Die Erleuchtete

LED – LEIDER GEIL

Im beschaulichen burgenländischen Bad Tatzmannsdorf erstreckt sich auf 5.000 Quadratmetern die größte weihnachtliche Kunstinstallation Europas von Sabine Gollnhuber. Sie ist die quirlige Antithese zum Minimalismus und ein eindeutiger Beweis dafür, dass mehr einfach mehr ist. Seit zehn Jahren leuchten rund 600.000 Lämpchen und über 180 aufblasbare Figuren, allen Stromsparerinnen zum Trotz, um die Wette. Wir trinken süßen Punsch im obligatorischen Disney-Häferl und führen ein erleuchtendes Gespräch über geile LEDs, Kitsch und ein erfülltes Leben im weihnachtlichen Glanz.

„Wenn man das alles macht, muss man einen Pecker haben!“

David Meran: Danke für die Einladung ins beschauliche Bad Tatzmannsdorf! Entdeckt habe ich Sie im Privatfernsehen, Ihr lautes, sympathisches Lachen ist mir sofort aufgefallen. Hatten Sie keine Angst, im TV vorgeführt zu werden?

Sabine Gollnhuber: Mein Mann sagt immer, ich lache wie eine Ziege (lacht)! Was meinen Sie damit, vorgeführt zu werden?

Naja, Sie standen, so wie heute auch, mit roter Weihnachtsmütze, Christbaumkugel-Ohrringen und Weihnachtsoutfit vor über 180 aufblasbaren bunten Figuren – ein bisschen viel. Gab es keine Bedenken, dass man da etwas verrückt rüberkommt?

Nein, so bin ich eben. Wenn man das alles macht, muss man einen Pecker haben! Wir sind monatelang jeden Tag von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends draußen und arbeiten. Oft passiert es, dass wir nicht einmal zu Mittag essen. Ich habe eine Vision, oder sagen wir: eine Mission! Es sind über die Jahre wunderbare Freundschaften entstanden, zum Beispiel mit behinderten Menschen, die uns im Rollstuhl besuchen kommen. Jetzt während der Corona-Zeit darf ich die aber leider alle nicht abbusseln und fest drücken. Dreizehn Jahre lang war ich in der HTL Pinkafeld im Elternverein tätig, dort gab es 120 Lehrerinnen zum Busseln (lacht)! 

Was sagen eigentlich Ihre Nachbarinnen?

Ich habe die besten Nachbarn der Welt – vor allem den Norbert, der arbeitete bei einem Stromanbieter und sagt immer von sich selbst, er sei der „finstere Nachbar“, weil er im Vergleich zu mir immer nur zwei leuchtende Sterne aufhängt. Ihm gefällt meine „amerikanische Weihnacht“ zwar nicht so, aber er akzeptiert sie. Wir spielen täglich sechs Stunden lang amerikanische Weihnachtslieder. Am Wochenende kommen bis zu 2.000 Leute, da ist die Straße zum Haus normalerweise gesperrt und Securities sorgen für Ordnung. Wir waren schon im Radio, weil wir für ein Verkehrschaos gesorgt hatten. Man kann sich das kaum vorstellen, weil wir ja sonst ein idyllisches, kleines burgenländisches Dorf mit 1.300 Einwohnerinnen und Einwohnern sind.

„Wir spielen täglich sechs Stunden lang amerikanische Weihnachtslieder.“

Warum genießen Sie diesen Überfluss hier so sehr?

Weil es so viele Leute anzieht und alle zu uns kommen. Ich liebe die Menschen, vor allem die Kinder!

Sie erwähnten es bereits: Seit Anfang August sind Sie und Ihre Familie täglich bis zu acht Stunden mit dem Aufbau beschäftigt, damit Ihr „Mekka der Weihnachtsbeleuchtung“ in vollem Glanz erstrahlt. Was nervt daran am meisten?

Wenn das Stromnetz zwischendurch zusammenbricht (lacht). Richtig nerven tut nichts, wir kommen aber oft unter Zeitdruck, das geht an die Substanz. Es ist harte Arbeit, die erledigt werden muss, damit ich nachher eine Freude habe. 

