Lippenstift & ganz viel Liebe
Seit über zwanzig Jahren lächelt die bekannteste Teleshopping-Marke Europas, Judith Williams, in die Fernsehkameras. Verkauft hat sie so ziemlich alles, von Hundeshampoos über Eiweiß-Shakes bis Faltencremes. Sie bietet feil, lacht, cremt, berät, nervt, unterhält, tanzt und singt – als ausgebildete Opernsängerin – in diversen TV-Formaten. Wir erreichten das prominente Gesicht via Skype zuhause in ihrem Arbeitszimmer und sprachen über Verschwendung, Peinliches und die Gemeinsamkeit von Oper und Kosmetik. Eines ist sicher: The show must go on!
„Hund Daisy hatte auf das teure Sofa gepinkelt.“
David Meran: Sie genießen große Beliebtheit, auch bei meiner Mutter übrigens, Sie besitzen hohe Sympathiewerte, komödiantisches Talent und auf dem Bildschirm kommen Sie wie eine gute Freundin rüber. Warum möchte man Sie nicht zur Feindin haben?
Judith Williams: Das ist eine tolle Frage. Ich habe mich irgendwann mal bei einem Jugendstreit mit einer sehr lieben Freundin dazu entschlossen, nie wieder in der Rolle der Feindin zu agieren. Das ist so belastend und so ein Quatsch. Es ist jetzt meine innere Bestimmung, Menschen zu helfen. Ich will sie dabei unterstützen, ihre Fülle und ihre Erfüllung, ihr Potential und sich selbst zu sehen. Hierbei spielt auch die Kosmetik mit hinein. Man sagt sich damit jeden Tag, wie fein und wunderbar man ist.
Sie ist fürwahr die geborene Verkäuferin, subtil baut sie das Thema Kosmetik im Laufe unseres Gesprächs immer wieder wie zufällig ein. Sie hat mich für meine kritische Frage gelobt, aber ist nicht darauf eingegangen, was ich nicht merke, weil ich geschmeichelt bin. Strategisch, aber charmant.
Sie sind in keiner Lebenslage eine Konkurrentin?
Wenn wir in der Familie „Monopoly“ spielen und ich gewinne, gebe ich immer den Schwachen mein Geld, das bringt meinen Mann zur Weißglut (lacht laut).
Sie wirken so geplant und so perfekt. Sie sprechen in Interviews von den sogenannten „Vision Boards“, die Sie und Ihre Kinder verwenden, um die eigenen Ziele und Träume zu visualisieren. Sind Sie auch mal undiszipliniert?
Das stimmt, ich lebe sehr im Jetzt und in der Zukunft und ich bin sehr wohl in vielen Dingen undiszipliniert. Ich lache zu laut und bin oft zu emotional. Mein Schreibtisch ist nicht besonders aufgeräumt, ich lebe ein kreatives Chaos. Doch versuche ich, mich jeden Tag zu verbessern. Ich bin eine grauenvolle Hausfrau, deswegen bin ich für gute Küchengeräte, um nicht total abzuloosen. Wenn ich jemals einen Werbevertrag mit irgendeiner Firma eingehe, dann weiß ich genau, welche das sein könnte, weil ich alle deren Geräte zuhause stehen habe. Meine Schwiegermutter ist Italienerin und da kann man als schlechte Hausfrau nur verlieren! „Sie war stets bemüht“, wird auf meinem Grabstein stehen, behauptet mein Mann.
„So wie die Stimme berührt dich auch die Hand mit der Creme.“
Sehr amüsant! Ich erinnere mich, Sie sind einmal während einer Schmucksendung vor laufender Kamera auf einem Ring gesessen!
Ja, das war sehr lustig. Ich hatte immer das Problem der Langweile während der Sendungen, darum begann ich zu entertainen! Ich finde auch heute noch, das Teleshopping muss sich erneuern! Es kann manchmal auch ziemlich pushy im Verkauf sein und das gefällt mir nicht. Ich würde viel lieber in mehr in Richtung Entertainment und Information gehen.
Ihr Gatte ist ja sehr charmant! Sie standen beim deutschen Verkaufssender HSE24 unter anderem mit Uschi Glas, Rudolph Moshammer, Udo Walz oder René Koch vor der Kamera. Was waren die skurrilsten Momente Ihrer Teleshopping-Karriere?
