Ausstellung mit Zaubershow
Nika Kupyrova ist eine Künstlerin, deren Arbeit viele Gesichter haben kann – von Skulpturen über Installationen und Fotografien hält ihre Praxis viele Formen bereit. Die in Kiew geborene und in Prag, Edinburgh und Wien ausgebildete Künstlerin eröffnet am 3. Oktober eine Einzelausstellung im Kunstverein das weisse haus. Vorab haben wir die Künstlerin in ihrem Atelier getroffen, wo sie mehr über sich und ihre Kunst erzählt: Was Kreation und Kontext für sie bedeutet, was Künstlerinnen verkörpern und warum sie sich oft als Kuratorin versteht.
"Künstler sollen wie Rockstars sein."
Du hast gerade den Erste Bank MehrWERT-Kunstpreis gewonnen, der schon im Namen auf etwas hindeutet, was Kunst immer bedeutet: Die Schaffung von Mehrwert. Der Wert von Kunst liegt nicht im Material, sondern vielmehr in etwas Unsichtbarem. Würdest du sagen, dass das deine Arbeitsweise wiederspiegelt?
Ja, in gewisser Weise schon – ich würde sagen, dass die Qualität von Kunst nicht im Material liegt, sondern in etwas, das sich zwischen den Kunstwerken abspielt. Man könnte sagen, es ist wie zwischen den Zeilen zu lesen. Vielleicht formuliere ich das auch so, weil ich selbst viel mit Sprache arbeite. Es ist nicht so, dass ich das Kunstwerk als geschlossene Einheit verstehe, als etwas ohne Kontext. Wenn man es als so etwas sehen würde, dann wäre es bestenfalls ein schönes Objekt, das man sich übers Sofa hängt. Ich habe natürlich nichts dagegen, Kunst übers Sofa zu hängen, das können sogar eine sehr experimentelle Werke sein (lacht). Ich meine eher die Geste, Kunst so aufs Dekorative zu reduzieren, denn Kunst kann sich jenseits der eigenen Identität zu etwas ganz anderem erweitern.
Über Gesten zu sprechen scheint mir ein zentraler Punkt deiner Arbeit zu sein. Mir ist aufgefallen, dass oft Gesten in deiner Arbeit ungewöhnliche Bezüge schaffen und so ganz neue Kontexte entstehen.
Ich mag den Begriff des Kontexts. Ich denke, ich arbeite sehr Prozess orientiert, auch wenn es am Ende sehr nach einem fertigen Resultat aussieht. Ich verfolge eine sehr bewusste Art der künstlerischen Praxis, aber der Prozess, wie sich eine Arbeit zusammensetzt, ist dabei genauso ein intellektueller oder konzeptueller Vorgang wie das, was an seinem Ende stehen soll. Sogar Fehler, Unfälle oder Richtungswechsel können sind Teil dieses Prozesses, denn ich reflektiere sie sofort auf der konzeptuellen Ebene der Arbeit mit.
"Kunstwerke imitieren oder reflektieren sich gegenseitig oder schaffen eine Spannung im Raum."
Das heißt, dass in deiner Arbeit immer etwas Vergängliches mitschwingt, denn jeder Prozess ist im Fluss und vergeht. Beziehst du dich grundsätzlich auf etwas an Zeit gebundenes, Flüchtiges?
Ich denke oft darüber nach, wie meine Arbeit mit etwas historischer Distanz wahrgenommen werden würde. Denn viele Aspekte, die mich in meiner Arbeit interessieren, beziehen sich auf eine ganz klar zeitgenössische Perspektive. Von ihr aus können die Vergangenheit oder aktuelle Phänomene in den Blick genommen werden. Es gibt also viele Verweise innerhalb meiner Arbeit, die sich auf verschiedene Momente von Zeit beziehen, sie sind dabei aber immer im Heute verwurzelt. Ich frage mich manchmal, ob man in hundert Jahren immer noch diese feinen Nuancen verschiedener Zeitebenen wahrnimmt, die ich thematisiere. Was das Vergängliche angeht, ist mir vor allem wichtig, dass ich den Prozess nicht in einer visuellen Form bewahre, ich will ihn nicht illustrieren. Für mich ist ein Prozess mehr ein selbstbezogenes Spiel, und das will ich gerne mittels Kunst festhalten. Kunstwerke imitieren oder reflektieren sich gegenseitig oder schaffen eine Spannung im Raum. Manchmal kopieren sich Arbeiten sogar durch die Verwendung verschiedener Materialien und werden so zu verschiedenen Versionen des Gleichen. Diese Prozess orientierte Spannung ist etwas, das weniger durch Dauer, als vor allem durch Kommunikation bleibt.
