Sessions in der Küche
Zwischen Siebdrucken, Graffitisprühen und Skateboarding rappt sich die 26-jährige Wienerin Alice Mohrenschildt als Donna Savage an die Spitze des Female Deutschrap. Ihre Musik ist auf die Fresse – sie selbst mal knallhart und mal girly. Wir besuchen die Künstlerin zu Hause im dritten Bezirk und lernen sie durch ihre CD-Sammlung und ihre detailreich dekorierte Wohnung kennen. Am Küchentisch sprechen wir über Frauen im Rap und echte Hip-Hop-Momente.
„Eine Mischung aus Straßendreck und Beverly Hills.“
Julia Bauereiß: Deine erste EP „Parole Donna“ ist kürzlich erschienen. Eine Parole ist eine Art Motto, was ist Deines?
Alice Mohrenschildt (Donna Savage): Ich bin gekommen, um zu bleiben! Die Deutschrap-Szene wird mich jetzt nicht mehr los.
Muss man als Rapperin mehr Stärke zeigen, um von den männlichen Kollegen ernst genommen zu werden?
Eli Preiss, eine Musikerin aus Wien und Kollegin von mir, hat einmal schön gesagt: „Für den Applaus, den Du als Mann bekommst, gebe ich zehn Mal so viel.“ Das kann ich genauso unterschreiben. Man muss sich als Frau leider in der Szene immer noch mehr beweisen. Das liegt vor allem daran, dass bei Performances von weiblichen Artists oft Nebensächlichkeiten wie Haare, Aussehen, Outfit und Figur in den Vordergrund gerückt werden, wobei es eigentlich um die Musik gehen sollte.
„Richtig auf die Fresse“
Style ist im Hip-Hop allerdings schon immer zentral gewesen, wie wichtig ist er Dir?
Style ist schon immer wichtig für mich gewesen, man kann damit sehr viel aussagen, auch über die eigene Gefühlswelt. Meine Outfits sind wie Tag und Nacht. Manchmal möchte ich wie Taylor Momsen ausschauen und am nächsten Tag wie Missy Elliott. Ich bin schon in selbst genähten, angemalten, zerschnittenen und den verrücktesten Sachen herumgelaufen.
Was willst Du heute mit Deinem Tracksuit und dem auffälligen Make-up aussagen?
Mit Make-up kann man geniale Dinge machen, Gefühle zeigen und innerhalb zweier Minuten zu einem anderen Menschen mutieren. Heute zum Beispiel bringe ich mit meinem Styling zwei Seiten von mir, die ich schon immer auslebe, sehr gut auf den Punkt. Ich bin eine Mischung aus Straßendreck und Beverly Hills. Auch mein Künstlername vereint das in sich.
Donna Savage!
Genau, der Name Donna ist schön, weiblich und elegant, und „Savage“ ist „richtig auf die Fresse“, wie mein Rap. Ich finde nur, übersetzt sollte er nicht werden, da es sonst einfach „Frau Wild“ heißt. Das klingt scheiße.
„Eine echte Löwenmama“
Wie bist Du auf diesen Künstlernamen gekommen?
Den zu finden, war gar nicht so einfach. Bis kurz vor meinem ersten Release hatten wir keinen Namen, meinem Producer Brenk Sinatra und mir ist einfach nichts Gutes eingefallen. Als ich dann mal wieder den Film „Mamma Mia!“ gesehen habe, dachte ich: „Donna, der Name einer der Darstellerinnen, klingt doch gut.“ Allein war das jedoch zu wenig. Irgendwann rief mich Brenk um zwei Uhr nachts an, er hatte einen Geistesblitz: „Donna Savage! Das klingt geil.“ So war es dann.
Wer bist Du, wenn Du nicht Donna Savage bist?
Ich studiere „nebenbei“ an der Angewandten im Master Druckgrafik. Da lerne ich analoge Drucktechniken wie Sieb- oder Holzdruck. Mein Studium mit der Musik unter einen Hut zu bringen, ist manchmal wirklich hart, aber ich liebe es. Ich bin stolz, dass ich nach neun Semestern noch immer einen Notendurchschnitt von 1,0 habe. Das Studium und die Musikkarriere möchte ich beide weiter parallel durchziehen. Anschließend würde ich auch gerne meinen Doktor machen. Du siehst, ich habe noch viel vor.
In Deinem Song „Fingerprints“ erzählst Du vom Sprayen und der Flucht vor der Polizei, gibt es da noch mehr Anekdoten?
Ja, da gäbe es einige zu erzählen, das behalte ich aber lieber für mich (lacht).
