Mit Hausschuhen im Studio
Wellness, Wodka und Patschuli. Auf die große Bühne wollte die Wiener Musikerin Verifiziert nie, doch dort ist sie jetzt. Sie wird als eine der Popstar-Newcomerinnen aus Österreich gehandelt. Wir treffen sie im Baumarkt und sprechen mit ihr über Rausch, Tschaikowski und eine späte ADHS-Diagnose.
„Alles aus meinem Leben“
Jules Bauereiß: Kreiere ein Parfüm, das Deinen Musikstil verkörpert! Wie riecht es?
Verifiziert: Nach Wellness, „Vodka Wellness“ und nach Patschuli!
Das musst Du mir erklären!
Ich liebe den Geruch von Wellness, also Dampfbädern und Saunabereich. Dort riecht es nach ätherischen Ölen, wie bei mir zu Hause, dabei mag ich zum Beispiel Patschuli. Ich liebe außerdem das Getränk „Vodka Wellness“ – der Zitronenduft mit Wodka-Note schmeckt und riecht toll.
Deine Musik hast Du einmal mit „nachts, betrunken und verträumt“ beschrieben, trifft das noch zu?
Diese Worte würde ich so nicht mehr wählen. Meine Musik, die in Zukunft kommen wird, erzählt noch mehr als bisher von mir selbst, deshalb würde ich sie mit ehrlich, persönlich und bildlich beschreiben.
Apropos persönlich, woher kommt Dein Künstlername „Verifiziert“?
Ich heiße eigentlich Veri und ich brauchte einen coolen Namen bei Instagram.
Na dann! Liebe Veri, wie und wo bist Du aufgewachsen?
In Wien, im 18. Bezirk, Währing, in einer sehr kleinen Wohnung. Mit drei weiteren Familienmitgliedern war es dort sehr eng und kuschelig. An den Wochenenden und in den Ferien waren wir öfter auf dem Bauernhof von Verwandten in Niederösterreich.
Hast Du in Deiner Kindheit schon Musikinstrumente erlernt?
Ja, Klavier. Die Geschichte dazu ist süß …
Oh ja, erzähl mal …
... als ich fünf Jahre alt war, haben mein Bruder und ich ein Mini-Keyboard bekommen. Ich hatte bis dahin noch nie ein Musikinstrument gespielt. Kurz darauf hatte meine Mama mich erwischt, wie ich spontan zu einem Musikstück aus dem Radio die Melodie am Keyboard mitspielte. Daraufhin bekam ich Unterricht!
„Nussknacker und Schwanensee“
Magst Du deshalb auch klassische Musik?
Ja, klassische Musik gehört zu meinem Alltag.
Deine liebsten Klassik-Interpreten und wieso?
Tschaikowski, wegen der tollen Barbie-Filme. Die Melodien, die er zu Nussknacker und Schwanensee komponierte, geben mir immer ein Gefühl von Gemütlichkeit. Und Chopin, seine Stücke sind so experimentell, das finde ich spannend.
Kleiner Fragenhagel: Lieblingsfarbe?
Alle Grüntöne, besonders Moosgrün habe ich gerne.
Letzter Ohrwurm?
Ich bin hier heute mit meiner guten Freundin SOVIE, die auch Musik macht. Ihr Song „Rote Wolken“ geht mir gerade nicht mehr aus dem Kopf. Davor war es „Happen to Me“ von BENEE, einer neuseeländischen Singer-Songwriterin.
Dein aktuelles Lieblings-Emoji?
Ich verwende gerne das schnäuzende Emoji 🤧. Das kann ich verwenden, wenn was süß ist, aber auch wenn was negativ ist.
„Wenn der Kater nicht gottlos ist …“
Wer wäre Dein Telefonjoker bei „Wer wird Millionär“?
Sluq von den Pan Kee Bois (eine Wiener Rap-Gruppe, Anm. d. Red.), der weiß sehr viel, auf den ist Verlass!
Dein perfektes Kater-Gericht?
Wenn der Kater nicht gottlos ist und ich es schaffe, selbst zu kochen, dann Ramen. Sonst irgendwas Fettiges: Vegane Burger!
Bestellen oder kochen?
Bei Kater bestellen, sonst immer kochen.
Wie entstehen die lustigsten Rauschgeschichten, die Du in Deinen Songs beschreibst?
Nachts, spontan auf dem Heimweg!
Erzähl mir eine!
Neulich sind wir auf dem Heimweg bei einem Maturaball vorbeigekommen und haben uns einfach hineingeschlichen. Alle hatten Ballkleider und Anzüge an, wir sind dann nur kurz durch den Saal und haben einen Raum mit Bühne in dem Gebäude gefunden. Dann haben wir das Ende des Abends damit verbracht, zu viert auf dieser Bühne zu singen und zu performen (lacht).