Top war ein Erlebnis mit Rudolph Moshammer. Er hatte für seine Show extra eine Harfenspielerin eingeladen, für das besondere Flair in der Sendung. Außerdem hatte der Sender das teuerste Sofa in der Geschichte des Teleshoppings angeschafft, ein riesiges, rotes Ding. Ich moderierte im Stehen an, sein Schoßhund Daisy saß dekorativ dahinter auf eben jenem roten Möbelstück. Wir mussten auf Wunsch von Rudolph außerdem mit Champagner anstoßen. Wir verkauften übrigens Hundeshampoo, also schon alles skurril an sich. Nach meiner Moderation wollte ich mich auf das Sofa setzen, aber Herr Moshammer hielt mich fest. Ich schaute unauffällig nach hinten. Daisy hatte auf das teuren Designding gepinkelt, in dem Moment begann die Harfenspielerin zu spielen als gäbe es kein Morgen! Ich dachte mir nur: „Wow, das Leben ist ein Abenteuerspielplatz und du bist mitten drin.“
Das heißt, Sie gründen bald Ihren eigenen Sender?
Wenn sich jemand findet – ja, gerne! Nein im Ernst: Diese Frage stellt sich nicht. Ich bin glücklich, so wie es ist.
Als Kulturliebhaberin und ehemalige Opernsängerin - was mögen Sie an Wien?
Was mag ich nicht an Wien?! Kunst wird in Wien gelebt, ist überall spürbar, das liegt in der Luft und atmet man ein. Die Staatsoper ist für mich das wichtigste Haus, viele Menschen, die dort gesungen haben, stehen mir sehr nahe. Beginnend bei Kurt Böhme oder meinem Lehrer Kurt Moll bis zu meinen Vater Daniel Lewis Williams und der Sängerin Brigitte Fassbaender – die übrigens auch meine Lehrerin war. Einige sagen, die Wienerinnen wären ein wenig stoppelig, dass kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, vielleicht weil ich aus Bayern komme und die Menschen dort vielleicht noch stoppeliger sind! Ich finde die Wienerinnen sehr charmant und könnte mir gut vorstellen dort zu leben.
„Wir erfahren uns über Produkte jeglicher Art.“
Was haben Oper und Kosmetik gemeinsam?
So einiges! In der Oper geht es um Emotionen, um das Spüren, kurzum darum, sich selbst zu erfahren. Jede Stimme, die klingt, die resoniert in unseren Körper und alles um uns herum ist Energie. Durch das Lauschen einer Arie nimmt man sich selbst ja auch wahr. Kosmetik ist weitgehend auch eine Erfahrung mit dir selbst. So wie die Stimme, die dich in der Oper berührt, so berührt dich auch die Hand mit der Creme.
Zwischen Oper und Creme einen Bezug herzustellen, ist wahrlich ein rhetorisches Kunststück. Aber logisch irgendwie. Alles hängt mit allem in Judith Williams Welt zusammen. Ist das ihr Geheimnis?
Schafft Teleshopping nicht erst Bedürfnisse, die man vorher gar nicht hatte?
Oh ja! Jede Art von Verkauf schafft Bedürfnisse. Natürlich kann man sein Leben auch nur mit einem Pulli und ein Paar Schuhen verbringen. Vielleicht haben wir an materiellen Dingen so eine Freude, weil man sie spüren, riechen, schmecken also erfahren kann. Wir nehmen über unsere Sinne Produkte wahr und erfahren uns über Produkte jeglicher Art selbst. Für den einen ist es der Oldtimer, für die andere die lecker duftende Rosencreme. Natürlich schafft man da Bedürfnisse oder sagen wir "Erlebniswelten". So ziemlich alle haben irgendeine Creme zuhause, aber eine hat eben Rosenextrakt aus Grasse, dann ist das beinahe wie eine kleine Reise nach Frankreich, ohne dass ich wirklich hinfahren muss. Das Grundbedürfnis aller Menschen ist geliebt und gesehen zu werden.
Ich google. Judith Williams verkauft tatsächlich eine Creme mit Rosen aus Grasse. Es gibt sogar ein Video, wo sie in einem Rosenfeld steht. Galant hat sie sozusagen gerade wieder eine Art Verkaufsgespräch geführt. Für ein paar Euro in Form einer Creme eine Reise nach Frankreich zu bekommen, klingt tatsächlich verführerisch.
„Maskulin-getriebe Managertypen sollten einmal die Woche eine Tanzstunde nehmen.“
Was tun Sie für sich privat, mit was fühlen Sie sich geliebt und gesehen?
Ich liebe das Tanzen – nicht erst seit Let’s Dance. Ich trainiere deshalb mit einem mehrfachen Weltmeister dreimal in der Woche im Standardtanz, um in Form zu bleiben. Denn wie bei allen Künsten, muss es ein gewisses Niveau haben, sonst macht es mir keinen Spaß.
Das ist viel Zeit, die Sie für sich selbst und Ihr Hobby nehmen!