Was hat Ihr ehemaliger Job als Technikerin mit der Weihnachtsbeleuchtung gemeinsam?

Die Exaktheit! Ich habe in Graz studiert und danach bei meinem Vater in seinem Planungsbüro gearbeitet: Straßenbau, Kanalbau, Hochbau – darum habe ich auch dieses Haus geplant und gezeichnet. Heute bin ich eher Garten-Kosmetikerin. Ich liebe zwar auch den wilden Wald, aber hier im Garten sind meine besten Freunde, der große Besen und der Laubsauger (lacht), mit dem gehe ich jeden Tag herum und sauge jedes Blatt ein!

„Ein Herz im Milchschaum ist auch ein Kunstwerk.“

Offensichtlich haben Sie keine Angst vor Kitsch, was ich persönlich toll finde. Was finden Sie dennoch richtig scheußlich?

Was ich überhaupt nicht ertrage: wenn etwas nicht liebevoll dekoriert ist, zum Beispiel Lichterketten, die nur so hingeworfen und nicht sorgfältig angebracht werden. Trotzdem geht für mich alles an Dekoration, ich gebe jeder Art von Kunst eine Existenzberechtigung.

Stichwort Kunst: Für mich ist das hier die beste Installation der vergangenen Jahre. Was ist Ihr Zugang zur Kunst?

Für mich ist das ganze Leben Kunst, wenn mir mein Sohn mit seiner tollen Espressomaschine ein Herz in den Milchschaum macht, ist das auch ein Kunstwerk. Wenn ich durch Rom spaziere, ist im Grunde genommen alles, was von Menschenhand mit Liebe gemacht geworden ist, für mich Kunst. 

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Aus meinem Hirn. Jedes Jahr steht alles anders. Es ist so wie bei „Toy Story“, die Figuren leben und streiten sich um die besten Plätze.

„Wenn ich was mache, dann zu 200 Prozent.“

Wer ist in Ihrem Weihnachtsgarten NICHT willkommen?

Willkommen ist ein jeder, sonst pole ich ihn eben um. Früher sind viele Schaulustige gekommen, die gemeint haben, das sei alles zu kitschig und wir wären Stromverschwender. Ich habe immer alle eingeladen und hereingebeten. Wenn die Kinder draußen stehen und uns fragen, in welchem Zimmer das Christkind wohnt, und ihre Wunschzettel in meinen Postkasten werfen, denke ich mir: Du hast es doch irgendwie richtig gemacht. 

Was sagen Sie Kritikerinnen zum Thema Stromverbrauch und Lichtverschmutzung?

Wir beziehen grünen Strom, halten uns an alle Gesetze und sind CO₂-neutral. 2014 wurde eine Diplomarbeit über unser Weihnachtshaus mit dem Thema „Lichtverschmutzung in der Adventszeit“ verfasst. Dabei sind wir umwelttechnisch intensiv überprüft geworden, die MA 39 der Stadt Wien war mit Spezialkameras hier. Sie untersuchten die Lichtstärke und Intensität, wir wurden als unbedenklich eingestuft. Somit haben wir quasi die Lizenz zum Aufrüsten bekommen (lacht). Wissen Sie, der eine kauft sich zwei oder drei Autos, der andere Zigaretten – ich kaufe mir eben Weihnachtsbeleuchtung – und das seit dreißig Jahren.  

Als Kind waren Sie öfters mit Ihren Eltern im Disneyland in den USA. Sie erzählten, dort hätten Sie sich mit dem Weihnachtsvirus infiziert. Was meinten Sie damit genau?

Meine Schwester Micky, sie heißt eigentlich Michaela, und ich hatten Eltern, die uns die Welt gezeigt haben – das war ein großes Glück für uns. Sie meinten immer, das Wichtigste, das du deinen Kindern mitgeben kannst, ist gemeinsame Zeit. Deshalb sind wir in den Weihnachtsferien nach Asien, Afrika und eben auch oft in die USA gereist. Mein Vater filmte diese Momente, daher kann ich mir die Aufnahmen unserer Zeit in Florida oder Kalifornien bis heute immer wieder ansehen. Die Perfektion der Dekoration in Amerika hat sich in mein Weihnachtsherz hineingebrannt.

