Die Mieze
Digitale Detektivarbeit
Marija Milovanovic ist nicht nur Kuratorin des ersten Wiener Katzenvideo-Festivals, sondern auch Expertin für Katzen-Hip Hop. Wir tranken mit ihr gemeinsam ein Glas Milch.
Text: Matthias K. Heschl
Matthias Heschl: Darf ich Ihnen ein Glas Milch einschenken?
Marija Milovanovic: Sehr gerne.
Ihrer Katze darf man auch etwas servieren?
Ich habe gar keine Katze.
Oh, wie kommt man dann bitte auf die Idee, ein Katzenfilm-Festival zu veranstalten?
Das hat sich, ehrlich gesagt, eher zufällig ergeben: Ein guter Freund hat in der New York Times einen Artikel über das erste Internet Cat Video Festival in Minneapolis (2012) gelesen und uns darauf aufmerksam gemacht. Wir waren sofort neugierig und haben mit dem Walker Art Center in Minneapolis Kontakt aufgenommen. Die Verantwortlichen waren davon begeistert, das Katzenfilm-Festival nach Europa zu bringen – und es wurde in Wien ja dann auch begeistert aufgenommen!
Darf man Youtube oder Vimeo-Videos einfach so auf einer Kinoleinwand zeigen?
Nein, darf man nicht. Es ist tatsächlich extrem heikel, Internet-Videos bei einem Festival zu zeigen, ohne zu wissen, wer die Rechteinhaberinnen und –inhaber sind. Das gilt auch für Internet-Videos. Beim Cat Video Festival in den USA läuft die Programmierung über Einreichungen; dabei werden die Rechte von vornherein abgetreten. Wir kuratieren aber einen großen Teil des Programms selbst, also müssen wir auch selbst die Urheberrechte recherchieren. 2014 gab es zum Beispiel den Schwerpunkt „Musical Cats“ – Katzen in Musikvideos. Dafür habe ich die Urheberinnen oder Urheber jedes einzelnen Videos richtiggehend gestalkt.
Gestalkt? Wie geht das denn?
Digitale Detektivarbeit! Es war unfassbar schwierig! Bei den Musikvideos wussten wir oft nicht, bei wem die Rechte eigentlich liegen, ob beim Filmschaffenden, der Band oder dem Label. Abgesehen davon wurde grundsätzlich die erste Anfrage von uns ignoriert. Man musste schon ziemlich hartnäckig sein. Die Reaktionen waren dann immer ähnlich: „Ein Cat Video Festival? Das kann nicht Euer Ernst sein!“ Es hat nicht selten Monate gedauert, bis alles geklärt war.
Wie nahm das Wiener Kinopublikum die Idee am Anfang auf?
Die Veranstaltung war 2013 eigentlich als ein Experiment gedacht, als eine Art Feldstudie, da wir nicht wussten, wie die Wienerinnen und Wiener unsere Idee aufnehmen würden. Durch die Erfahrungsberichte vom Walker Art Center waren wir aber optimistisch und entschieden uns mutig für einen Ort mit viel Platz. Schließlich kamen 1.300 Menschen auf die Jesuitenwiese im Prater. Für einen lauschigen Abend mit Picknickdecke und Getränken war die schöne Wiese die perfekte Location, die Leinwand jedoch fast zu klein. Den Erfolg konnten wir 2014 sogar noch topen: In der Arena kamen 1.700 Katzenvideofans.
Gibt es den prototypischen Cat Video Festival-Besucher? Alles Katzennerd?
Nein, nein! Das sind die unterschiedlichsten Leute (lacht). Was ich sehr nett finde, ist, dass es tatsächlich Fans gibt, die sich als Katzen verkleiden und das Event geradezu zelebrieren. Deswegen würde ich es gut finden, wenn wir das Rahmenprogramm in den nächsten Jahren ausbauen könnten. Es wird zum Beispiel gerade eine Hip Hop-CD von zwei amerikanischen Rappern gemacht, die nur mit Katzensounds arbeiten. Vielleicht kommen sie 2015 nach Wien, wenn wir das irgendwie finanzieren können.
Das Festivalpublikum bringt also keine Katzen mit?
Nein, das finde ich auch gut so! Die Katzen haben ja nichts davon. Wobei das in den USA schon noch ein bisschen anders läuft: Da werden dann die Star-Katzen wie Grumpy Cat um zigtausend Dollar eingeflogen. Viele der Besucherinenn und Besucher bringen ihre eigenen Katzen mit, damit diese vielleicht auch entdeckt werden.