Das ist richtig viel Zeit! Aber ich finde, man wird sonst dem Tanzen nicht gerecht. Ich mag diese Art der Körperausführung und vor allem das Mindset dahinter. Business und Tanzen haben sehr viele Parallelen und profitieren voneinander. Es würde diesen maskulin-getrieben Managertypen in der Businesswelt sehr gut tun, wenn die einmal die Woche eine Tanzstunde nehmen würden und sich auf eine Gemeinschaft und eine absolute Nähe mit einer Person einlassen müssten und nicht nur über allen stehen und nach unten treten würden.
Geben Sie es zu: Sie wären nicht Judith Williams, wenn Sie das nur für sich selbst machen?
Ich sage Ihnen, wo ich mit meinem Hobby landen werde: in Las Vegas bei einem Turnier, das heißt „ProAm“. Ein Profi tanzt dort mit einem Amateur – ich bin da dann die Amateurin – man tritt gegen andere an. Die anderen Damen sind meist Ehefrauen von Multimillionären, die sich dieses teure Hobby zum Zeitvertreib gönnen. Bei mir ist es etwas anderes, weil ich die Psychologie des Tanzes aufnehmen und als Mehrwert in meine Businesswelt hineinziehe. Da fällt mir ein, in Wien gibt es dieses Turnier ebenfalls!
„Viel hilft viel.“
Wir freuen uns schon auf Sie! Was haben Sie zuletzt verschwendet?
Ich verschwende ganz viel. Ich habe einen Spruch, „Viel hilft viel“, das sage ich mit einem Augenzwinkern. Ich liebe Lippenstift und Wimperntusche und trage immer zu viel. Außerdem umarme ich alle zu oft, in den ersten Jahren im Business haben immer alle zu mir gesagt: „Du bist zu touchy“. Meine Verschwendung ist Liebe, Emotion und Mitgefühl. Ich mache Business, weil ich Menschen und die Zusammenarbeit mit ihnen liebe. Ich komme mir vor wie so eine Glucke mit Hennen rund um mich, denen ich helfe, noch besser und großartiger zu werden. Das ist für mich gute Verschwendung.
Ist das das Geheimnis von Erfolg im Business? Sich für die Bedürfnisse anderer zu interessieren, etwas im Angebot zu haben, dass die Kundin braucht, um sich geliebt und anerkannt zu fühlen? Sicher ist, zu selbstlos sollte man dabei nicht sein und sich das Angebot gut bezahlen lassen. Das ist der Deal im Kapitalismus!
Zu guter Letzt: Wie würden Sie als Sales-Expertin unser C/O Vienna Magazine besser verkaufen?
Sie erschaffen mit diesem Magazin eine Erlebniswelt! Dieses Magazin ist mehr als nur Lesen, das ist Erfahren! Vor allem über Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben, nicht nur, weil sie bekannt sind, sondern weil sie Fähigkeiten haben und künstlerisch tätig sind, was sehr inspirierend ist. Sie müssen sich den Mehrwert des Magazins ansehen und der muss kommuniziert werden, vor allem aus der Sicht der Leserinnen.
Was wäre denn der Mehrwert von C/O Vienna?
Ich sage immer unseren Leuten im Produktmanagement, unsere Kundin ist die Heldin und wir empowern sie mit unseren Produkten. Und wenn man jetzt Ihr Magazin hernimmt, da draußen sind Menschen und die lesen konventionelle Magazine, die sind nicht wirklich eine Inspiration. Sie suchen aber ein Heft mit einem sehr hohen Niveau, eine Mischung aus Buch und Magazin und trotzdem sehr unterhaltsam! Du tauchst mit C/O Vienna in Welten ein, die dich sehr inspiriert können, dich motivieren, die dir Welt aus einem anderen Blickwinkel zeigen können, dass nimmst du mit und empowerst dir die Welt mit einem neuen Wissen, neuen Erfahrungen und kannst damit dein Leben bunter und größer gestalten. Sie schreiben nicht nur über Gerüche, sondern man erlebt und riecht das Magazin sogar (in der C/O Vienna Beauty Issue II war die Story „Was riecht hier so schön“! mit Duftlack gedruckt), Sie schreiben nicht nur über Kunst, sondern Sie haben darin ein Kunstwerk, das ich mir auf den Kamin stellen kann (ein Beilage von documenta Künstler Peter Kogler in der C/O Vienna Beauty Issue II). Das heißt dieses Magazin ist nicht nur Erlebnis, sondern eine Welt, die du dir nach Hause holst.
Das sind Aspekte, die uns so noch gar nicht bewusst waren! Danke Ihnen für die tollen Tipps!
Bitteschön!