem Schlafbedürfnis eines Säuglings, das heißt, wenn da auch nur die geringste körperliche Anforderung dazukommt, wie zum Zug zu gehen, schlafe ich sowieso 16 Stunden. Ich wüsste gar nicht, wo ich da etwas schreiben könnte.

Du wirkst auf viele unsympathisch, weil Du Narzissmus, Größenwahn und Eitelkeit so schamlos auslebst. Wann bist Du auf diesen Konfrontationskurs geraten?

Ich glaube, in dem Moment, als ich das einlösen konnte. Wie plump ist Größenwahn, wenn man nichts Dementsprechendes bietet? Wenn sich eine völlig kleine Person groß macht, ist das Klamauk. Es muss immer schon mehr Größe als Wahn sein. In meinen Teenagerzeiten musste Falco nur auf die Bühne gehen und die Arme ausbreiten, und ich war schon fertig. Da gibt es keinen Kompromiss bei ihm. Das hat mich wirklich fasziniert, und ich dachte mir, das ist es, was man tun muss. Nicht nur auf der Bühne, sondern grundsätzlich.

Dieses Interview ist in der Printausgabe #1 „The Private Issue“ erschienen. Sie können das Magazin in unserem SHOP bestellen.

Mit gerade einmal 25 Jahren hat die der Steiermark in die weite Welt entwachsene, extravagante Sprachartistin bereits eine beeindruckende Biografie vorzuweisen. Nach dem Studium der Germanistik an der Sorbonne in Paris, feministischen Feldforschungen als verkaufsankurbelnde Hostess bei Automessen, Lehrtätigkeiten in London und Schauspielversuchen in Berlin fand sie ihre künstlerische Heimat und berufliche Bestimmung zunächst in der Poetry-Slam-Szene in Berlin. 2015 geht sie bei den Österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften als Siegerin hervor, und ihre Karriere gewinnt an Fahrt. 2016 gewinnt sie unter anderem den Österreichischen Kabarettpreis und wird international – nicht zuletzt durch ihre große Medienpräsenz – bekannt. 2018 bekommt sie neben vielen anderen Auszeichnungen den Deutschen Kabarett- und Kleinkunstpreis verliehen.

Der Sexpuppen-Verkäufer

Text: Lisa Peres

Wie reinigt man eigentlich den Unterleib einer Sexpuppe? Und für wen ist dieser willenlose Traum aus Silikon und Plastik überhaupt interessant? Das Geschäft von Mr. Li boomt. Er ist Österreichs größter Anbieter von Sexpuppen, sogenannten Real Dolls und vertreibt individuell angefertigte Abgüsse echter Frauen, die versprechen, Fantasien zu befriedigen und Nähe zu spenden. Begleitet wird unsere Geschichte von Arbeiten des österreichischen Fotokünstlers Guenter Parth, der in seinem für Dolce & Gabbana produzierten Coffee Table Book Diamonds & Pearls, Topmodels durch Real Dolls ersetzte. 

Die Bloggerin

Text: Paula Pankarter

Christl Clear ist Influencerin. Sie selbst bezeichnet sich als menschliches Medium. Noch so eine, die jungen Frauen durch ihre Handys zuflüstert, wie sie sich schminken sollen? Warum Christls Social-Media-Präsenz wichtig ist, was hinter ihren Hashtags und Selbstgesprächen steckt, verrät sie uns. Wir sprechen mit der erfolgreichsten schwarzen Bloggerin Österreichs darüber, ob der Tod postbar ist, warum Haare für schwarze Frauen hochpolitisch sind und wie sie in Österreich den Rassismus konkret erlebt. Ein Interview mit einer Frau, die eine Stimme hat und diese nutzt.

Die Comedians

Text: Eva Holzinger

Josef Jöchl und Denice Bourbon

PCCC* {pis:sy:sis:sy} ist Wiens erster Queer Comedy Club, den die beiden Wahl-Wienerinnen Denice Bourbon und Josef Jöchl 2016 gegründet haben. Mittlerweile spielen sie vor ausverkauften Häusern. Josef Jöchl wird Ende März im Wiener Kabarett Niedermair sogar sein erstes Solo präsentieren. Auch wir finden ihre Acts sehr lustig. Wir haben mit den beiden über Denices „Legends Of Entertainment“-Tour mit Stefanie Sargnagel und Christiane Rösinger gesprochen und diskutiert, ob die Punchline im Kabarett immer unter der Gürtellinie liegen muss.