Die Ausstellungsmacherin

hochprofessionell lässig

Alexandra Grausam, Mitbegründerin und Leiterin des alternativen Artspace das weisse haus, zählt zu den besten Kuratorinnen Österreichs. Sie bringt die Menschen und die Kunst zusammen, kann höchst professionell improvisieren und gibt der Kunst das lebenswichtig lässige Umfeld, das etablierte Institutionen oft nicht bieten können. 2017 ist die Initiative zehn Jahre alt geworden.

Text: Antje Mayer-Salvi

Antje Mayer-Salvi: 2017 feiert das weisse haus sein zehnjähriges Bestehen, während andere Kunstorte in Wien nach ein paar Jahren entmutigt wieder geschlossen haben. Müde?

Alexandra Grausam: Müde voller Tatendrang würde ich den Zustand bezeichnen. Es läuft alles gerade sehr gut! Away war sicher mein größtes Projekt bisher. Es ist teilweise schon alles wahnsinnig kräfteraubend, aber auch inspirierend. Teil unseres Konzepts ist, und war, leerstehende Räume in der Stadt für das weisse haus zwischen zu nutzen. Ich besitze ja Übung: Bisher sind wir mit das weisse haus sechs Mal umgezogen, am kürzesten war ich zehn Monate in einer Räumlichkeit.

Wie findest Du diese guten Orte in Wien?

Ich gehe einfach offenen Auges durch die Stadt und dann frage ich mich durch. Ganz einfach.

Ganz einfach! Das weisse haus hast Du 2007 gemeinsam mit Elsy Lahner gegründet, die seit 2011 Kuratorin in der Albertina ist. Würde Dich so ein etablierter Posten auch interessieren?

Ich möchte das nicht kategorisch ausschließen, aber ich bin von meinem Charakter her schon jemand, der sich nicht so leicht von Dingen trennt. Ich habe das weisse haus nun bald zehn Jahre weiter entwickelt, das Feedback ist sehr gut, ich mag meine Freiheiten. Ich bin auch nicht der Typ Strategin, die sich einen klaren Karriereplan zurecht legt.

"Ich glaube fest daran, dass die Kunst in politischen Zeiten wie diesen etwas bewegen kann!"

An deinen Ausstellungen sieht man, Du kannst mittlerweile ziemlich souverän mit improvisierten Situationen umgehen: „hochprofessionell lässig“ wäre das Prädikat, was ich Dir ausstellen würde. In der Hegelgasse 14 im 1. Bezirk, im Souterrain einer Schule, kann das weisse haus nun länger bleiben?

Ja, und das tut gut. Ich hätte Lust, und das liegt nicht zuletzt auch an meinen Alter, in Zukunft mehr Kräfte zu bündeln, stabiler zu werden, längerfristig zu planen, ein Haus zu haben, wo alle Aktivitäten, unsere Ausstellungen, der MehrWERT Kunstpreis mit der Erste Bank, unser Residence Programm und die Künstlerstudios, unter einem Dach zusammen gefasst sind. Ich würde mir einen Ort wünschen, an dem man auf verschiedensten Ebenen –im wahrsten Sinnes des Wortes– agieren kann, natürlich auch finanziell aus dem prekären Zustand, der einfach immer noch besteht, rauskommt. Ich finde dieses nebenbei Beisammensein, das miteinander kreativ Arbeiten – ohne sich extra treffen zu müssen– tut dem geistigen Wachsen gut, inspiriert mich persönlich sehr. Da kommen die Introvertierten und Extrovertierten gleichermaßen mit.

Gehörst Du zu den Introvertierten oder den Extrovertierten?

Ich bin eigentlich sehr schüchtern, man mag es nicht glauben.

Das sich immer wieder Neuerfinden und Umziehen macht aber auch Teil der Sexiness von das weisse haus aus...

Ja, das ist gut, aber hoffentlich ist nicht nur das sexy! Mein Traum wäre es übrigens auch, mich selbst jedes Jahr für zwei/drei Monate neu zu erfinden und auszuklinken, ganz woanders als in Wien zu sein. Ich glaube, ich sollte mich mal selbst um ein Auslandsstipendium bewerben. Leider bin ich keine Künstlerin, aber es gibt Tendenzen, einige Stipendien auch auf die kunstnahen Disziplinen auszuweiten.

