Eine Statementreihe
Die Welt verbessern? Funktion erfüllen? Fragen stellen? Was ist die Aufgabe von Design heute? Wir befragten Studentinnen des Master-Studiengangs Produkt-Design/Nachhaltige Produktkulturen der renommierten deutschen Bauhaus-Universität in Weimar. Sie besuchten die Vienna Biennale – Ideas for Change und gaben sich gegenüber ihrer Disziplin kritisch.
„Warum sollte ausgerechnet die Riege der Gestalter die Welt ändern können?“ (Muriel McCalla)
Viele Gestalterinnen und Gestalter fühlen sich dafür verantwortlich, die Welt zu verbessern. Nicht, dass die Weltverbesserung nicht tatsächlich dringlich wäre. Doch warum sollte das ausgerechnet der Riege der Gestalter gelingen? Im Alleingang wird es nicht passieren. Um grundlegende Veränderungen in gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereichen zu erreichen, müssen mehrere Professionen beteiligt sein. Die Welt braucht keine Einzelkämpfer, sondern einen Wertewandel, der sich durch alle Berufsgruppen zieht. Es ist es wichtig, sich nicht zu versteifen, die Auseinandersetzung nicht als typische Problem-Lösung-Situation zu begreifen. Fragen wie etwa "Ist diese Gestaltung sinnvoll?" oder "Welchen Mehrwert hat sie?" soll man sich stellen, doch dürfen sie nicht hemmen. Wichtig ist eine Balance zwischen Relevanz und Verspieltheit!
„Hinter bunten Bildern verschwinden die ernsten und bedrohlichen Szenarien!“ (Lisa Hofmann)
Was kann interdisziplinäres und partizipatives Gestalten jenseits von Kitsch und Krempel, welcher international auf Messen und Blogs gefeiert wird? Design kann motivieren und Alternativen generieren. Das zeigt die Biennale in Wien. Allerdings verschwinden hinter bunten Bildern schnell die ernsten, bedrohlichen Szenarien. Der Designer wandelt auf einem schmalen Grad zwischen Verharmlosung und Hoffnungslosigkeit. Design hat dabei aber den Vorteil, Interesse zu generieren, denn es macht Spaß. Das ist vielleicht sogar einer der wichtigsten Aspekte und die Herausforderung: Inhalte zu vermitteln, Kritik zu üben und Missstände aufzeigen, ohne dabei belehrend, bekehrend oder missionarisch zu sein. Design betitelt vieles. Die Methoden der Gestaltung finden immer öfter außerhalb der Disziplin Anwendung, etwa in Moderations- und Planungsprozessen oder als Möglichkeit zum kreativen Querdenken.
Die zunehmende Unschärfe des Begriffs „Design“ wird von vielen in der Szene heftig kritisiert. Nimmt sich die Disziplin selbst zu wichtig? Sie ist wandelbar, ist alles und nichts, Zauberei und Ratio, harte Arbeit und Spaß. Design ist eben keine Wissenschaft, es ist auch keine Gebrauchskunst, es ist keine abgegrenzte Disziplin, die sich über kurz oder lang selbst überholt. Die Zukunft des Designs? Nicht hinterherlaufen, voran, erhobenen Hauptes! Design kann die Avantgarde sichtbar machen, Exempel statuieren, Gefahren aufzeigen, Zugang schaffen zu abstrakten Theorien oder selbst als Form der Recherche zu überraschenden und außergewöhnlichen Ergebnissen führen.
„Designer entwerfen längst nicht mehr nur Produkte.“ (Daniel Scheider)
Ich finde spannend, wenn Design die Komplexität unserer Wirklichkeit abbildet. Studiengänge wie der für Produkt-Design/Nachhaltige Produktkulturen an der Bauhaus-Universität Weimar sehe ich im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch meiner Mitmenschen, hemmungslos konsumieren zu wollen und dem Anspruch, die Welt für zukünftige Generationen in ihren Optionen zu erhalten.
Wir Studentinnen und Studenten sind immerhin mit einem reichhaltigen Repertoire an Methoden ausgestattet, um diesen und ähnlichen Aufgaben gewachsen zu sein. Trainiert in Kreativitätstechniken gehört es zum Kerngeschäft des Produktdesigners, sich systematisch an Innovation heranzutasten. Jenseits dieses klassischen Betätigungsfeldes kann Design als Kommunikationsdisziplin das Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Folgen unseres Handelns schärfen. In Kooperation mit anderen Disziplinen trägt es dazu bei, die Komplexität der Folgen von Handlungen verständlicher zu machen, um Orientierung für Dritte zu liefern. Als kreative Disziplin zwischen den Professionen kann es darüber hinaus Geschäftsmodelle entwerfen oder innerhalb unseres Systems alternative Wege aufzeigen.