Handmade in Österreich
Die Leidenschaft von Sieglinde Eugenie Kathrein und Evelyn Appinger ist das Handwerk – in all seinen Facetten. Deswegen haben die beiden 2013 das manufakturLab gegründet, das heimische Handwerksbetriebe beraten, untereinander vernetzen und es zu unkonventionelleren Wegen ermutigen will.
Antje Mayer-Salvi: Evelyn, Du kommst aus dem Bereich der Kunst- und Architekturvermittlung. Sieglinde Eugenie, Du bist Kommunikationsexpertin und hast unter anderem die Lifestyle Rubrik von derStandard.at mit aufgebaut? Woher kommt Eure Leidenschaft für das Handwerk?
Sieglinde E. Kathrein: Mein Bruder, Joachim Kathrein, ist ausgebildeter Restaurator mit Tischlermeisterausbildung und hat sich auf eigene Initiative hin fortgebildet, alte Techniken und Materialen erforscht und sich so mittlerweile als gefragter Experte etabliert.
Sein Können ist im Bereich Denkmalschutz genauso gefragt, wie bei
Privatkunden, auch weit über die österreichischen Grenzen hinaus. Er war
und ist für mich ein Best Practice Beispiel, wie man traditionelles
Handwerk erfolgreich in die Jetztzeit transferieren kann. Sein Weg hat
mich inspiriert. Ja, und dann habe ich Evelyn gefragt, ob sie mit mir
gemeinsam das manufakturLab gründen will.
Wie haben die Handwerksbetriebe auf Eure Initiative reagiert?
Evelyn Appinger: Absolut positiv. Die neue Generation der Handwerkerinnen ist sich klar darüber, dass man an die Öffentlichkeit gehen, sich vernetzen und neue Strategien entwickeln muss, um zu überleben. Es war für uns kaum zu glauben, dass in diesem Bereich so wenig dokumentiert ist. Also haben wir auf eigene Faust recherchiert und sehr schnell Kontakte knüpfen können.
"Unser Motto ist ja: Gemeinsam sind wir stark."
Die Basis unserer Forschung war im Grunde Mundpropaganda. Nun kommt am Ende des Jahres eine Studie der Unesco zum Thema Handwerk in Österreich raus. Wir sind gespannt, zu welchen Erkenntnissen sie gekommen ist.
Neue Best Practice Beispiel in Wien entdeckt?
S.E.K.: Die Ünique Skis Manufaktur im 15. Wiener Bezirk stellt maßgeschneiderte Ski her, wobei digitale Anwendungen zum Zuge kommen. Die Macher, Clemens Frankl und Dominik Haffner, haben damals –fast zeitgleich zur manufakturLab Gründung– eine Förderung vom austria wirtschaftsservice (aws) erhalten und seither eine richtig tolle Karriere hingelegt.
Jeder Ski ist ein Einzelstück und ist im Gegensatz zum Industrieprodukt auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt. Die Kunden von Ünique Ski akzeptieren offensichtlich, dass Qualität seinen Preis hat, zumal sich die Investition nach ein paar Jahren rechnet. Handwerk funktioniert im hochpreisigen Sektor schon ganz gut, unser Ziel wäre es, aber dass es sich aber auch im mittelpreisigen Bereich behaupten kann.
Wie steht es denn sonst um das Handwerk in Wien?
E.A.: Viele Handwerke sind in Wien leider bereits ausgestorben, nur die Straßennamen zeugen noch von ihrer einstigen Existenz. Die kürzlich zu Ende gegangene Ausschreibung Crafted in Vienna von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien –mit fast 150 Einreichungen (!)– zeigt aber, wie viele neue Initiativen sich im Bereich Handwerk aktuell in Wien auftun.
"Wir glauben daran, dass Handwerk gesellschaftlich etwas bewegen kann."
Ist das nicht ein hipper Nostalgietrend, der morgen wieder vorbei sein wird?
S.E.K.: Es ist eine Frage der Wertschätzung den Dingen und den Menschen gegenüber, die sie produziert haben und natürlich den Materialen gegenüber, die für sie „verbraucht“ wurden. Abgesehen davon, dass es sich zunehmend mehr Menschen nicht mehr leisten können und wollen, ständig neue Produkte zu kaufen und wieder weg zu schmeissen.
Wir sitzen den ganzen Tag vor dem Computer, etwas selbst mit den Händen zu fertigen, bekommt damit eine andere Bedeutung. Dass handwerkliche Prozesse langsamer sind, ist kein Nachteil in einer Welt, in der alles immer schneller wird.
Spengler, Schlosser und Installateure sind aber auch Handwerke, oder?
E.A.: manufakturLab will sich auf die konzentrieren, die gesellschaftlich etwas bewegen, weil sie entweder einen sozialen Anspruch haben, besonders Ressourcen schonend agieren, digitale Möglichkeiten ausloten oder alte Fertigungstechniken neu interpretieren. Wir glauben daran, dass Handwerk gesellschaftlich etwas bewegen kann.
Die Tischler von Handgedacht sind ein gutes Beispiel. Sie wollen das Handwerk wieder greifbar machen, gleichzeitig aber auch hochwertiges Design bieten und sehr prozessorientiert agieren. Daneben setzen sie unter anderem auf Reparatur, statt auf Neukaufen und bieten die gemeinsame Nutzung von Geräten an, was wiederum die Kultur der Nachbarschaft fördert.
Das klingt spannend, gibt es in Wien noch mehr?
Ein anderes Beispiel ist Ruffboards, die erste Longboard Manufaktur Wiens. Seit Jänner 2014 produzieren die im 18. Wiener Bezirk aus alten Snowboards Longboards mit Hilfe von ehemaligen Häftlingen. Sie verwendeten anfänglich ein Textil, das sie aus England importieren mussten. Wir beide haben sie mit dem Textilzentrum Haslach im Mühlviertel vernetzt, das zu Materialen aus Pflanzenfasern forscht. Im Mühlviertel gibt es ja eine große Textiltradition. Die machen eine tolle Arbeit dort.
In den österreichischen Bundesländern wird das Handwerk ja ganz unterschiedlich wertgeschätzt! Gibt es Vorbilder?
S.E.K.: Ja, ganz klar Vorarlberg. Das Bundesland ist mittlerweile geradezu zum Synonym für handwerkliche Qualität „made in Austria“ avanciert. Vielleicht liegt das an der Nähe zur Schweiz, die seit langem ihre Handwerksqualitäten für ihr Nation Branding zu nutzen versteht.
Allein der Zusammenschluss von Handwerkbetrieben im sogenannten Werkraum Bregenzerwald ist vorbildlich. Anscheinend zahlt es sich auch finanziell aus – immerhin konnten die es sich leisten, das Werkraumhaus von Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor bauen zu lassen (lacht).
Habt Ihr eine Vision?
E.A.: Unsere Vision ist, dass wir für unser Engagement endlich auch finanzielle Unterstützung bekommen. Wir würden mittelfristig gerne dabei mithelfen, dass jahrhundertaltes Wissen weitergegeben und dass die Lehrlingsausbildung im Bereich Handwerk den neuen Anforderungen angepasst wird.
Unser Motto ist ja: „Gemeinsam sind wir stark“. Wir sind derzeit sehr optimistisch, dass Österreich –und speziell auch die Stadt Wien– das Potenzial seiner Handwerkstradition endlich erkennt.