Call me goood
Telefonie mit tieferem Sinn. Mit dieser Idee möchte der nachhaltige Mobilfunkanbieter goood mobile im Start-up-Meer mitschwimmen: 10 Prozent der monatlichen Gebühr werden automatisch an eine gemeinnützige Organisation gespendet. goood-Gründerin Claudia Winkler, ehemalige Telekom-Marketingvorständin, erzählt im Gespräch, wie sie sich in der männlich dominierten Start-up-Branche behauptet.
Lena Stefflitsch: Was macht goood good?
Claudia Winkler: Mit goood mobile wollten wir vor allem jungen Leuten die Möglichkeit bieten, zur Zivilgesellschaft beizutragen. Klassisches Erlagschein-Spenden ist langweilig, wir gestalten das innovativ und anders. Wir sind ein Team von neun Personen, zwei davon sitzen in Berlin. Im Februar 2017 haben wir goood in Deutschland lanciert, weil der Markt einfach größer ist. Seit Oktober 2017 gibt es uns auch in Österreich. Die Idee hinter goood mobile war, eine Mobilfunkmarke aufzubauen, mit der man ohne viel Aufwand regelmäßig Gutes tun kann. Bei uns wählt man zwischen zwei Tarifen und sucht sich eine gemeinnützige Organisation aus, an die man monatlich automatisch 10 Prozent der Gebühr spendet.
Wieso hast Du Dich entschieden, die Vorstandsetage zu verlassen und mit dem Launch von goood mobile in die risikoreiche Start-up-Branche zu wechseln?
Ich war lange in Führungspositionen, in denen ich mehrere hundert Personen geleitet habe. Mit Anfang 40 war mir klar, dass ich etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun möchte. Ich habe soziale Innovation studiert, davor hatte ich mich ausschließlich mit technischer Innovation beschäftigt. Eigentlich ist mein Kollege Matthias auf die Idee gekommen, Mobilfunk mit Wirkung zu machen. Anfangs fand ich das nicht so spannend, muss ich ehrlich zugeben. Ich erkannte dann aber schnell, dass ich das, was ich am Besten kann, für den Nutzen der Gesellschaft einsetzen kann. Wir wollten von Anfang an ein Social Business machen, das heißt keine NGO, sondern ein Unternehmen, das eine soziale Mission verfolgt, sich aber selbst finanzieren kann.
Die Start-up-Szene ist stark männlich dominiertes Terrain, laut dem „European Startup Monitor“ waren im Jahr 2016 in Österreich nur 7,1 Prozent der Gründerinnen weiblich. Was sagst Du dazu?
Diesen Umstand sehe ich natürlich auch immer, wenn ich an Pitches teilnehme, bei denen wir versuchen, Investoren von uns zu überzeugen. Der typische Start-up-Gründer ist männlich und zwischen 20 und 35 Jahre alt. Ich bin älter und eine Frau, da fällst Du auf. Erst kürzlich waren wir bei einer solchen Veranstaltung in Frankfurt, unter den 25 Anwesenden waren nur drei Frauen. Das fand ich wirklich krass, wirklich hardcore.
„Bis zu meinem zweiten Kind habe ich keine Erfahrungen mit Diskriminierung in der Arbeitswelt gemacht. Diese ‚gläserne Decke‘, dachte ich mir, ist ein Scherz.“
Wie bist Du mit dieser Situation umgegangen?
In meinem Eröffnungsstatement habe ich direkt adressiert, dass ich mich nicht nur als Repräsentantin der Social Businesses, sondern auch als Repräsentantin der Frauen sehe. Mein Kollege war dann etwas entsetzt und meinte, ich könne das nicht machen, ich würde dadurch eine Barriere zwischen mir und den anderen Menschen aufbauen, sodass diese sich nicht trauen würden, mich anzusprechen. Das sehe ich jedoch ganz und gar nicht so – nur offen darüber zu sprechen und mit Frauen zusammenzuarbeiten, kann etwas verändern.
Ihr bewerbt Eure Tarife mit dem Prinzip des „painless giving“, ein schmerzloses Geben also. Ist es ein Symptom unserer Zeit, dass wir immer eine unkomplizierte und mühelose Lösung benötigen? Sind wir zu gemütlich geworden, um uns ernsthaft sozial zu engagieren?
