Von der Liebe zum Handwerk zur Porträtmalerei
In den Neunzigern lief die Österreicherin Michaela Schwarz-Weismann auf den internationalen Laufstegen Seite an Seite mit den Topmodels der Zeit. Ihre wahre Berufung fand die ausgebildete Designerin aber bald in der Malerei. Wir sprachen mit der Künstlerin, wie sich der Sprung anfühlt vom vermeintlich glamourösen Modebusiness zum einsamen Arbeiten vor der Staffel, was sie persönlich bewegt, und wer ihre Vorbilder sind.
Früher Modeln, heute Kunst, wie schaust Du auf Deine Laufstegzeit aus heutiger Perspektive zurück?
Uff, das Modeln, das ist ja ewig her. Da kann ich mich ja kaum daran erinnern. Das Erfreulichste an dieser Zeit war, dass ich meinen Mann, den Fotografen Jork Weismann, kennengelernt habe.
"You must paint!"
Du warst ja als Model sehr erfolgreich, warum bist Du trotzdem so schnell wieder ausgestiegen?
Ich habe vier Jahre lang Fulltime gemodelt, da war ich Anfang Zwanzig. Dann hatte ich genug. Ich habe von heute auf morgen aufgehört, habe nicht einmal mehr meine Klamotten in New York abgeholt, so hat es mir gereicht! Ich kehrte wieder zurück in mein altes Leben, als Studentin auf der Angewandten in Wien. Ich wechselte zwischen der Architektur-, Keramik- und der Designklasse hin und her und habe schließlich in Design mein Diplom gemacht.
Aber eigentlich hat es Dich immer zur Malerei hingezogen?
Ja, ich wollte immer Malerei studieren, habe es mich aber nicht getraut. Ich hatte so einen irren Respekt vor der Malerei, weil ich sie so sehr liebe. Ich war nicht glücklich in meinem Designstudium, aber ich habe viel gelernt, was ich heute in meiner Kunst anwende – die Art Projekte zu entwicklen, das konzeptionelle Denken, das Hinterfragen und Recherchieren und eine Liebe zum Handwerklichen.
"Ich sehe meine Arbeit in einem politischen, feministischen Kontext!"
Du bist dann nach England, um Malerei zu studieren?
Nach der Angewandten bin ich nach London auf das Royal College of Art, das war für mich der beste Ort! Eine ganz andere Herangehensweise! In Österreich wird eher auf die Defizite der Studierenden geschaut. In London wurde ich gestärkt. "You must paint!" hat mein Professor zu mir gesagt. Das war für mich die Bestätigung, die ich gebraucht hatte.
Was sind die Themen Deiner Kunst?
Ich sehe meine Arbeit in einem politischen, feministischen Kontext. Ich habe mich schon als Teenager mit den Inhalten von Simone de Beauvoire beschäftigt. In Das andere Geschlecht beschreibt sie Zustände, die noch heute, über 60 Jahre nach dessen Erscheinen, brisant und von Bedeutung sind. Man wird nicht als Frau geboren, man wird es. Sie hat mir viel Verständnis darüber gebracht, wie ich mich verhalte, fühle, wie ich in dieser Gesellschaft funktioniere. Wenn ich mich umsehe, was auf dieser Welt los ist, darf man meiner Meinung nach nicht aufhören, diese Themen zu diskutieren.
Du malst vor allem figurativ ...
Ich liebe das figurative Malen und die Portraitmalerei. Schon als Teenager habe ich wie eine Irre Klimt nachgemalt oder Schiele und massenweise an Freundinnen verschenkt. Das waren damals meine zwei ganz großen Vorbilder.
Auch die englischen Maler haben Dich inspiriert?
In London bin ich auf eine andere Art der figurativen Malerei gestoßen. Besonders haben mich die Werke von Jenny Saville inspiriert, die Darstellung von Körper und Haut. Das Transportieren von psychologischen und politschen Inhalten über die menschliche Form. Da gehört Lucian Freud dazu. Und Maria Lassnig, die ich unendlich verehre.
"Am Anfang ist die Lust ein bestimmtes Sujet zu malen!"
Wie suchst Du Deine Themen?