Das Internet ist voll mit Cat-Content – warum hat die Katze solche Starqualitäten?
Darf ich zitieren?
Bitte nur zu!
Aus dem Programmheft des Cat Video Festivals:
Als Katzenbesitzer kann ich Ihnen nur Recht geben...
Durch Plattformen wie YouTube und Vimeo kann man heute alles online stellen, mit den Smartphones ist schnell ein Video gedreht und in den Social Media geteilt. Die Popkultur ist also zu einer Art Massenkultur geworden. Im Unterschied zu Hunden wirken Katzen nicht „dressiert“: Sie setzen ihren Willen durch, in einem Moment schnurren und im anderen fauchen sie. Diese Tierchen haben eben gewisse Charakterzüge, die sich vor der Kamera gut machen. Teilweise ist es natürlich einfach der Cuteness-Faktor.
Starallüren? Ist jede Katze zum Star geboren?
Starallüren liegen doch in der Natur der Katze. Katzen machen im Allgemeinen keine Männchen und geben keine Pfötchen. Der große Katzenfilmstar Henri, le Chat Noir, der im Video „Henri 2, Paw de Deux“ französisch spricht und sich voll und ganz dem Weltschmerz hingibt, wurde bisher insgesamt fast 9,2 Millionen Mal angeklickt (Stand 22. Dezember 2014). Will Braden, der Macher des Videos, hatte eine großartige Idee: die Katze Henri in ihrem Umfeld zu filmen und ihre Geschichte über Off-Kommentare zu erzählen. Die Katze Henri wird also in keinster Weise dazu genötigt, zu posen. Braden ist übrigens mittlerweile künstlerischer Leiter des Cat Video Festival in Minneapolis.
Es reicht Ihnen also nicht, wenn ein Katzenvideo nur belustigt? Welche Maßstäbe ziehen Sie beim Kuratieren heran?
Ich sehe wenig Reiz darin, auf YouTube die Videos mit den meisten Klicks rauszusuchen. Für mich stehen Originalität und Ästhetik im Vordergrund. Katzenvideo-Festivals sind auch in anderen Länder im Trend!
Das Moskauer Katzenvideo Festival ist eines der ganz großen mit tausenden Besucherinnen und Besuchern. Unser VIS-Artist in Residence von 2013, Alexei Dmitriev, ist selber ein großer Katzenfan und hat für uns im ersten Jahr die russischen „CATastrophes“ kuratiert. Mittlerweile finden Ableger des Festivals auch in Athen und in Nordirland statt. Mit den Einnahmen versorgt man in Griechenland streunende Katzen.
Stehen wir am Anfang oder Ende dieses globalen Katzenhypes?
Die Leute springen auf diesen Trend erst richtig auf. Immer wieder gehen neue Katzenstars am Starhimmel auf. Es hat sich sogar ein richtiger Markt drumherum entwickelt. Grumpy Cat, mit fast 17,3 Millionen Klicks auf Youtube (Stand 22.12.2014) bekommt für einen Auftritt bis zu 10.000 Dollar. Es werden T-Shirts, Poster, Kalender, Spiele, Kopfpolster von ihr vertrieben.
Jetzt zu Wien: Wie sieht Ihr Wien der Zukunft aus?
Wahrscheinlich wie bei Planet der Affen: Katzen reißen die Weltherrschaft an sich und die Menschheit geht unter. Nein, Scherz (lacht). Mir fehlt das Meer in Wien! Ideal wäre so eine Mischung Wien-Barcelona.
Oder so eine Mischung Wien-Berlin!
Wien übernimmt ohnehin schon soviel von den Hipster-Entwicklungen Berlins. Ganze Stadtteile, wie der 16. Bezirk, mutieren zu Bobo-Gebieten. Für mich hat Wien aber eine spannendere Mischung als Berlin: die charmante Altstadt, der historische Background, und dazu dann die vielen neuen Projekte, die derzeit überall in der Stadt aufpoppen, ein cooler Mix.
Was wollten Sie immer schon mal machen?
Wenn ich mal genug Zeit und Geld habe, werde ich eine große Filmfestival-Weltreise unternehmen, auf einer Route von Filmfestival zu Filmfestival, von Land zu Land, rund um den Globus trotten (schmunzelt). Und ich vermute, da wird dann wohl auch das eine oder andere Katzen-Filmfestival dabei sein…