Eine Homestory der ganz besonderen Art: Wir gaben der Berliner Künstlerin Raphaela Vogel eine analoge Einwegkamera und baten sie, ihr Atelier zu fotografieren – Königspudel, Zuhälter-Prolls und überraschender Besuch von Tocotronics Dirk von Lowtzow inklusive.
Rohe Räume, tonnenweise Stahl und dystopische Klänge:
Raphaela Vogel schafft Ungemach. In ihren Arbeiten führt sie uns mit monumentalen Konstruktionen und wuchtigen Skulpturen an postapokalyptisch anmutende Schauplätze, in eine Welt der Abgründe, Einsamkeit und Phobien. Aber wer ist diese Frau, die mit 31 Jahren als bisher jüngste Künstlerin in der Geschichte das Bregenzer Kunsthaus mit einer Personale bespielen durfte? Wer ist diese Geschichtenerzählerin mit seltsam düsteren Fantasien von Fabelwesen, Drohnen und Schlagergesängen?
„Meine Freundin und Fotografin Kira Bunse hat die Jungs im Berliner Humboldthain-Schwimmbad fotografiert – gleich um die Ecke. Ich mache alles selbst, arbeite mit Drohnen, Technik und Stahl. Alleine der Fakt, dass ich als Frau diese Materialien verwende, ist für viele schon das Interessante an meinen Arbeiten. Dass es so einfach funktioniert, amüsiert mich.“
„Mein Atelier befindet sich in einer alten Schlosserei in Berlin. Ich kann mich auf rund 200 m² ausbreiten. Zu meinem Lieblingsort gelangt man über diese Wendeltreppe. Oben gibt es eine kleine Galerie und eine Bücherecke, in der auch mein von Sibylle Berg persönlich signiertes Buch ,GRM‘ liegt, auf das ich sehr stolz bin.“
„Bis vor Kurzem standen in meinem Atelier noch überall verfallene und vermooste Miniaturwahrzeichen herum. Die Freiheitsstatue, der Arc de Triomphe und so weiter. Ich habe den Nachlass eines Miniaturparks für meine Ausstellung ,Bellend bin ich aufgewacht‘, die 2019 im Kunsthaus Bregenz zu sehen war, erworben. Der Park war in Owschlag, ein ganz kleines Dorf in der Nähe von Kiel. In den Achtzigern war der aber sehr bekannt – nach Legoland das zweitbeliebteste Ausflugsziel in dieser Zeit. Als sich aber dann mal ein Kind das Ohr dort abgerissen hat, musste er verkauft werden.“
„Die Uhr hier ist eigentlich ein Lautsprecher mit Boxen. Mein Soundsystem. Musik spielt in meinen Arbeiten eine große Rolle. Da werde ich nostalgisch! Die Schlagersängerin Milva, deren Song ,Hurra, wir leben noch‘ ich in meiner Arbeit ,In festen Händen‘ neu interpretiere, habe ich als Kind oft mit meiner Mutter gehört. Und in meiner Arbeit ,Mogst mi du ned, mog i di‘ verwende ich den Teil eines Songs von Hubert von Goisern, den ich früher mit meinem Vater gehört habe. Wenn ich heute nach 20 Jahren ins CD-Regal meiner Eltern greife, verstehe ich erst, was die Interpretinnen eigentlich besingen. Diese Songs meiner Kindheit und Jugend verarbeite ich nun in meiner Kunst.“
„Ja, da sitzt mein guter Bekannter – und Idol – Dirk von Lowtzow von Tocotronic. An dem Tag, an dem das Foto entstand, war er zu Besuch in meinem Atelier und hat mich und meinen Hund Rollo gezeichnet. Wir wurden vom ZDF gefragt, ob wir einen gemeinsamen TV-Beitrag machen wollen. Dieser Atelierbesuch war ein Teil davon.“
„Die tonnenschweren Löwen aus meiner Arbeit ,In festen Händen‘ habe ich einer Privatperson abgekauft. Das muss man sich mal vorstellen: Diese 100 Jahre alten italienischen Plastiken standen einfach im Garten eines Zuhälter-Prolls in Brandenburg herum und haben die Eingangstür seines Einfamilienhauses flankiert. Der meinte das tatsächlich ernst.“
„Zum Abschluss ist hier noch die sogenannte ,Elefanten-Schaukel‘ aus Wiener Bronze zu sehen.“
Raphaela Vogel (*1988 in Nürnberg) ist eine deutsche Künstlerin, die für ihre multimedialen Installationen bekannt ist, in denen Video, Skulptur und Musik verschmelzen. Sie hatte erfolgreiche Einzelausstellungen im Kunsthaus Bregenz (2019), im Haus der Kunst in München (2019) und in der Kunsthalle Basel (2020). Vogel lebt und arbeitet in Berlin.