Jetzt bist Du Musikerin, was war der Traumjob Deiner Kindheit?
Einen richtigen Traumjob hatte ich eigentlich nie.
„Ins Radio auf FM4 geschafft“
Wie bist Du zum Musikmachen gekommen, wenn es nie Dein Traum war?
Ich kannte damals niemanden, der Musik gemacht hat, schon gar keine Frauen. Ich wollte aber Beats machen. Die Burschen haben mich eher belächelt. Ich habe mir dann einfach die App „GarageBand“ heruntergeladen, aus Spaß nur Scheiß gemacht und dann auf SoundCloud hochgeladen. Ein Freund entdeckte meine Songs – das war total peinlich für mich – fand sie aber cool und hat mich zu einer Session eingeladen. So entstanden meine ersten richtigen Songs, aber immer noch mehr aus Spaß und nicht als Berufswunsch.
Wie wurde aus Spaß dann Ernst?
Einer der Songs – Butterflies – hat es ins Radio auf FM4 geschafft, woraufhin sich ein Management aus Berlin bei mir gemeldet hat. Ich dachte mir, dass das nicht echt sein kann, wieso sollte ein Management mit mir arbeiten wollen (lacht).
Und plötzlich über Nacht warst Du Musikerin?
Nein, nein! Anfangs wusste ich nicht, ob ich das beruflich machen will, ich kannte ja auch niemanden. Mein Management hat mir dann immer mehr Artists und Producer vorgestellt, wodurch ich den Beruf besser kennenlernen konnte. So habe ich realisiert, wie geil es ist, vom Musikmachen leben zu können.
Was hast Du gemacht, bevor Du Musikerin wurdest?
Mit 17 eine Ausbildung in der Reisebranche. Das hat mich eigentlich nicht interessiert. Danach war ich eine Zeit lang Fotografin, habe Veranstaltungen organisiert, in der Gastro und im Verkauf gearbeitet und noch viele weitere Nebenjobs gemacht.
„Zocken und Baumarkt“
Was tust Du, wenn Du nicht Musik machst?
An freien Tagen gestalte ich am liebsten meine Wohnung um, deshalb verbringe ich viel Zeit im Baumarkt, das finde ich total entspannend. Außerdem koche ich sehr gerne, phasenweise mache ich auch Sport, zocke an meiner Spielekonsole oder fahre mit dem Auto durch die Gegend.
Ach ja, der Baumarkt, den hast Du Dir heute auch als Shooting-Location ausgesucht. Handwerklich begabt?
Ja! Ich mache eigentlich alles allein, was mit meiner Wohnung und Möbeln zu tun hat. Das habe ich mir über die Zeit nach und nach selbst angeeignet.
Hast Du schon mal was selbst gebaut?
Klar. Vor Kurzem habe ich meine Küche selbst renoviert. Mein nächstes Handwerksprojekt? Türen abschleifen und neu lackieren.
Wie kann ich mir Dein Zuhause vorstellen?
Ich wohne allein in einer zweieinhalb Zimmerwohnung im achten Stock ohne Balkon, mit wundervollem Ausblick. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Abstellkammer ohne Fenster. Eigentlich gebe ich Details zu meiner Einrichtung nicht preis, aber ich erzähle dir von meinen zwei Highlights: mein zweifarbiger Fliesenboden mit Schachbrettmuster und mein schöner Rundbogen zum Wohnzimmer. Der Rest ändert sich durch meinen Renovierungsdrang sowieso ständig!
In Deinen Songs geht es immer wieder ums Autofahren. Du singst vom „Golf 4“ und „Suzuki Swift“. Was war Dein erstes Auto und was wäre Dein Traumauto?
Mein erster Wagen war ein schwarzer Golf 4. So schiech und billig (lacht). Er hatte zwei unterschiedlich große Seitenspiegel, weshalb ich ihn „Nemo“ nannte. Den vermisse ich wirklich sehr! Mein Traumauto wäre eines, das nicht so umweltschädigend ist und im Bestfall noch ein Cabrio-Dach hat.
Und welches Auto fährst Du aktuell?
Gar keines. Share Now, Taxi oder Mamas kleinen Polo (lacht).
Wohin fährst Du, um den Kopf auszuschalten?
Die Entscheidung, wohin ich fahre, passiert oft ganz spontan. Ins Grüne, ans Wasser, oft in Richtung Klosterneuburg oder in den 19. auf den Nussberg – die Höhenstraße rauf. Gerne auch in sehr abgelegene Secondhandshops oder eben zum Baumarkt. Ich finde es erfrischend, wenn ich weiß, ich begegne niemandem, den ich kenne.