Das Herstellen von Spannung im Raum erinnert mich an meine eigene Praxis des Kuratierens. In einem Gespräch hattest du gesagt, du fühlst dich manchmal so, als ob du deine eigene Arbeit kuratieren würdest. Das ist ungewöhnlich – was genau meinst du als Künstlerin damit?
Ich habe herausgefunden, dass ich auf eine sehr analytische Art vorgehe. In Konsequenz dazu zeige ich meine Arbeiten eher als zusammenhängende Projekte, denn als einzelne Teile. Natürlich sind sie auch individuelle Einzelstücke, aber ich entwerfe sie mehr als Module. Sie beziehen sich dadurch aufeinander. Natürlich können sie auch durch verschiedene Projekte hindurch immer wieder gezeigt werden, aber sie sind immer sehr durch einen spezifischen Kontext miteinander verbunden. Ich habe ehrlich gesagt bis vor wenigen Jahren nie über das Kuratieren nachgedacht. Aber dann habe ich gemerkt, dass es eigentlich das ist, was ich ohnehin mache – als meine eigene Arbeit (lacht). Ich setze Arbeiten in Dialog zueinander. Ich suche nach Verbindungen, Imitationen und Narrativen. Kuratieren ist für mich im Grunde genommen der gleiche Prozess, nur ohne meine eigenen Kunstwerke dafür zu nutzen. Was für mich noch interessanter ist, denn die Essenz oder Bedeutung eines anderen Werks herauszufinden, macht es für mich noch interessanter.
"Ich bin sehr fasziniert von dieser Figur der Künstlerin"
Ich muss an eine deiner letzten Arbeiten denken, die „Thinking about Artists“ heißt. Hier machst du etwas, das typisch für Kuratoren ist: Du integrierst künstlerische Positionen in deine selbst gesetzte Rahmung, gewissermaßen dein Programm oder Thema. Aber natürlich ist es ein großer Unterschied, dabei selbst künstlerisch zu arbeiten. Wie genau bist du vorgegangen?
Das Projekt kommt von einem Phänomen, mit dem Künstler oft konfrontiert werden: Sie bekommen die Empfehlung, sich bestimmte Positionen in Bezug auf die eigene Praxis anzuschauen. Ich war neugierig, wie man sich diesem Phänomen als Künstlerin nähern kann. Was genau soll ich damit anfangen, was damit tun? So habe ich angefangen, alle Namen zu sammeln, die mir empfohlen wurden, und am Ende hatte ich diese fortlaufende Liste mit Künstlern. Das bringt mich auf eine Weise wieder in die Position der Kuratorin mit Künstlerliste. Gleichzeitig war es etwas vollkommen Unterschiedliches. Es war ein permanenter Prozess des Sammelns, der mich zu einem bestimmten Punkt der Auswahl führte, die meine Ausstellung repräsentieren konnte. Ich entschied mich also für fünf Positionen, die mir nahegelegt worden waren. Sie sollten Teil meiner Ausstellung werden. Ich begann, selbst Arbeiten zu entwerfen, die in einer Art imaginärem Dialog mit diesen Künstlern entstanden. Ich habe mir vorgestellt, wie ich vorgehen würde, wenn ich sie wäre, oder aber was mich von ihnen unterscheidet. Wie würde ich mich ihrer Arbeit annähern, wenn ich es in meinem eignen Rhythmus, also ganz auf meine Weise tun könnte? In meiner politischen, sozialen, finanziellen Situation? Ich handle hier also sowohl kuratorisch als auch künstlerisch. Ich schaffe eine neue Arbeit, kuratiere mich dabei aber gewissermaßen selbst. Es ist in gewisser Hinsicht eine Analyse der ‚Artist as Curator’-Position oder ein Versuch herauszufinden, was es heißt, als Künstlerin kuratorisch vorzugehen. Aber ich denke, das Lustige ist, dass das Projekt scheinbar verspricht, sich um all diese Künstler zu drehen, das aber nicht einlöst; es geht um meine eigene künstlerische Identität. Es ist also letztendlich ein Projekt über mich als Künstlerin. Ich bin sehr fasziniert von dieser Figur der Künstlerin. Was impliziert sie, für was steht sie, was für eine Aura hat sie?
Was würdest du sagen, woraus sich diese Figur des Künstlers zusammensetzt? Was ist für dich an ihr interessant, wo du sie selbst mit verkörperst?
Natürlich werde ich zunächst in dem was ich tue und als was ich mich verstehe von meinen eigenen Interessen geleitet. Aber es gibt auch viele Erwartungen, die von außen an die eigene Rolle herangetragen werden, und die können manchmal sehr merkwürdig sein.
Wie was zum Beispiel?