Was soziales Engagement anbelangt, bin ich sehr optimistisch. Es gibt zwar einen leichten Rückgang seit dem Höhepunkt im Jahr 2015, als besonders viele Menschen geflüchtet und angekommen sind, aber es passiert dennoch unglaublich viel im gemeinnützigen Bereich. Aufmerksamkeit für soziale Themen zu generieren ist ein besserer Zugang als immer nur zu jammern und zu sagen, es passiere nichts.
Außerdem ist uns diese Leichtigkeit wichtig! Am Anfang wollten wir die „Wir verändern die Welt“-Mission verkaufen und dachten, alle werden sofort aufspringen – das war jedoch thematisch viel zu schwer. Die Leute wollen gar nicht so tief einsteigen, sie wollen sich einfach ein bisschen inspirieren lassen.
Wer ist Eure Zielgruppe? Sicherlich keine Geiz-ist-geil-Typen ...
Größtenteils weibliche, nachhaltig denkende Millenials, sprich in den 80ern bis Anfang der 2000er-Jahre geborene Personen. Der nachhaltig denkende Konsum, der „Conscious Consumerism“ – im Englischen klingt das gleich besser – wird immer mehr zum Mainstream. Wir sprechen Leute an, die ihre Kaufentscheidung bewusst fällen und damit ein politisches Statement setzen möchten.
„So orthodox zu sagen ,Du bist nicht durch und durch grün, du darfst nicht mitmachen‘, finde ich nicht zielbringend.“
Stichwort nachhaltiges Konsumieren und „Conscious Consumerism“: Es gibt ja ständig neue Produkte und Dienstleistungen, die als nachhaltig verkauft werden. Wie kritisch sollte man hier sein?
Im Bereich Social Business wird darüber viel diskutiert: Wer ist dabei? Wer betreibt Greenwashing? Hierzu vertrete ich eine radikale Meinung, nämlich dass jeder, der etwas tut und der darüber redet, in der Gesellschaft etwas verändert. Wenn wir wollen, dass Themen von der Nische in die kritische Masse gelangen, ist es umso wichtiger, dass viele Leute darüber sprechen. So orthodox zu sagen „Du bist nicht durch und durch grün, du darfst nicht mitmachen“, finde ich nicht zielbringend.
(Anm. der Redaktion: „Greenwashing“ bezeichnet PR-Methoden, die versuchen einem Unternehmen ein umweltfreundliches und nachhaltiges Image zu verleihen, wenngleich dieses nicht so agiert.)
Was würdest Du entgegnen, wenn Euch jemand des Greenwashings bezichtigen würde?
Wollten wir einfach nur Geld mit Mobilfunk machen, hätten wir mit unseren Hintergründen tausende Möglichkeiten, viel profitablere Marken aufzubauen. goood mobile wurde dezidiert als Fundraising Tool ins Leben gerufen. Wir nennen uns nicht nur Social Business, wir erfüllen auch die Social-Business-Kriterien – Nachhaltigkeit und sozialer Nutzen stehen im Zentrum. Zusätzlich zu den Spenden, die wir durch die Tarife generieren, reinvestieren wir 25 Prozent unserer Profite in andere Social Businesses.
Ihr nützt das A1-Netz, das bedeutet, Ihr entrichtet Netzgebühren an A1. Wie rechnet sich Euer Tarif?
Wir schaffen unsere Tarife, indem wir beim Marketing sparen. A1 hat ein Werbebudget von rund 20 Millionen Euro, viel davon geht in die Fernsehwerbung. Wir schaffen Reichweite durch unseren großen Pool an Influencern und Celebrities. Außerdem ist Mobilfunk ein höchstprofitables Geschäft, die Gewinnspannen sind hier um ein Vielfaches höher als in anderen Branchen.
Die deutsche Band ‚Die Fantastischen Vier‘ sind goood-Testimonials. Welche anderen Celebrities würden zu goood passen?
Wir nehmen jeden, der unsere Vision teilt. Nein, das war jetzt etwas zu flapsig formuliert. Wir haben ein Manifest verfasst, demnach müssen unsere Partnerinnen die Werte Respekt und Verantwortung mit uns teilen. Wer also per se ausgrenzt oder etwa als Persönlichkeit dafür steht, passt nicht zu uns. Aber diejenigen wenden sich meist eh nicht an uns.
Gibt es Grenzen oder No-Gos? Würde ein Andreas Gabalier zu Euch passen?
