Der Garten als Bühnenbild
Am Boden und einen Meter darüber. Die Objekte des Wiener Künstlers, Landschaftsgestalters, Floristen, Designers und Fotografen
Markus Jagersberger, der sich Markus And His Flowers nennt, spielen mit den Dimensionen Groß und Klein, Extravaganz und Understatement. Immer schwingt da diese feine Note Humor mit. Wir trafen ihn auf seiner wild bepflanzten Terrasse, redeten und tranken Schnaps mit Kaffee.
"Ich mag Löcher buddeln!"
Antje Mayer-Salvi: Du bist sicher inmitten eines Gartens aufgewachsen?
Markus Jagersberger: Meine Mutter besaß einen riesigen Gemüsegarten. Als Kind schon habe ich es geliebt, mit den Händen in der Erde zu graben. Das gibt mir Erdung. Pflanzen machen mich ruhig, geben mir ein heimeliges Gefühl. Sonst würde ich wahrscheinlich total abheben und wegfliegen. Mein Horoskop sagt, ich bin Luft und Wasser. Ich bin nicht esoterisch, aber da ist was dran.
Gärtnern hat für Dich quasi therapeutischen Charakter?
Für mich total. Das ist schon eine meditative Sache für mich, im Garten zu sein. Da will ich auch nicht mal Musik hören ...
Ist Deine Mutter mir Dir durch den Garten gestreift und hat Dich in seine Geheimnisse eingeführt?
Genau. Ich durfte als Kind immer die Kräuter für die Suppe holen. Ich wusste genau, wo was zu finden ist. Auch die Heilkräuter. Meine Mutter hat für ihre Tees viel selbst gesammelt und getrocknet. Die Kräuter haben wir dann selbst gemischt. Ich liebe das heute noch und sammle selbst immer noch meine Teemischungen. Man muss an ihre Wirkung nur glauben, dann funktionieren sie auch (lacht).
Bist Du im wahrsten Sinne „verwurzelt“ ?
Ich liebe es besonders, Bäume zu pflanzen. Ich bemühe mich stets, einen guten Ort für sie zu finden, an dem sie möglichst 300 Jahre stehen und ganz viel miterleben können. Ich muss das Gefühl haben, dass ein Baum an einen Ort bleiben kann und nicht in 50 Jahren niedergeholzt wird. Irgendwann wird dann jemand unter ihm liegen – wie ich auch unter so großen alten Bäumen – und wird sich denken: „Dich hat mal jemand gepflanzt. Bist du ein toller Baum!“
Du bist ja ausgebildeter Landschaftsgärtner, wie bist Du dazu gekommen?
Ich wollte schon seit meiner Kindheit Gärtner werden und bin mit 14 Jahren in die Schönbrunner Gartenschule gegangen. Eine Schule mit Internat, die man mit Matura abschließt. Da hatte ich Fächer wie Planzeichnen, Entwurf und CAD, viele Computerprogramme waren damals noch super neu.
Wann kam Deine Annäherung an die Kunst?
Eigentlich gleich nach der Matura. Ich wollte damals unabhängig sein und bald gemerkt, ich bin kein Büromensch, sondern ich mag lieber Löcher buddeln. Mario Terzic gründete an der Angewandten 2001 das Fach Landschaftsdesign. Das war vorher eine freie Grafikklasse. Das fand ich spannend, nicht zuletzt, weil ich ja eine klassische, technische Ausbildung genossen hatte.
Hast Du damals schon Gärten gestalten können?
Ich habe tatsächlich während meines Studiums einen Garten übernommen, den betreue ich jetzt schon seit 15 Jahren, und er verändert sich fortwährend. Einen Garten sehe ich nie als fertig an. Einmal stirbt was, dann muss man sich was überlegen, die Pflanzen werden größer, tun den anderen nicht mehr gut, dann pflanze ich sie woanders hin und suche einen besseren Ort. Es gibt genug Pflanzen, die wandern eh von selbst. Die Walderdbeere zum Beispiel. Wenn es ihr an einem Ort nicht mehr gefällt, dann wandert sie mit ihren Ausläufern fünf Meter weiter. Ich versuche das zuzulassen. Ist schon dynamisch!
Und Gärten im öffentlichen Raum?