Ich denke, Künstler sollen oft wie Rockstars auftreten (lacht). Ich entspreche diesem Bild überhaupt nicht. Und ich denke es gibt diese Faszination für Künstler, die sich wie typische Künstler verhalten. Eine witzige Anekdote aus meinem Künstlerdasein ist zum Beispiel eine Geschichte, die mir vor einigen Jahren passierte, als ich für eine Firma arbeitete, die großformatiges Ausstellungsdesign und -Konzepte machte. Ich war für die Koordination zuständig, was meine Kollegen überraschte. Es gibt viele Leute in meinem Bekanntenkreis, die so über mich reden: Nika ist Künstlerin, aber sie ist ein sehr geordneter Mensch – Das ist wirklich komisch! Manchmal enttäusche ich die Leute regelrecht damit, nicht das Bild des...
... verrückten Malers zu erfüllen?
Genau. Aber selbst wenn man vom verrückten Maler spricht, weiß doch jeder sofort, was damit gemeint ist. Das ist es, was ich mit Erwartungen an bestimmte Rollen meine.
Ein anderes Merkmal der Figur des Künstlers ist, gewissermaßen unfähig zur Kommunikation zu sein, also zurückgezogen im Atelier vor sich hin zu arbeiten ohne dabei über die eigene Kunst sprechen zu können.
Das stimmt, das ist ein sehr guter Punkt. Viele Künstler nehmen einen sehr passiven Standpunkt ein, indem sie sich auf ihre Arbeit im Atelier begrenzen. Nur die Produktion spiegelt ihr Selbstverständnis wieder. Für mich ist es allerdings wichtig, an Talks teilzunehmen, Vorträge zu halten – all das hilft mir nicht nur dabei, selbst zu verstehen, was ich mache, sondern auch, was zwischen den Menschen und meiner Arbeit stattfindet. Für mich ist es also etwas ganz Essenzielles.
Das erinnert mich wieder an die Figur des Kurators. Üblicherweise übernehmen Kuratoren die Vermittlung und kommunizieren zwischen Kunst und Publikum. Gleichzeitig denke ich, Künstler müssen auch mehr und mehr wie Kuratoren handeln, denn gerade sie müssen auch Netzwerker sein.
Nun, das ist ein natürliches Symptom unserer Zeit. Ich würde nicht sagen, dass es notwendigerweise gut so ist, aber es ist wie es ist. Es ist unternehmerisch. Der Kunstmarkt ist unglaublich problematisch. Aber wir sollten versuchen, das Beste daraus machen. Für mich ist es wichtig, eine gewisse Sichtbarkeit zu bewahren, denn ich bin eine sehr soziale, kommunikationsfreudige Person. Ich will, das meine Arbeit gesehen wird, ich will über sie reden, will sie zeigen. Ich versuche also, gerade mit dem Wissen über bestimmte Probleme zu agieren und Kompromisse einzugehen, mit denen ich leben kann.
Du hattest einmal gesagt, dein Atelier ist wie ein Sammelpunkt, an dem du verschiedene Techniken aus anderen Werkstätten zusammenfügst.
Ja, ich kombiniere gewissermaßen Teile bestimmter Produktionsprozesse, die ich hier selbst nicht herstellen kann. So entstehen meine Skulpturen.
"Ich mag es, wenn Dinge auf schier endlose Weise durch Kopie und Imitation neu entstehen. So überdenken die Leute ihre Existenz."
Ist das eine Art Analogie dazu, dass du innerhalb deiner Arbeit ein Spektrum medialer Techniken nutzt?
Ja, ich denke, es ist auch eine Referenz auf das Thema der Künstler-Identität, denn natürlich prägt es mich als Künstlerin, wie meine Arbeit hergestellt wurde und als was mein Atelier fungiert oder wie es aussieht. All das, mein Kontext, meine Umgebung, mein Alter, mein Status, diese Faktoren formen mich in einer gewissen Weise – und damit die Arbeit, die daraus hervorgeht. Ich war nie daran interessiert, eine besonders visionäre Arbeit zu produzieren, sondern ich sehe meine Praxis vielmehr als eine Art des Filterns. Ich sammle visuelles Material und Erlebnisse und jage es durch meinen eigenen künstlerischen Fleischwolf (lacht). Ich bin skeptisch gegenüber Innovationen, denn letztlich ist jede Neuerung nur eine weitere Version von etwas Bestehendem. Ich mag es, wenn Dinge auf schier endlose Weise durch Kopie und Imitation neu entstehen. So überdenken die Leute ihre Existenz.
Tritt dieses Motiv der endlosen Wiederholung auch in einer deiner Arbeiten auf?
