„Das Festival hat international eine unerwartet breite Resonanz ausgelöst!"
Felicitas Call: Ein Jahr ist seit der ersten Ausgabe des Take Festival vergangen. Was hat Euch diese Premiere gelehrt?
Camille: Das letztjährige Take Festival war für uns in vielerlei Hinsicht eine Premiere. Erstens ist ja die Ausrichtung des Take Festival for Independent Fashion and Arts eine grundsätzlich neue: das Veranstaltungskonzept dient der Erschließung und Vermittlung eines transmedialen Modeverständnisses, es beleuchtet Überschneidungen zwischen Disziplinen und scheut sich auch nicht, alternative und divergente Positionen zuzulassen. Dass die Ausrichtung bei Publikum und Presse so großen Anklang fand, hat uns sehr bestärkt! Gleichzeitig hat das Festival auch international eine unerwartet breite Resonanz ausgelöst: Daher ist es ein Ziel für die Zukunft, das Festival stärker für internationale Modeschaffende zu öffnen und mit anderen Veranstaltern aus Europa zu kooperieren.
Franziska trägt einen Mantel von Dimitrije Gojkovic, eine Hose von Roshi Porkar und Schuhe von rosa mosa.
Was sind Eure Ziele für die zweite Ausgabe?
Marlene: Das erste Take Festival war unglaublich breit und vielfältig, diese Breite möchten wir in diesem Jahr beibehalten, um die Fülle des kreativen Schaffens auch adäquat abzubilden. Gleichzeitig versuchen wir aber, spezifische Themen tiefer zu erkunden.
Was erwartet die Besucher dieses Jahr?
Marlene : Die Besucher erwartet ein dichtes Programm aus Fashion Shows, Modeinstallationen und Performances, Präsentationen aktueller Kollektionen, Ausstellungen, Screenings, Talks und ein kuratierter Pop-Up Store. Den Auftakt bildet, wie bereits im letzten Jahr, die Verleihung der AFA – Austrian Fashion Awards, der offiziellen österreichischen Modepreise, die wir heuer in neuartiger und ungewöhnlicher Form inszenieren werden.
„Der Name 'Take' entstammt einem Werbeplakat für ein Take Away vis a vis des creative headz Büros!"
Franziska trägt das bat top und short leggings von Wendy Jim und ihre eigenen Schuhe. Lena trägt das bat top und short leggings von Wendy Jim und Stiefel von Petar Petrov.
Auf welche der diesjährigen Kooperationen seid Ihr besonders stolz?
Camille: Wir freuen uns besonders, dass Nicole Adler in diesem Jahr eine Insider-Auswahl österreichischen Designs zusammenstellen wird, die vor Ort erworben bzw. vorbestellt werden kann. Die departure fashion night war schon im vergangenen Jahr ein absolutes Festival Highlight und wird in neuer Form inszeniert und wartet mit spannenden Designpositionen auf. Und last but not least wird dem Thema "Independent Fashion Magazines" in Kooperation mit der Abteilung “Moden und Styles” der Akademie der bildenden Künste Wien unter der Leitung von Elke Gaugele und Monica Titton ein eigener Schwerpunkt gewidmet.
Was uns aber besonders stolz macht, sind die zahlreichen Designer, Künstler und Kreativen, die im Rahmen des Take Parcours eigene Projekte umsetzen! Die vielen innovativen und überraschenden Ideen, aber auch das Engagement und die Bereitschaft von Seiten der Szene, das Festival aktiv mitzugestalten, kann ich gar nicht genug hervorheben!
Welche Rolle spielt die Location des Festivals? Seid Ihr mit eurer Wahl zufrieden?