Öffentliche Geschichten und Einreichungen habe ich aufgehört zu machen, da gibt es zu viele Vorschriften. Ich muss für den Hund, ich muss für die Omi, ich muss behindertengerecht, ich muss für die Kinder, oder wenn es zwei Stiegen gibt, schon ein Geländer bauen. Da bist du unfrei, der künstlerische Gedanke geht verloren mit dieser bürokratischen Safety-Sache. Wenn öffentlicher Raum, dann von der künstlerischen Seite her, also als Kunstprojekt im öffentlichen Raum, dann kannst du das umgehen, oder privat einfach machen!
Wie läuft so eine Gartenbetreuung ab?
Ich spreche im Vorfeld ganz viel mit den Gartenbesitzern, arbeite relativ persönlich und intim, will genau wissen, was sie sich vom Garten erwarten. Man muss ihn ja dann jahrelang betreuen und schauen, dass das alles mal Fuß fasst, mal verwurzelt ist, da ergibt sich auch oft eine langjährige Freundschaft.
"Ich mag geordnetes Chaos!"
Was unterscheidet Dich vom klassischen Gartengestalter?
Ich bin nicht dieser architektonische, geradlinige, straighte Gartenmensch. Ich gestalte eher ein geordnetes Chaos. Schon Naturgarten. Ich mag die Vielfalt, wenn es ganz viele verschiedene Pflanzen gibt. Der Garten funktioniert in sich als Mikroklima viel besser, als wenn ich hundert Hortensien und Gräser und ein Riesenfeld Lavendel pflanze. Ich mag einfach, wenn alles so zueinander wächst und sich alles seinen Platz nimmt, das andere ein bisschen verdrängt, also es soll schon wild sein.
Du arbeitest mit einem Landschaftsarchitekten zusammen?
Zuweilen. Der Landschaftsarchitekt geht sehr stark von der Architektur des Hauses aus und überträgt das dann nach außen. Ich gehe stark von der Pflanze aus. Ich übertrage die Natur und das Organische Richtung Haus.
„Es soll schon wild sein!"
Hast Du einen philosophischen Zugang?
Ja sehr. Bei den japanischen Gärten etwa hast du diese verschiedenen hintereinanderliegenden Ebenen, die dein Auge entspannen. Da ist extrem viel Gedankengut dahinter! Ich versuche solche Einflüsse auf meine Arbeit einwirken zu lassen, aber jetzt nicht auf Zwang: Ich mag das halt mit den Ebenen. Wenn du auf einem Berg stehst und du hast diese Weiten einerseits und das Vorne andererseits. Das wirkt sehr beruhigend und macht schon Sinn.
Wie beim englischen Garten ...
Ja, wo diese Blickachsen freigelassen werden, ganz typisch. Erst ist es ganz dicht und plötzlich öffnet sich der Blick. Du hast so eine Weite und große Dimension für das Auge, die diesen Geist von Freiheit und Schrankenlosigkeit atmet und dann schließt sich der Blick wieder, damit du in dich gehen kannst. Diese Ambivalenz, geschützter Raum und Weite, mag ich sehr.
Ist der Garten, die Gestaltung für Dich sowas wie eine Bühne?
Es ist ein Ort, ein Raum und genauso ein Bühnenbild. Ein Set. Ich habe ja auch als Stylist gearbeitet. Bei Mode geht es auch um die Themen Form, Silhouette und Oberfläche. Das ist für mich nicht so weit weg vom floristischen Gedanken.
Stattest Du Hochzeiten aus? Du besitzt ja gar keine Homepage, wie finden Dich die Leute?
Ich mag Hochzeiten, da dekoriere ich ein paar jedes Jahr. Der Kontakt läuft ausschließlich über Mundpropaganda. Ich werde empfohlen, oder man redet über mich. Ich hatte mal eine Homepage, aber die habe ich wieder abgedreht, für mich war das eher Antiwerbung. Ich hatte so aufgeregte, fordernde Bräute am Hörer, die ich einfach nicht wollte.
... die Dich nur als Dienstleister gesehen haben?