„Ich trage das ganze Jahr über nur Disney-Pullover.“

Haben Sie mit Ihren Kindern dann das Gleiche gemacht?

Ja, tatsächlich. Im Jahr 2000 ist der amerikanische Film „Der Grinch“ rausgekommen – ein Jahr später haben wir uns in den Universal Studios alles angesehen: ein Wahnsinn! Ich trage das ganze Jahr über nur Disney-Pullover. Zu meinem 40. Geburtstag im Juli habe ich das ganze Haus und den Garten für 400 Gäste weihnachtlich geschmückt, der Weihnachtsmann ist sogar in einer Pferdekutsche gekommen! 

Was ist für Sie persönlich der Sinn des Lebens?

Mit sich selbst im Reinen zu sein und das, was man sich vorgenommen hat, zu erledigen. Ich bin sehr zielstrebig, wenn ich etwas mache, dann zu 200 Prozent.

Die Einnahmen des Weihnachtshauses gehen an Charity-Aktionen. Warum?

Anfänglich habe ich mit meinen Kindern im Garten einen Adventskranz aus alten Lkw-Reifen gebaut – der übrigens 2009 als „originellste Weihnachtsdekoration Österreichs“ ausgezeichnet wurde. Wir haben aus riesigen Kanalrohren Kerzen gebaut, dann wurde es immer mehr, und viele Leute wollten das einfach sehen.

Haben Sie keinen Eintritt verlangt?

Für mich war immer klar, es ist mein Hobby. Mein Lohn sind die strahlenden Augen der Menschen, ob jung oder alt. Leider Gottes ist 2010 eine liebe Freundin mit 39 Jahren an Leukämie verstorben, sie hatte vier Kinder, unsere Söhne waren sehr gut befreundet. Ihr armer Mann stand nun mit den vier Kindern alleine da, in einem neugebauten Haus. Wir mussten etwas tun – das war der Start der Charity-Aktionen. Wir organisierten einfach Events im Weihnachtsgarten.

Viele umliegende Bäuerinnen, Unternehmerinnen und Vereine sorgten für Punsch, Bier, Gulasch, Stehtische, allerlei Technik und so weiter. Es gab bewusst kein Wechselgeld! Wenn jemand für sein Bier um 2,50 € nur einen Fünf-Euro-Schein hatte, gab es entweder zwei Bier, oder die Hälfte des Geldes wurde gespendet. Mittlerweile konnten wir als Hauptsponsor eine Schule in Nepal errichten. 

„Licht trifft mich einfach ins Herz!“

Kurzer Exkurs in die Bibel, im 1. Buch Moses steht geschrieben: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“ Warum ist das Licht für Sie gut?

Licht trifft mich einfach mitten ins Herz! Darum bin ich auch jeden Tag draußen bei meinen Lichtern, weil mich das einfach beruhigt. Ständiger Medienkonsum, permanent das Corona-Thema – diese unangenehme Energie habe ich draußen im Garten bei meinen Figuren und Tieren nicht. 

Was ist Erleuchtung für Sie?

Wenn ich am Ende meines Lebens behaupten kann, dass ich mit mir zufrieden bin, meine Augen zumache und sage: „Schön war es.“

Derzeit stehen hier rund 180 Figuren – wann ist Schluss?

Einen Schluss gibt es nicht! Außer es gibt kein einziges grünes Fleckerl mehr auf der Wiese, dann vielleicht. Man muss dazu sagen, einige Figuren werden mit der Zeit kaputt, andere sind von mir in die Pension geschickt worden, die müssen nicht mehr leuchten.

Wer zahlt eigentlich die Stromrechnung?

Mein Mann (lacht). 

Danke, für das erleuchtende Gespräch!

Gerne. Jetzt trinken wir aber noch einen Punsch!


Weihnachtshaus Bad Tatzmannsdorf


Höhenweg 11
7431 Bad Tatzmannsdorf 
Burgenland

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