Schon mal 200 km/h gefahren?
Ja, weil ich es einmal erleben wollte. Ich habe dann sofort wieder abgebremst – es ist echt gruselig!
„Schreien, laut mitsingen, mit mir selbst Zeit verbringen“
Was gibt Dir das Autofahren?
Flexibilität, schnell und spontan weit weg sein. Eine sichere Blase, in der ich schreien, laut mitsingen und Zeit mit mir selbst verbringen kann. Deshalb bin ich im Auto auch am kreativsten, beim Fahren fallen mir oft Liedzeilen ein.
Fährst Du dann rechts ran, um sie zu notieren?
Ne, mein Handy klemmt in einer Halterung, dann nehme ich mit der Innenkamera einfach ein kurzes Video auf und singe meine Idee ins Handy hinein.
Du bist ein großer Fan der Komikerin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel, ist sie auch eine Inspirationsquelle für Dich?
Für meine Musik nicht direkt, aber alle geilen Frauen sind Inspiration für mich! Sie ist wirklich eine der lustigsten Frauen überhaupt. Aus ihrem Buch „Statusmeldungen“ liebe ich wirklich alles, große Empfehlung!
Was inspiriert Dich sonst für Deine bildlichen und nahbaren Texte?
Das stammt eigentlich alles aus meinem Leben oder dem meiner Freunde und Freundinnen. Es geht immer um ehemalige oder aktuelle Gefühle und echte Erlebnisse.
Trifft das auch auf Dein Debütalbum „ADHS“ aus dem Jahr 2023 zu?
Ja, obwohl ich mich im Album nicht mit ADHS beschäftigt habe. Viele Songs sind schon vor der Diagnose entstanden. Aus einigen Zeilen kann ich das ADHS im Nachhinein herauslesen. Wenn ich gesungen habe „Kopf zu voll“ oder „zu laut“ habe ich erst später verstanden, dass da das ADHS in mir gesprochen hat. Musik ist für mich ein gutes Ventil, um das ADHS rauszulassen.
„Kann mich bei Interesse hyperfokussieren“
Wie lange lebst Du schon mit der diagnostizierten Krankheit?
ADHS ist angeboren, deshalb lebe ich schon immer damit. Meine Diagnose bekam ich 2022. Ich möchte ADHS nicht als Krankheit bezeichnen. Es handelt sich dabei eher um Personeneigenschaften, offiziell wird es auch als Neurodivergenz bezeichnet. Das Gehirn arbeitet einfach anders.
Kann diese Andersartigkeit durch ADHS einschränkend oder bereichernd sein?
Ja klar, ich verschussle gerne Dinge, komme zu spät, schiebe Pflichten auf und hab Konzentrationsprobleme, bei Themen, die mich nicht interessieren. Auf der anderen Seite habe ich eine gute Menschenkenntnis, bin emphatisch, sehr kreativ und kann mich bei Interesse hyperfokussieren. Das merke ich beim Musik machen, ich habe tausende Einfälle und kann stundenlang in Sessions konzentriert bleiben.
Frauen werden weniger oft mit ADHS diagnostiziert, wie war das bei Dir?
Es wurde erst sehr spät herausgefunden, das hat mich geärgert. Bei Frauen wird ADHS erst seit wenigen Jahren anerkannt, vorher dachte man, wir könnten es gar nicht haben. Bei mir wurde es nur entdeckt, weil ich einen Tick in der Schulter hatte. Durch einen Podcast von Angelina Boerger, (Aktivistin für ADHS, Anm. d. Red.) bin ich selbst darauf gekommen. Ich habe mich noch nie so gleich und verstanden gefühlt, wie durch ihre Erzählungen. Als ich dem Neurologen und der klinischen Diagnostik von meiner Vermutung erzählte, war plötzlich für alle klar, dass ich ADHS habe. Die Diagnose hat mir sehr geholfen, ich habe viel über mich gelernt und konnte endlich ankommen.
Merkst Du bei Deinen Aufnahmesessions etwas vom ADHS?
Na ja, ich muss mich viel bewegen, deshalb stelle ich immer einen Sessel vor mich, auf dem ich mein Knie abstützen kann. Sonst würde man meine Bewegungen auf den Aufnahmen zu sehr hören!
Wie kann ich mir eine Studiosession mit Dir vorstellen?
Gemütlichkeit ist bei mir großgeschrieben. Ich nehme nur mit guten Freunden und Freundinnen in deren Home-Studios auf. Ich habe öfter sogar eine Jogginghose dabei, um mich richtig wohlzufühlen. Bei der Session trage ich fast immer Hausschuhe.
Danke für das Gespräch!