Eben nicht auf „Ich mag deinen Zugang und ich vertraue Dir“. Vertrauen ist wichtig. Wenn es nicht über einen Freund läuft, dann gibt es keinen Anknüpfungspunkt. Ich will natürlich auch, dass die Hochzeit "der schönste Tag im Leben" wird. Warum soll ich denen denn das verkacken oder ruinieren wollen? Natürlich „I support you“, aber der Kunde muss mir auch einen gewissen Freiraum lassen. Wenn wir sagen, wir wollen verzweigte, duftende Rosen, und ich gehe dann einkaufen und bestelle, und es hagelt aber die Woche davor, und es gibt sie nicht, dann muss ich flexibel sein und darauf vertrauen, dass mein Plan B auch perfekt wird.
"Blumenarrangements mache ich für einen Tag und morgen sind sie weg!"
Erzähl mal, wie dekorierst Du Hochzeiten!
Ich habe mal eine Hochzeit von Freunden in der Zacherlfabrik ausgestattet. Den Ort finde ich toll, mit diesen Hallen, Säulen, dem diffusen Licht und dem Staub. Da passte ein Jugendstil-Touch. Zum Empfang habe ich am Eingang eine fette, drei Meter breite Wolke aus Schleierkraut gehängt. Da sind Blumen, sie sind präsent, aber sie sind jetzt auch nicht zu aufdringlich. Obwohl die Installation schon massiv war, war sie doch leicht und halt einfach da und schön.
Blumen sind ja furchtbar vergänglich ...
Als Kontrast zum Baum, der ja im besten Fall 500 Jahre alt wird, sind Blumen total vergänglich. Blumenarrangements mache ich für einen Tag, total schön und morgen sind sie einfach weg. An dieser "Verschwendung" liegt auch der Reiz für mich.
Wo kaufst Du Deine Pflanzen ein?
Ich arbeite zusammen mit einer Baumschule meines Vertrauens. Da gibt es natürlich dann auch Pflanzen, die ein bisschen komisch gewachsen sind. Oft sind das aber genau die, die ich dann haben will. Ich will keine Pflanze, die tausendmal gleich ausschaut, sondern ich mag schon auch, wenn sie Persönlichkeit und Charakter besitzen. Oft gibt es auch in Märkten so Abverkaufsecken, wo ich mir bei einer Pflanze oft denke: Oh, du bist toll! Okay, du bist für heuer verblüht, aber ich kann dich einpflanzen und nächstes Jahr blühst du. Ich besitze einige so Fünfzig Cent-Pflanzen (lacht).
Du machst auch Modeshootings, wie läuft das ab?
Immer vorort. Ich arbeite sehr gerne in den Orten, wo das dann stattfindet. Man kann alles noch so gut besprechen oder skizzieren, fast immer wird dann noch was geändert oder anders herumgeschoben. Ich mag auch nicht, wenn eine Pflanze dann immer im Weg steht, ich hasse sowas. (lacht) Eben einen Raum und Ort schaffen, wo sich Leute wohlfühlen. Meistens mache ich ein mood von Pflanzen, die es aktuell in der Jahreszeit gibt, – also jetzt nicht zwingend die Pfingstrosen im November – , das finde ich absurd, ist nicht mein Zugang.
Du hast für Agent Provocateur gearbeitet?
Ich habe für sie vier Jahre lang jeden Montag den Blumenstrauß gestaltet. Immer für die gleiche Vase. Nach einiger Zeit, habe ich sozusagen jede Woche eine neue Skulptur kreiirt. Dann hatte ich mal Lust, auf „alles fließt und hängt“, dann war die Vase fast nicht mehr da, dann wieder alles total nach oben, struppig abstrakt. Ich habe jede Woche ein Foto gemacht und das ist total toll als Serie.
"Ich vertraue auf mein Können, Wissen und Sehen!"
Verkaufst Du diese Prints?
Ich würde gerne mal eine Tapete daraus machen, irgendwann einmal ...
Ich kaufe sie Dir ab!
(lacht) ... ist leider noch ein Projekt im Kopf!
Bei Deiner Arbeit...
... ist viel Intuition dabei. Ich arbeite gerne oppulent, dann aber mit einem Bruch dazu, den man
nicht erwartet. Oder ich spiele mit einer konträren Farbe, die dann mal kurz das
Auge irritiert. Ich mag es schon auch gewagt und bisschen edgy. Ich mache das schon so lange, ich vertraue auf meinen Bauch, auf mein Können und auf mein Auge. Wenn sich das für mich richtig anfühlt, dann kann ich das vertreten. Und dann weiß ich auch, die Leute werden das mögen.
Danke für das Gespräch, den Kaffee und Schnaps!