Am Anfang ist die Lust ein bestimmtes Sujet zu malen, z.B. schlafende Männer. Das geschieht ganz intuitiv, das will ich dann unbedingt machen. Nach dem ersten Bild beginnt die Recherche, das Nachdenken, das Entwickeln eines Konzepts, so entstehen dann die verschiedenen Serien. Oder auch nicht. Ich produziere viel. Viele Bilder landen auch einfach im Archiv. Ich arbeite vor allem mit vorhandenem Material, wie auch bei meiner Arbeit der „hysterischen Frauen“ – Bilder aus Büchern, Filmstills, Instagram-Bilder. Diese reiße ich aus dem Zusammenhang, überarbeite sie und integriere sie für meine Zwecke. Das passiert auch bei meinen Objekten. Alltägliche Dinge werden verfremdet, wie bei meinem Badezimmerteppich aus Porzellan oder meiner Unterhose aus Epoxiharz.
Erzähl mir bitte etwas über Deine „schlafenden Männer“...
Als ich die „schlafenden Männer“ gemalt habe, wurde Trump gerade Präsident, dem vorangegangen war dieser fürchterliche Wahlkampf. Themen wie Syrien und Erdogan in den Medien. Ich hatte das Gefühl, es wäre jetzt der richtige Moment, wenn Männer sich mal schlafen legen würden. Im Schlaf kann man weder konsumieren, noch zerstören, noch etwas produzieren. Die schlafenden Männer sind keine Porträts, sie sind für mich Symbole für das patriarchale System, der Schlaf, dieser Moment der Ruhe und Regeneration, ein Gegenentwurf des Kapitalismus.
Mit welchen Materalien malst Du?
Vor allem ganz klassisch in Öl auf Leinwand oder Papier.
Warum machst Du Kunst?
Ich habe mir schon früh die Frage gestellt, wie reagiere ich auf die Gesellschaft und womit. Für mich gab es nie ein anderes Ausdrucksmittel als die Kunst. Mir geht es darum, Diskurse anzustoßen. Wenn Menschen ins Atelier kommen, dann beginnt ein Prozess. Mir war zum Beispiel nicht klar, dass schlafende Männer als tot rezipiert werden. Diese Dimension hat mir erst der sogenannte Betrachter eröffnet. Sehr interessant und logisch, da uns in der Kunstgeschichte und in den Medien vorwiegend das Bild des aktiven Mannes begegnet. Ob ich mit meiner Kunst etwas verändern kann? Keine Ahnung.
Es wird am 7. Juni eine Ausstellung Deiner Werke geben– aber erstmal im privaten Rahmen eines Salons. Du gehst es langsam an?
Ja, erstmal keine öffentliche Ausstellung, sondern ein privater Kunstsalon. Ema Kaiser-Brandstätter, Head of Communications der Parallel Vienna, war begeistert von meinen Arbeiten und hat das in die Wege geleitet. Gastgeberin ist übrigens Nicole Adler.
Wo siehst Du Dich selbst in zehn Jahren?
Mein Wunschtraum wäre es, auf dem Kunstmarkt zu reüssieren, von meiner Arbeit leben zu können und verstanden zu werden. Das ist eh schon sehr viel.
Bist Du in Wien glücklich?
Ich schätze die Vorteile, obwohl ich mich nicht als Wienerin fühle. Man hat alle Möglichkeiten in jeder Hinsicht, kultureller Art. Man ist in einer guten halben Stunde in der Natur zum Klettern. Mein Herz gehört aber nicht ganz Wien. Ich kann mir für die Zukunft gut vorstellen, als Wohnort hier die Basis zu haben und viel zu reisen.
Gibt es Laster, die Du hast?
Serien schauen und Süßes! In Gmunden, – wo wir eine alte Gärtnerei gepachtet haben – da gibt es die Konditorei Grellinger! Die Schaumrollen von Grellinger und das Eis, ich bin dort eine bekannte Stammkundin (lacht).
Wenn Du nicht arbeitest ...
... gehen wir viel in die Natur, fahren nach Gmunden, gehen schwimmen. Ich bin der totale Outdoor-Mensch!
Bist Du modeaffin?
Ich schätze es sehr, wenn jemand einen eigenen, speziellen Style hat. Das schaue ich mir gern an, das erfreut mich. Stil ist für mich ein Art Ausdrucksmittel und Beitrag an der Gesellschaft. Mir macht Mode auch Spaß, wobei es keinesfalls Designerkleidung sein muss.
Danke für das nette Gespräch!