Ja, es erscheint in all meinen Arbeiten bis zu einem gewissen Grad. Ich nutze oft Materialien, die sich gegenseitig nachahmen. In der Serie „Significant other“ arbeite ich mit dem Dialog zwischen Foto und Skulptur – und der Verbindung, die wir zum jeweiligen Medium haben. Wir sehen Fotografie immer als Kopie von etwas, was sie im eigentlichen Sinne schließlich auch ist. Aber im Falle meiner Arbeit bekommt sie die Rolle des Originals, und die Skulptur beginnt, sie nachzubilden. Es findet also eine Verlagerung dessen statt, was wir mit dem Medium jeweils assoziieren. Denn Skulpturen gelten als Unikate, während Fotos als Dokumentationsmaterial behandelt werden.
Ich muss hier an eine deiner frühesten Arbeiten denken. In „Family Matter“ waren Objekte der Ausgangspunkt, die du in kleine Skulpturen oder vielmehr Arrangements verwandelt hast, um am Ende ein Foto davon zu machen. Es ist also sehr interessant, wie du die Dimensionen von Bild und Raum in Bewegung bringst.
Mit dem Medium Skulptur zu arbeiten ist heute eine sehr besondere Herausforderung. Meistens werden räumliche und plastische Dimensionen durch ihre bildliche Dokumentation wahrgenommen, denn viele Ausstellungen sehen wir nur im Netz. Das macht man sich zu selten bewusst, obwohl nur die zweidimensionale Repräsentation von etwas wahrgenommen wird. Der Glaube an die dritte Dimension ist darum etwas seltsam, denn in Wirklichkeit sehen wir sie kaum. Mit diesem Gedanken spiele ich oft. Es ist mir auch wichtig zu zeigen, dass durch das Zweidimensionale eine bestimmte Sichtweise vorgegeben wird – niemand kann so hinter das Bild schauen, wie man hinter eine Skulptur blicken könnte.
Ist das deine Antwort auf das digitale Zeitalter?
Ich denke, die Digitalisierung ist weder gut noch schlecht. Wir sind umgeben von einer Fülle von visuellem Material und Referenzen, die mir selbst oft schwer fallen überhaupt zu im Gedächtnis zu behalten. Ich habe darum ein konstant wachsendes Archiv an Dingen, die mir als interessant auffallen, aber die ich nicht zu ihrem Ursprung zurückverfolgen kann. Es ist einfach eine sehr andere Weise, sich Kunst anzunähern.
Ist das auch ein Grund dafür, warum deine Arbeit oft in der Logik eines Spiels konzipiert ist? Dass du also mit einzelnen Bestandteilen deines Archivs neue Bezüge herstellst, die spielerisch bestimmten Regeln folgen?
"Die Ausstellung beschäftigt sich damit, was eine Geste überhaupt ist und sein kann – oder was eine Geste noch ist, wenn sie kein Objekt mehr hat, auf die sie sich bezieht."
Das macht mich neugierig – was wird uns in der Ausstellung erwarten?
Ich bin sehr auf den Raum eingegangen. Die Ausstellung ist zwar nicht so ortsspezifisch, dass sie nie an einem anderen Ort gezeigt werden könnte, aber das weisse haus stellt keinen White Cube dar. Es erinnert mehr an einen Keller mit einer speziellen Lichtstimmung und einer bestimmten Ästhetik. Darum habe ich die Ausstellung so ausgerichtet, dass die Arbeiten flach am Boden liegen. Es werden Skulpturen und flache Oberflächen miteinander kombiniert. Ich schaffe eine Art Display, das eine Sammlung von Skulpturen präsentiert. Außerdem zeige ich ein Buch und Fotoarbeiten, die in diesem Kontext auch zu Objekten werden. Alles wird als Teil des Displays integriert. Die Ausstellung beschäftigt sich damit, was eine Geste überhaupt ist und sein kann – oder was eine Geste noch ist, wenn sie kein Objekt mehr hat, auf die sie sich bezieht. Davon ausgehend verorte ich Gesten in verschiedene Richtungen: als Kommunikation, Illusion oder vielleicht als Trick. Darum wird es auch eine Zaubershow bei der Eröffnung geben.
Das klingt, als würde die Ausstellung viele deiner Ansätze versammeln.
Ich denke das auch. Durch die Ausstellung habe ich die Chance, einen ganzen Raum alleine zu füllen, was ich dafür nutzen wollte, viele meiner Themen zu verbinden.
Gibt es auch einen neuen Aspekt, den du dafür entwickelt hast?
Eigentlich entsteht durch jede Arbeit von mir etwas Neues, auch wenn es Ähnlichkeiten zwischen ihnen gibt. Meistens stellt sich das für mich im Nachhinein heraus, wenn die Ausstellung vorbei ist.
Damit reflektierst du innerhalb der Ausstellung über deine Praxis als solche – was für mich als Besucherin sehr spannend ist. Ich freue mich darauf, sie zu sehen! Danke für das tolle Gespräch!
04.10. - 18.11.2017
Eröffnung am 03.10.2017, 19:00
das weisse haus
Hegelgasse 14
1010 Wien
Österreich
www.agnieszkaroguski.de