Marlene: Wir haben ja schon seit Beginn der AFA 2014 ein neues Festivalformat im Hinterkopf – was sich dann tatsächlich realisieren lässt, ist aber von vielen kleine Puzzlesteinen und glücklichen Fügungen abhängig. Um also ehrlich zu sein, hätte es das erste Take Festival ohne das Angebot der Eigentümer Wertinvest und Soravia, die ehemalige Zentrale der österreichischen Post in der Dominikanerbastei zu nutzen, wohl gar nicht gegeben. Eine so inspirierende Spielstätte inmitten der historischen Wiener Altstadt zur Verfügung zu haben, lenkt natürlich auch eine Konzeption und hat uns erlaubt, groß zu denken! Für das nächste Jahr sind wir bereits auf Locationsuche. Auch wenn der Abschied von der Alten Post schwer fällt, freuen wir uns auf eine neue Herausforderung.
Mode wird oft als “Industry of waste” bezeichnet. Wie realistisch ist Eurer Einschätzung nach ein nachhaltiger Umgang mit Mode?
Marlene: Das Take Festival möchte ja vor allem für unabhängige Mode eine Plattform bieten. Für nahezu alle Modeschaffende, die Mode abseits von High Street und Mainstream kreieren und produzieren, spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Sie legen Wert auf Qualität, Design und Verarbeitung und favorisieren die lokalen Produktionsstrukturen in Österreich oder im nahen Ausland. In ein Lieblingsstück eines unabhängigen Designers zu investieren bedeutet daher, nicht nur eine kreative Position zu unterstützen, sondern auch den Erhalt der traditionellen Textilfertigung in Europa sicherzustellen.
„Es geht um ökologisches, ethisches, soziales und gesellschaftspolitisches Bewusstsein!"
Lena trägt das patterned top und patterned short leggings "falsche schlange" von Wendy Jim, darunter ein Top von Dimitrije Gojkovic. Luca trägt das Jane Flowing Dress von Femme Maison und Schuhe von rosa mosa.
Anna trägt ein XL T-Shirt und Sweatpants von Jana Wieland und Raniboots von Rani Bageria. Luca trägt ein XL T-Shirt und Sweatpants von Jana Wieland und seine eigenen Schuhe.
Wie kann Mode den Spagat zwischen Kunst und Alltagsgegenstand schaffen?
Camille: Viele Designer verhandeln gerade Themen des Kunstdiskurses, wenn es darum geht, Mode zu zeigen und kommunizieren. Sie erzeugen Bilder, bedienen sich performativer Techniken, schaffen Räume, Atmosphären und verdichten und vermitteln so den allgegenwärtigen “Alltagsgegenstand” Mode neu.
Obwohl Mode ein Thema ist, das uns alle betrifft, wird sie oft nicht ernst genommen. Warum glaubt Ihr, ist das so?
Marlene: Mode wurde im deutschsprachigen Raum lange als illegitimer Gegenstand für die Wissenschaft betrachtet. Der dekadente Wechsel der Moden erschien als frivol. Im Zentrum der gesellschaftlichen Rezeption von Mode stehen ökonomische, kapitalisierbare Kriterien der Mode, also Produktmaximierung, lukrative Vermarktung und Konsum. Hier wird Mode vor allem an ihrem wirtschaftlichen Erfolg gemessen, durch ihren Beitrag zur Event- und Celebrity-Kultur wahrgenommen (bzw. darauf reduziert) und als Imagetransfer und Gentrifikationskatalysator für Nation Branding und Städtemarketing gesehen. Was wir mit dem Take Festival in den Diskurs über Mode einbringen wollen ist, dass Mode – vorrangig junge, zeitgenössische Modepositionen, ökologisches, ethisches, soziales und gesellschaftspolitisches Bewusstsein in ihren Arbeiten entwickeln und klar Haltung und Verantwortung übernehmen.
Und zum Schluss: Wie seid ihr eigentlich auf den Namen „Take” gekommen?
Marlene: Tatsächlich war der Name Zufall, er entstammt einem Werbeplakat für ein Take Away vis a vis des creative headz Büros und stand in einer langen Liste von Namensalternativen. Jeder in unserem Viererteam hatte eine andere Assoziation, einen anderen Spruch dazu – und das hat jede Menge Diskussionen ausgelöst, die letztendlich inhaltlich prägend waren und unsere Vision des Festivals geschärft haben – so ist der Name geblieben.