Erzähl uns, wie Du aufgewachsen bist!
Ich bin im 17. und 18. Bezirk mit meiner alleinerziehenden Mutter groß geworden – eine echte Löwenmama. Ich habe in Wien maturiert und im Anschluss begonnen, Französisch und Kunstgeschichte zu studieren, war mir aber zu trocken.
„Flinta*-Artists haben Feuer unterm Arsch!“
Was sagt Deine Mama dazu, dass Du Rap machst?
Die feiert das total, sie ist meine größte Supporterin.
Wie kam die Musik in Dein Leben?
Wir haben nach der Schule immer bei meinem besten Freund zu Hause rumgehangen, wo er ein kleines Studio hatte – also eigentlich nur ein Mikro (lacht). Ich habe einmal bei einem Part eines Songs von Busta Rhymes (ein US-amerikanischer Rapper und Schauspieler, Anm. d. Red.) mitgerappt, woraufhin mein bester Kumpel, DJ und jetziger Tourmanager meinte: „Wenn Du das mitflowen kannst, dann kannst Du auch fix rappen, Du hast eh die urgeile Stimme.“ Er hat mir einfach Stift und Papier in die Hand gedrückt und wollte, dass ich etwas schreibe. Bei einer Show von ihm kam plötzlich genau dieser Beat, also rief er mich auf die Bühne. Erst wollte ich nicht, aber dann hat es richtig Spaß gemacht.
Wie entstehen Deine Songs?
Ich mache meistens allein Sessions – hier in der Küche, wo wir gerade sitzen. Zu Hause finde ich am besten Inspiration, aber viele Ideen kommen mir auch in der U-Bahn. Wenn ich mit dem Schreiben beginne, murmle ich erst vor mich hin und versuche, einen Flow zu finden. Das nehme ich auf, damit ich diesen nicht vergesse, und versuche, darauf neue Zeilen zu finden. Mit meinem kleinen Aufnahmegerät recorde ich meine Ideen, schicke sie Brenk und er baut einen Beat darunter. Erst im letzten Jahr habe ich begonnen, auch mit anderen Artists Sessions zu machen. Das war echt neu für mich.
Und was inspiriert Dich für Deine Texte?
Meine Ideen entstehen überwiegend durch Gespräche mit anderen, persönliche Erlebnisse oder das aufmerksame Zuhören in der U-Bahn. Das, was ich in diesen Situationen wahrnehme, halte ich in meinen Notizen fest, die in meinen Sessions als Ausgangspunkte für meine Textzeilen herhalten.
„Der Hip-Hop-Moment“
Lief das auch so bei Deinem ersten größeren Projekt, Deiner EP „Parole Donna“, ab?
Nein, das haben wir in drei Tagen gemacht – extrem absurd. Ich bin für vier Tage bei Brenk eingezogen. Ich muss sagen, am ersten Abend haben wir nur Blödsinn geredet und schlechten Rap gehört, aber das war super. Dann kamen wir in den Flow und haben wie die Tiere durchgerackert – von halb neun morgens bis um zwei Uhr in der Nacht. Dann war die EP fertig. Wir hatten das Glück, dass uns Brenks Frau Kat, die auch meine Managerin ist, bekocht und verwöhnt hat. Das war so schön.
Welche Artists haben Dich inspiriert?
Ich finde vor allem Songs von Flinta*-Artists sehr bewundernswert, ich dachte: „Wow, die haben Feuer unterm Arsch.“ Lady Sovereign war sehr prägend für mich. Sie war eine der ersten britischen Female MCs, die im Grime-Stil (eine Musikrichtung aus Großbritannien, geprägt durch einen aggressiven und düsteren Sound, Anm. d. Red.) gerappt hat und damals erst 15 Jahre alt war. Sie ist der Grund, weshalb ich noch heute einen Schlüssel als Ohrring trage. Sie hatte auch immer einen um den Hals. Außerdem habe ich viel Eminem gehört, und ich liebe die Gorillaz. Mein erster Tonträger war von ihnen – „Demon Days“.
Hast Du Deine erste CD noch?
Ja! Irgendwo, aber die ist schon urzerfleddert. Und meine zweite CD habe ich auch noch! Von Tic Tac Toe, von meiner besten Freundin, natürlich ganz legal, selbst gebrannt.
Wir können ja mal reinhören, was hast Du noch so in Deiner Sammlung?
Ja gerne! Fürs Feeling kann ich meinen Discman rausholen. Hier habe ich noch die „Ich find dich scheiße“-Single von Tic Tac Toe, „Ich und meine Maske“ von Sido und eine MAdoppelT-CD, das ist ein Rapper aus Wien.