Ich habe zehn Jahre regelmäßig über Kunst geschrieben, ich darf das sagen: die Kunstszene nervt, sie reflektiert sich streckenweise nur selbst und verliert den Anschluss zur Welt, die die Kunst wahrscheinlich derzeit mehr bräuchte denn je!

Das darfst Du sagen, ich weiß nicht, ob ich das so formuliere sollte (lacht). Ich weiß gar nicht, wie ich auf die Kunst eigentlich gekommen bin. Ich bin ausgebildete Restauratorin, dort beschäftigt man sich ja mehr mit dem Formalen und der Materialität als mit dem Inhalt eines Kunstwerks. In meinem alten Freundeskreis sind wenige aus der Kunstszene. Es tut gut, von ihr zuweilen Abstand zu gewinnen. Aber immer wieder erwische ich mich dabei, mich unter Kunstfernen einsam zu fühlen und dann kehre ich wieder zur Kunst zurück. Vielleicht bin ich blauäugig, aber ich glaube fest daran, dass die Kunst in politischen Zeiten wie diesen etwas bewegen kann...

"Mich nervt, wenn Kunst borniert, wertend und moralisch daherkommt!"

...deswegen haben wir das C/O Vienna Magazine gegründet. Ich glaube auch daran, dass Kunst etwas bewegen kann...

Über die Ausstellungen im das weisse haus wird seit zwei Jahren kaum mehr geschrieben. Aber ich kann mich nicht beklagen, wir haben ja noch relativ viel Medienpräsenz im Gegensatz zu anderen Institutionen der freien Szene. Aber wie soll Kunst in der Gesellschaft etwas verändern, wenn sie nicht rezipiert wird, keinen Platz in den Medien, also der Öffentlichkeit, findet. Ich finde gut, wenn der neue Kunst- und Kulturminister Thomas Drozda sagt, die freie Szene soll mehr Geld bekommen. Ich möchte nur betonen, dass die freie Szene nicht irgendwie das „lustige Extra“ zu den großen etablierten Ausstellungshäusern ist, sondern genauso ernsthaft, genauso professionell und qualitativ und genauso bedeutend für das Ansehen Österreichs.

Welche Kunst hängt bei Dir über dem Sofa?

Ich hatte tatsächlich jahrelang überhaupt keine Kunst zuhause hängen. Meine Wohnung sollte ein kunstfreier Hafen bleiben. Lieber nur Familie, privat, still sein. Ich betreibe ja auch noch mein Restaurationsatelier zuhause, habe somit immer ein paar Kunstwerke, hauptsächlich Gemälde ab den Sechziger Jahren, in meiner Obhut, wenn auch alarmgesichert und nicht an der Wand. Mittlerweile hängt vereinzelt die Geschichte von das weisse haus bei mir. Das sind schon alles vorwiegend Künstlerinnen, die ich einmal ausgestellt habe. Manchmal sind es Geschenke für eine gute Zusammenarbeit, immer steht eine Geschichte dahinter. Viel ist es aber immer noch nicht.

Du findest noch Zeit zu restaurieren, neben allen Deinen Aktivitäten und familiären Verpflichtungen? Du hast zwei Kinder!

Es geht sich aus! Oder vielleicht geht es sich gerade deswegen aus, weil ich beides habe. Ich restauriere Gemälde der zeitgenössischen Kunst für private Sammlerinnen, Stiftungen, Galerien und verfasse Zustandsberichte. Mein Handwerk habe ich an der Akademie in Wien, jeweils drei Jahre in Amsterdam und München erlernt, gebürtig bin ich eine waschechte Wienerin.

Was für eine Art Kunst reizt dich?

Wenn jemand, in welcher Form auch immer, eine tolle Technik besitzt, wenn ein Kunstwerk gut ausgeführt ist. Diese Vorliebe kommt von meiner handwerklichen Herkunft. Die Künstlerin Kata Tranker arbeitet beispielsweise mit Papier, das sie in dreidimensionale Lagen schichtet, daran kann ich mich einfach nicht satt sehen. Die österreichische Künstlerin Judith Fegerl impliziert einen wissenschaftlichen, physikalischen Ansatz in ihren Arbeiten, was ich extrem anziehend finde. Humor mag ich in der Kunst gern. Es tut einfach gut zu lachen. Poetische Positionen, wie im 5. Stock der Away Ausstellung, den irgendwie alle Besucherinnen als Highlight empfinden, ziehen mich zunehmend an. Mich nervt, wenn Kunst borniert, wertend und moralisch daherkommt.