Ich weiß nicht, ich hatte noch nie mit ihm zu tun (lacht). Ganz grundsätzlich und unabhängig von Andreas Gabalier wollen wir jedoch niemanden fördern, der sich mit uns das grüne Mäntelchen anziehen möchte, aber eigentlich gar nicht unsere Werte vertritt.
„De facto ist Kinderkriegen ein Gemeinschaftsprojekt – warum sollte die Frau die Kinderbetreuung alleine tragen müssen?“
Welche Vorteile hat das selbstständige Start-up-Dasein, die Du als Vorstandsmitglied bei der Telekom nicht hattest?
Für mich es besonders spannend, direktes Feedback von Leuten zu bekommen. Sonst säße ich wahrscheinlich im Konzernbüro und würde durch meine Stellung immer nur die halbe Wahrheit zu hören bekommen. Sicherlich kann ich im Start-up mehr ich selbst sein als in einem Konzern, indem man sich zwangsläufig anzupassen hat.
„Mehr ich selbst sein“, was bedeutet das für Dich?
Ich bin wie gesagt eine starke Verfechterin von Frauen in allen wirtschaftlichen Belangen und Positionen. Es gibt viel zu wenige Frauen, gerade in meinem Alter (43) und in meiner Branche, die aufstehen und etwas sagen. Allen Frauen rate ich: Nimm deinen Platz am Tisch ein, es wird dir niemand anbieten, du musst ihn dir nehmen.
Wie kann man erreichen, dass mehr Frauen ihren Platz am Tisch einnehmen?
Der Schlüssel zum Frauenthema ist, wie es Facebook COO Sheryl Sandberg einmal treffend benannt hat, „as long as men don’t rule 50 % of our households, women will never rule 50 % of our companies and countries“. Die meisten Frauen fallen aus dem Job, sobald die Kinder kommen, weil es leider in Österreich so ist, dass allein den Frauen die Mutterrolle zugeschrieben wird. De facto ist Kinderkriegen aber ein Gemeinschaftsprojekt. Warum sollte die Frau die Kinderbetreuung alleine tragen müssen?
Dabei spielen auch politische Rahmenbedingungen eine große Rolle, das sieht man beispielsweise in Oberösterreich. Seit die Nachmittagsbetreuung kostenpflichtig wurde, gibt es dort einen viel höheren Anteil an teilzeitarbeitenden oder nicht arbeitenden Frauen als davor. Meine Kolleginnen können meine feministischen Reden schon nicht mehr hören (lacht).
Was ist Deine persönliche Erfahrung mit Job und Kindererziehung?
Bei meinem ersten Kind habe ich keinerlei Diskriminierung im Job gespürt. Ich wurde befördert, mit 35 Jahren war ich im Vorstand, darunter die einzige Frau. Diese „gläserne Decke“, dachte ich mir, ist ein Scherz. Bei meinem zweiten Kind ist es dann passiert: Ich bin in die Teilzeitfalle geraten. Sobald man einen Schritt zurücktritt, ist es vorbei. Das gilt für Frauen sowie für Männer. Du bist dann aus den Augen, aus dem Sinn. Danach ist es schwierig, im gleichen Unternehmen wieder zurückzukommen.
Muss einfach ein bisschen Zeit vergehen, bis sich die Strukturen verändern?
Nein, wir Frauen müssen einfach aufstehen und kämpfen, besonders die junge Generation. Wenn im Vorstand ein 60-jähriger Top-Down-Patriarch sitzt, rekrutiert er auch in dieser Manier, nämlich andere männliche T-Down-Patriarchen. Wenn offene Menschen, die auf Diversität setzen und Diversität repräsentieren, in den Vorstandsetagen sitzen, werden sie auch offene Menschen anstellen. Ich verstehe mittlerweile die Frauenquoten in der Privatwirtschaft, besonders in der Vorstandsetage und in Aufsichtsräten, als probates Mittel, um alte Strukturen aufzubrechen und unterstütze sie deswegen.
Zum Schluss eine gute Nachricht: Wusstest du, dass im Jahr 2020, 30 Prozent der in Österreich arbeitenden Bevölkerung Millenials sein werden? Das bedeutet, dass jene 30 Prozent der Arbeitswelt schon ein offeneres Mindset haben. Da tut sich schon etwas, irgendwann werden auch diese älteren Top-Down-Patriarchen aus den Führungsriegen verschwinden.
Danke für das Gespräch!