Wo hast Du Dich zu Beginn ausprobiert?
Da gibt es einen Laden in Wien, der mich sehr geprägt hat, der Kulturverein „Einbaumöbel“ im neunten Bezirk, dort erlebt man wirklich einen echten „Hip-Hop-Moment“. Jeden dritten Donnerstag werden dort Freestyle-Sessions veranstaltet. Die Leute sitzen dabei im Kreis, geben das Mikro herum und rappen irgendwas.
„Sehr viel Wut und Hass“
Wie ist es, als Frau auf so einer Hip-Hop-Veranstaltung zu sein und zu rappen?
Grundsätzlich herrscht dort eher eine assige Alle-Saufen-Bier-Hip-Hop-Atzen-Stimmung. Es ist aber immer ursweet, wenn die richtigen Leute da sind. Die freuen sich, wenn Frauen teilnehmen und an das Mic treten, auch wenn das – ehrlich gesagt – eher selten ist. Als Frau ist es schwieriger, sich in diesem Surrounding wohlzufühlen, was aber beim Freestylen sehr wichtig wäre. Für mich war es trotzdem eine wichtige Plattform, um mich und meine Texte auszuprobieren.
Kürzlich hast Du Deine erste Solo-Show gespielt, wie war die Stimmung?
Ich verstehe noch immer nicht, was da genau passiert ist! Meine erste Solo-Show war ausverkauft und dann noch in Berlin und nicht Wien. Es waren 250 Menschen in der Berghain-Kantine und alle haben zu den Songs, auch den unveröffentlichten, Party gemacht. Ein paar aus der ersten Reihe haben sogar jede Liedzeile auswendig mitgebrüllt.
Dein Song „Blutwiese“ handelt von Frauen, die im täglichen Leben sexualisiert werden oder Gewalt ausgesetzt sind. Hat Dich eine bestimmte Erfahrung zu diesem Song bewegt?
Der Song ist aus sehr viel Wut und Hass auf die Gesamtsituation entstanden, in der sich Frauen befinden. Jedes Mal, wenn wir abends aus waren, gab es unangenehme Situationen: Es wurde an den Arsch gegriffen, nicht aufgehört, von hinten anzutanzen, es gab verbale Anmache – darüber wollte ich einen Song machen, aber nichts explizit aussprechen. Dafür habe ich die „Blutwiese“ erschaffen, auf der ich alle fertigmache, die mich und andere Frauen ständig in übergriffige Situationen bringen.
„Frauen durften mit dem Arsch wackeln.“
Deine Freundinnen haben für das Musikvideo noch kurze Sequenzen von sich aufgenommen?
Ja, sie erzählen von ihren unangenehmen Erfahrungen. Diese Beiträge verleihen dem Song erst seine reale Note. Ich bin sehr dankbar für deren Clips, denn es ist sehr mutig, über so etwas öffentlich zu sprechen.
Entgegen allen Rollenklischees überzeugst Du in dieser Rap-Männerdomäne mit harten Punchlines, wäre Gesang dennoch ein Mittel, um Deine Message rüberzubringen?
Ja, ich habe große Lust darauf, mich in dieser Richtung auszuprobieren. Ich nehme Gesangsstunden und versuche herauszufinden, was meine Stimme in ihrer Gesamtheit alles zu bieten hat. Aber nur, weil das alle machen, muss ich mich da nicht anschließen.
Lange war das Singen die einzige Möglichkeit für Frauen, an der Rap-Szene zu partizipieren ...
Ja, früher war das nur so. Frauen durften im Musikvideo mit dem Arsch wackeln oder eine Hook singen und wurden nicht einmal in den Credits genannt. Aber einen Part rappen? Nein, das wäre zu viel des Guten! Vor allem Kitty Kat hat sich da schon früh zwischen den Welten bewegt.
Sind Frauen die Zukunft des Deutschraps?
Ja, ich finde Flinta*-Artists bringen gerade richtig Bewegung in die Szene und verändern einiges bei den männlichen Musikern. Diese werden ermutigt, mehr über Gefühle zu sprechen, und merken, dass sie dadurch nicht gleich uncool wirken. Wir Frauen übernehmen im Rap gerade das Zepter, und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Danke für das Gespräch.
Donna Savage ist eine Rapperin aus Wien und studiert Druckgrafik an der Universität für angewandte Kunst. Zusammen mit ihrem Produzenten Brenk Sinatra entstehen die meisten ihrer Songs und Projekte, wie ihre kürzlich erschienene Debüt-EP Parole Donna.