Superland & Idiotenparadies
Phillippa Galli ist Schauspielerin, Sprecherin und vielen vor allem als PIPPA bekannt. Unter diesem Namen produziert die 35-jährige Wienerin frischen Indie-Pop, der zwischen Neuer Deutscher Welle und Chanson oszilliert. Ihre aktuelle Single Egal (feat. Nora Mazu) hielt sich sechs Wochen in den FM4-Charts und avancierte zum Lockdown-Ohrwurm. Wir sprachen mit ihr darüber, ob wirklich alles egal ist.
„Riesenrad ist eh ur fad.“
Stefanie Schermann: Beschreib doch bitte mal Deine Musik.
Phillippa Galli: Klar kann ich dir sagen, was mir zu meiner Musik einfällt, aber will ich nicht. Einordnung ist eine so starke menschliche Sehnsucht, da sollen mich doch lieber die anderen kategorisieren! Was ich mache, ist jedenfalls Pop, im weitesten Sinne.
Hört man zum ersten Mal Deine Songs, fällt auf, dass sich viele um den Wiener Prater drehen: Einer heißt „Riesenrad“, ein anderer „Tagada“. Womit fährst Du, wenn Du in den Prater gehst?
Tagada! Und dann Breakdance! Ich mag alles, was sich schnell dreht. Riesenrad ist eigentlich eh ur fad.
Wenn Du Dich auf einer Party jemandem vorstellst, was erzählst Du über Dich?
Ich würde sagen, dass ich Künstlerin bin und Musik mache, Schauspielerin und Sprecherin bin, male, zeichne, einen Podcast habe, aber auch gerne mal nichts tue. Einfach nur dasitzen finde ich auch toll, lese gerne, aber viel zu selten, weil ich streamingsüchtig bin (lacht).
„Am liebsten mag ich’s experimentell.“
Was inspiriert Dich?
Es gibt zu allem so viel zu sagen! Allein in meiner Wohnung könnte jeder Gegenstand einen Song anstoßen. Ich muss nicht extra nach Inspiration suchen, die picke ich mir einfach aus dem Leben. Eine Schreibblockade hatte ich zum Glück schon lange nicht mehr.
Deine Eltern schauspielern beide, Du hast mit 16 Jahren die Schule geschmissen, um ebenfalls ans Theater zu gehen. Muss man als Kind von Schauspielerinnen automatisch auch Schauspielerin werden?
Wirkt so, nicht wahr? Ich bekam jedenfalls von klein auf mit, dass die Schauspielerei als Beruf kein Zuckerschlecken ist, und entschied mich mit 16 Jahren trotzdem dafür. Ich sprach damals am Wiener Schauspielhaus vor und wurde genommen, die Ausbildung machte ich parallel dazu. Was mir half, war, dass ich durch meine Eltern und deren Freunde in ein Netzwerk erfahrener Schauspielerinnen eingebettet war, die mich unter ihre Fittiche nahmen.
Deine Lieblingsrolle bis jetzt?
Von den Klassikern: Gretchen aus Urfaust. Starker Tobak, aber ich fand die Rolle toll. Die spielte ich beim Sommertheater in Enns in Oberösterreich. Am liebsten mag ich es experimentell, sehr gerne mache ich Performances..
„Verschiedene Rollen anprobieren.“
Ist PIPPA auch eine Rolle?
Jein. Sie ist viele Rollen. Wir alle haben mehrere Facetten, ich möchte mich nicht auf eine davon festlegen und bei jedem Auftritt dieselbe sein müssen, will verschiedene Rollen anprobieren, aber auch wieder ablegen können. Eine typische Bühnenpersona ist PIPPA also nicht, das wäre zu stressig und unpersönlich.
Welche Stimme würde Deine Biografie als Hörbuch vertonen?
Sophie Rois! Sie ist eine österreichische Schauspielerin, die in Berlin bekannt wurde. Ihre Stimme ist total gebrochen, kaputt, und dadurch etwas ganz Besonderes. Eine Kollegin meiner Mutter studierte mit ihr am Max Reinhardt Seminar in Wien und erzählte mir, dass man ihr dort immer wieder sagte, mit so einer Stimme werde sie sicher keine Schauspielerin. Genau die ist jetzt ihr Markenzeichen!
„Unbezahltes Livestreaming ärgert mich.“
Du stehst als Schauspielerin und Musikerin ständig auf der Bühne, jetzt hast Du ein neues Album und darfst gerade nicht live spielen. Schlimm oder gar nicht so?
Ein bisschen. Das Formieren und Einspielen meiner Liveband hat ein wenig gedauert, jetzt wäre ich damit aber ganz happy. Wäre! Dass wir nun nicht spielen dürfen, ist bitter, denn ich will das Album „Idiotenparadies“ präsentieren und unter die Leute bringen – Tonträger und Merch verkaufen sich am besten nach einem Live-Gig. Ich gehöre aber nicht zu denen, die sich hinstellen und
raunzen. Es geht uns allen gleich.
Livemusikstreamings über YouTube sind gerade sehr angesagt – eine Möglichkeit, sich vom Wohnzimmer aus Gehör zu verschaffen?
Als Zuhörerin spricht mich das nur noch selten an, weil es das einfach schon zu oft gab. Als Musikerin ärgert mich, dass es unbezahlt bleibt, das dafür nötige technische Know-how aber vorausgesetzt wird. Gute Tonmitschnitte aus dem Wohnzimmer zu liefern ist gar nicht so leicht!
„Alles egal!“
Die Catchphrase Deiner aktuellen Single ist „Alles egal“. Wir leben in einer Welt, in der jede eine starke Meinung hat und diese auch laut vertritt. Ist wirklich alles egal?
Das Wort „Meinung“ klingt so endgültig. „Perspektive“ oder „Blickwinkel“ gefällt mir besser, denn die sind flexibel. Sobald man jene verschiebt, beginnt man, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen – genau das will ich bei anderen anstoßen, ohne preiszugeben, was ich selbst darüber denke. Das Wort „egal“ relativiert vieles, sobald man einen Schritt zurück macht und die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, wird tatsächlich vieles egal, was vorher wichtig erschien.
Der Song Deines Lebens?
Ich bin mit den Beatles groß geworden. Der erste Song, der mich als Kind so richtig gekickt hat, war „Octopus’s Garden“. Meine Mama hat mir damals den Text übersetzt, der ja total absurd ist. Es ist eigentlich ein Kinderlied und immer noch sehr wichtig für mich. Viele Beatles-Fans mögen es nicht, für mich ist es eine kleine Schmuckperle – gleichzeitig so unprätentiös! Der Song will nichts, er ist einfach nur süß.
„Probieren, Scheitern, wieder Probieren.“
Ist die Welt in Deinen Augen ein Idiotenparadies?
Manchmal, aber das ist nichts Negatives. Wir sind alle auf der Suche und probieren ständig neue Konzepte aus, sowohl für uns als Individuen als auch für die Gesellschaft. Das Leben ist ein ständiger Wechsel
zwischen Probieren und Scheitern und wieder Probieren.
Wie sieht Dein perfekter Sonntag aus?
Den ganzen Tag im Pyjama verbringen, ausschlafen, ausgiebig frühstücken. Bei schlechtem Wetter gar nicht erst rausgehen. Lesen und tausende Folgen einer Serie hintereinander schauen, währenddessen mit meinem Kater schmusen. Wenn es dann langsam dunkel wird, Musik machen – das ist die beste Zeit dafür. Und lange aufbleiben. Ach so, aber man kann ja an einem Montag nicht ausschlafen. Hm.
Danke für das Gespräch!