"Die Seite der Ausstellungsmacherinnen wird oft nicht geschätzt, sondern als selbstverständlich eingefordert."

Wie suchst Du die Künstlerinnen für das weisse haus aus?

Für die Residence Programme lade ich eine Jury ein. Das restliche Programm ist tatsächlich sehr persönlich geprägt, oft arbeite ich aber auch mit externen Kuratorinnen zusammen. Für das Ausstellungsprogramm führe ich eine digitale Künstlerliste am Computer und eine analoge Filzwand in meiner Wohnung, an die ich pinne, was mich interessiert. Mit mir einen persönlichen Termin zu bekommen, ist zugegebenermaßen schwer, es geht sich bei mir zeitlich einfach nicht aus. Früher haben wir Open Calls ausgeschrieben. Das Format überdenken wir gerade. Schöner und positiver ist es doch, Künstlerinnen einzuladen, anstatt ihnen abzusagen. Zunehmend stelle ich im das weisse haus auch etabliertere Künstlerinnen aus. Ich finde für Akademieabgänger und Jüngere gibt es eigentlich ohnehin viel Programme. Wir mischen jetzt einfach mehr.

Es ist trotzdem ziemlich erfrischend, dass Du so uneitel bist. Du gibst immer anderen eine Plattform. Kommst man sich da manchmal ausgenutzt vor?

Es ist immer wieder überraschend, mit welcher Impertinenz und Anmaßung – trotz großem persönlichen Einsatz im Sinne der Realisierung ihrer Projekte – einem junge Künstlerinnen und Künstler immer wieder begegnen. Da fällt es mir manchmal schwer, nicht persönlich gekränkt und betroffen zu sein. Die Seite der Ausstellungsmacherinnen wird oft nicht geschätzt, sondern als selbstverständlich eingefordert, ohne zu realisieren, dass die Kunst unseren Beitrag ebenso nötig hat.

Ich danke Dir für dieses Gespräch!

www.dasweissehaus.com
Wer es nicht wusste:
Das weisse haus bietet selbst Residence-Programme und Künstlerstudios: www.studiodwh.at

Die Politische

Text: Shilla Strelka

In den 90er-Jahren ist Elke Silvia Krystufek mit ihren Performances und Selbstporträts durchgestartet. Immer wieder hat sie mit dem normativen Blick des Betrachters gebrochen und gegen Tabus aufbegehrt. Dass die Künstlerin, die seit einigen Jahren auf ihrem Mittelnamen Silvia besteht, sich mittlerweile auch Männerakten und einer feministischen Aufarbeitung der islamischen Welt widmet, verwundert wenig, hat sie doch nie aufgehört, nach gesellschaftlichen Brennpunkten zu fahnden. Wir trafen sie zu einem Gespräch.

Der Künstlerhaus-Leiter

Text: Antje Mayer-Salvi

Auf den Deutschen Tim Voss, seit Februar 2018 neuer künstlerischer Leiter des Künstlerhauses, warten in Wien im wahrsten Sinne des Wortes große Baustellen: Das altehrwürdige Gebäude am Karlsplatz wird generalsaniert, die knapp 500 Mitglieder zählende Künstlervereinigung ist zerstritten, der Deal zwischen Haselsteiner, Essl, Albertina und Bund wird scharf kritisiert. Voss blickt dem gespannt entgegen und nimmt trotzdem kein Blatt vor den Mund.

Der Zeremonienmeister

Text: Bernardo Vortisch, Fotos: Paul Pibernig

Der Österreicher Helmut Kienast ist ein Profi der Inszenierung. Er leitet den Studiengang Event Engineering an der New Design University St. Pölten. Kurzum: Er bringt anderen bei, wie man Events professionell gestaltet und vermittelt. Ein Gespräch darüber, wie eine gute Party klingt und riecht.